Handelsstreit mit China:Deutsch-chinesische Charmeoffensive verärgert Brüssel

Suntech Sees Solar Rebound In A Year After 'Difficult Time'

Solarmodule werden in der ostchinesischen Stadt Wuxi montiert

(Foto: Bloomberg)

Die Front der Europäer im Streit mit China bröckelt: Die Bundesregierung stemmt sich gegen Strafzölle für chinesische Solarmodule, doch die EU-Kommission will sich dem Druck aus Berlin und Peking nicht beugen. Der Konflikt eskaliert - und China droht auch Deutschland mit Konsequenzen.

Von Markus Balser, Javier Cáceres und Christoph Giesen

Ein Mann der großen Geste ist Li Keqiang eigentlich nicht. Doch dass Gastgeber Philipp Rösler (FDP) zum Treffen mit Wirtschaftsgrößen am Montag ein derart großzügiges Gastgeschenk mitbrachte, ließ Li nicht kalt. Rösler erteilte drakonischen Strafzöllen der EU auf chinesische Solarprodukte eine klare Absage. Deutschland und China, befand der Mann aus Peking in Berlin, könnten in der Industrie ein Traumpaar werden - Hand in Hand beim Erschließen neuer Märkte. Doch schon am Dienstag wurde klar: die deutsche-chinesische Charmeoffensive sorgt für gewaltigen Ärger. Nicht nur Europas Solarkonzerne fühlen sich im Stich gelassen. Auch Brüssel verärgert der plötzliche Gegenwind. Die Kommission wirft Peking vor, die europäische Staatengemeinschaft spalten zu wollen. Und selbst innerhalb der Bundesregierung droht neuer Streit.

Die ums Überleben ringende Solarindustrie Europas reagiert entsetzt auf das deutsche Nein. 60 Insolvenzen und Werksschließungen seien offenbar noch nicht genug, sagt der Präsident des europäischen Branchenverbandes Pro-Sun, Milan Nitzschke der Süddeutschen Zeitung. Ohne Eingriffe drohten neue Pleiten. "Kein Hersteller kann mit Preisen unterhalb der Kosten konkurrieren." China verletze systematisch Welthandelsregeln. "Es ist ein einmaliger Vorgang, dass sogar führende Bundespolitiker dazu aufrufen, einfach mal über den Rechtsrahmen hinwegzusehen."

Auslöser des Zwists: Die EU-Kommission will am 6. Juni einen Strafzoll von durchschnittlich 47 Prozent auf chinesische Solarmodule einführen. Das Ziel: Nach einer beispiellosen Pleitewelle will Brüssel den verbliebenen Firmen der Zukunftstechnologie das Überleben sichern. Die Kommission wittert hinter dem Angriff aus Fernost mit oft unschlagbar günstigen Angeboten ein fragwürdiges System: China überschütte seine Solarindustrie gegen alle Regeln des Welthandels mit Subventionen, so der Vorwurf führender Unternehmen.

China warnt vor den Folgen einer Eskalation

Die Angst vor einer immer aggressiveren Industriepolitik Chinas wächst. Das Land versuche, alle Konkurrenz aus dem Markt zu drängen, warnt etwa Solarworld-Chef Frank Asbeck. Längst sorgen sich auch andere Branchen vor ähnlich harten Attacken. Knicke Europa jetzt im Solarstreit ein, könnte Peking bald auch in Zukunftstechnologien wie der Windkraft oder der Elektromobilität mit ähnlichen Methoden gegen Europa vorgehen, warnt der Vorstand eines deutschen Konzerns.

Doch die Front der Europäer im Streit mit China bröckelt. Aus Sorge vor einem Handelskrieg mit Exportweltmeister China lehnen neben Deutschland inzwischen offenbar 16 andere der 27 EU-Staaten den Kommissionsvorstoß ab. Für sechs Monate kann die Kommission eigenmächtig einen vorläufigen Zoll erlassen. Für einen endgültigen Strafzoll braucht sie bis Ende des Jahres den Segen der EU-Mitglieder. Ein Sprecher von Handelskommissar Karel De Gucht unterstrich am Dienstag, die Kommission werde "ihre Verantwortung wahrnehmen".

