Süddeutsche Zeitung

Handelsstreit mit China:Darf's ein bisschen mehr sein?

US-Präsident Trump stößt in neue Dimensionen vor. Er droht, Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar mit Zöllen zu belegen - das ist womöglich nur der Anfang.

Von Christoph Giesen und Jan Schmidbauer, Peking/München

Für China sollte diese Woche ähnlich beginnen, wie die vergangene Woche aufgehört hatte: mit schlechten Neuigkeiten aus Washington. Am späten Montagabend (Ortszeit) drohte US-Präsident Trump dem Land mit neuen Strafzöllen - und stieß dabei in völlig neue Dimensionen vor. Eskaliert nun der Konflikt? Was will Trump erreichen? Und wie reagiert China? Fragen und Antworten.

Was hat Trump verkündet?

Der US-Präsident hat seinen Handelsbeauftragten Robert Lighthizer mit neuer Arbeit eingedeckt: Seine Behörde soll eine Liste mit chinesischen Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar erstellen, auf die ein Importzoll von zehn Prozent erhoben werden könnte. Trump droht damit für den Fall, dass China sich wie angekündigt gegen die jüngsten US-Zölle wehrt. Sollte Peking auch die neue Drohung kontern, hält sich Trump Zölle auf zusätzliche Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar offen. Der US-Präsident hatte erst am Freitag Strafabgaben auf chinesische Waren im Wert von 50 Milliarden Dollar verkündet und eine prompte Reaktion erhalten. China kündigte Gegenmaßnahmen in gleicher Höhe an. Die USA erheben bislang Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus China sowie auf Waschmaschinen und Solarpaneele. Peking erhebt Zölle auf US-Wein, Fleisch und Früchte. Hier geht es jeweils aber nur um rund drei Milliarden Dollar.

Warum geht Trump gegen China vor?

Der US-Präsident wirft der Volksrepublik "unfaire" Praktiken vor, darunter den Diebstahl geistigen Eigentums. Auch das Handelsdefizit seines Landes mit China von zuletzt 375 Milliarden Dollar ist dem Präsidenten ein Ärgernis. "Das ist nicht hinnehmbar", schrieb er am Montag. Dass die neuen Zölle US-Unternehmen helfen werden, bezweifeln viele Ökonomen allerdings. "Für große Teile der US-Wirtschaft ist es ein Geschäftsmodell, in China billig einzukaufen", sagt Gabriel Felbermayr, Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft beim Ifo-Institut. Betroffene Unternehmen würden versuchen, sich gegen Zölle zu wehren. Auch hier entstünde ein "echter ökonomischer Schaden", weil Firmen "ihre Energie in unnütze Dinge" steckten.

Wie ist die neue Drohung einzuschätzen?

Der Handelszwist eskaliert. Mit immer neuen Drohungen schaukeln sich beide Seiten hoch; keiner will als Verlierer dastehen; keiner gibt nach. Ökonomen befürchten, dass der Streit die Weltkonjunktur schwächen könnte: "Die Ansteckungsgefahren sind erheblich", allein weil die weltweiten Handelsströme so vernetzt seien, sagt Ökonom Felbermayr. So könnten auch deutsche Firmen, die in den USA ansässig sind und von dort chinesische Ware importieren, von den Zöllen getroffen werden.

Wann könnten die US-Zölle jeweils in Kraft treten? Die am Freitag beschlossenen Zölle, die Waren in Höhe von 50 Milliarden Dollar belegen sollen, landeten Anfang April zur Prüfung beim Handelsbeauftragten und könnten am 6. Juli, also rund 90 Tage später, wirksam werden. Für die nun angedrohten Zölle dürfte der Ablauf ähnlich sein. Erst muss eine Liste ausgearbeitet werden, dann eine Einspruchsfrist berücksichtigt werden. Voraussetzung ist außerdem, dass China tatsächlich Gegenzölle erhebt. Peking hat das allerdings bereits angekündigt und eine entsprechende Liste der künftig mit Zöllen belegten amerikanischen Produkte veröffentlicht.

Welche Waren wären betroffen?

Bei den 50 Milliarden Dollar stehen die Produkte auf beiden Seiten fest. Die Vereinigten Staaten haben 1102 Waren aufgenommen, auf der chinesischen Liste sind es 659. Den größten Teil machen Autos und Sojabohnen aus. Welche Waren unter die 200-Milliarden-Ankündigung fallen, steht indes noch nicht fest. Eine Ausnahme dürfte es jedoch geben: Trump soll Apple-Chef Tim Cook zugesichert haben, dass die US-Regierung keine Zölle auf die in China gefertigten iPhones erheben wird, berichtet die New York Times.

Wie reagiert China auf die neue Drohung?

Die Regierung in Peking spricht von "Erpressung" . Die chinesische Führung sei zu "starken Gegenmaßnahmen" bereit, um die Interessen des chinesischen Volkes und der Unternehmen gegen die "extremen Druckmittel" zu verteidigen, warnte das Handelsministerium am Dienstag, ohne weitere Details zu nennen. Pekings Problem: Sollten die amerikanischen Zölle tatsächlich bald Waren im Wert von mehr als 250 Milliarden Dollar betreffen, ist eine Reaktion in gleichem Umfang nicht mehr so einfach möglich. Denn: Im vergangenen Jahr importierte die Volksrepublik nur Produkte im Wert von rund 130 Milliarden Dollar aus den Vereinigten Staaten.

Welche Möglichkeiten hat das Land noch?

Wie eine chinesische Reaktion aussehen kann, hat das Parteiblatt Global Times bereits kurz nach Donald Trumps Wahlsieg im Herbst 2016 skizziert: "Eine Charge von Boeing-Aufträgen würde durch Airbus ersetzt, amerikanische Autos und iPhones hätten es schwer in China, die Importe von Sojabohnen und Mais würden gestoppt", schrieb die Zeitung. Soja und Maismehl stehen bereits auf der angedachten chinesischen Zollliste. Und vor den möglichen Sanktionen in China selbst fürchten sich amerikanische Unternehmen seit Monaten.

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SZ vom 20.06.2018
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