Nach einem Treffen mit dem Vizehandelsminister Chinas sagte De Gucht am Montagabend, dass er sich des Drucks bewusst sei, den China auf diverse EU-Mitgliedsstaaten ausübe. Dies erkläre auch, wie sich zahlreiche Regierungen positioniert hätten - gegen vorläufige Strafzölle. Allerdings hätten sie im gegenwärtigen Stadium lediglich eine beratende Rolle wahrzunehmen. Im Klartext: Brüssel setzt ungeachtet der Kritik auf Strafmaßnahmen. Es sei wichtig, dass die Kommission "Unabhängigkeit" zeige, "externem Druck widerstehe und zum Wohl Europas, seiner Firmen und Arbeiter das große Bild im Auge behalte", so De Gucht weiter.

China warnte am Dienstag vor den Folgen einer Eskalation. "Wenn es zu einem Handelskrieg kommt, werden beide Seiten leiden", sagt Chinas Botschafter in Berlin, Shi Mingde, der SZ. "Es geht in diesem Konflikt um ein Handelsvolumen von über 20 Milliarden Euro. In China wären durch die Schutzzölle 400.000 Arbeitsplätze in mehr als 1000 Betrieben bedroht. Es würde zu Entlassungen und Insolvenzen kommen", warnt er. Auch in Deutschland stünden dann Tausende Stellen auf dem Spiel. "90 Prozent der Maschinen, die zur Herstellung von Solarzellen benötigt werden, stammen aus Deutschland."

Alle paar Monate versucht die Kommission europäische Hersteller zu schützen

China fordert Aufschub von der EU: "Wir erwarten, dass die Kommission den Beginn der vorläufigen Maßnahmen verschiebt und uns mehr Zeit zum Verhandeln lässt." In der Bundesregierung dürfte der Vorstoß Röslers für neue Diskussionen mit Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) sorgen. Er gilt als Befürworter von Strafzöllen. Führende Europaparlamentarier der CDU forderten am Dienstag ein hartes Vorgehen. Daniel Caspary, Außenhandelssprecher der CDU im Europaparlament, sagte, die Kommission sehe die Dumpingpraktiken offenbar als erwiesen. "Ich wünsche mir, dass die Kommission entsprechend handelt. Wir müssen alles dransetzen, dass die Marktverzerrung durch die Chinesen beseitigt und eine mögliche chinesische Monopolstellung verhindert wird." Möglichst durch Verhandlungen nach der Verhängung vorläufiger Strafzölle. Im Übrigen sei Europa "nicht allein". Die USA hätten Antidumpingzölle verhängt, dies biete die Möglichkeit zu trilateralen Verhandlungen.

Spannungen mit China gab es in den vergangenen Jahren immer wieder. Doch noch nie ging es um so viel. 2007 waren es die Energiesparlampen. Von 2006 bis 2011 belegte die EU-Kommission Lederschuhe aus China mit einem Schutzzoll von 16,5 Prozent, 2008 folgten Luftkompressoren, dann Stahl. Alle paar Monate versucht die Kommission, europäische Hersteller vor Billigprodukten aus China zu schützen. Bislang ging es jedoch nur um Importvolumina im einstelligen Milliardenbereich.

Im ungünstigsten Fall sind die Drohgebärden erst der Anfang. Es könnte ein langjähriger Handelsstreit drohen, wie ihn sich die Vereinigten Staaten und China seit Jahren liefern. 2005 verhinderte die amerikanische Regierung, dass chinesische Investoren den Ölkonzern Unocal kaufen. Seitdem erschweren sich beide Nationen den Handel. Peking etwa hat Ausfuhreinschränkungen für Seltene Erden erlassen, obwohl 95 Prozent der weltweiten Produktion in China gefördert werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: