Süddeutsche Zeitung

Handelsstreit:Frankreich setzt Trump eine letzte Frist

  • Vor dem Gipfel am nächsten Wochenende setzt Frankreichs Finanzminister die USA unter Druck: Trump müsse jetzt deeskalieren - sonst drohe ein Handelskrieg.
  • Doch Trump macht wenig Hoffnung: "Die USA sind seit Jahren von anderen Staaten abgezockt worden", twittert er.
  • Seit Trump im Weißen Haus regiert, haben sich die G7 gespalten - in 6 plus 1. Vor allem die Europäer rücken zusammen.

Von Cerstin Gammelin, Whistler

Die Europäer haben US-Präsident Donald Trump eine Frist gesetzt, um im Streit um die einseitig verhängten Strafzölle auf Stahl und Aluminium eine weitere Eskalation zu verhindern. "Wir sind noch nicht im Handelskrieg, aber kurz davor", sagte Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire der Süddeutschen Zeitung und weiteren Tageszeitungen am Samstag im kanadischen Whistler. Ob es zu einem Handelskrieg zwischen Europäern und den USA komme, hänge jetzt vom großen Gipfeltreffen der G-7-Staaten am kommenden Wochenende ab.

"Trump kann dort den ersten Schritt tun und uns ein positives Signal senden", so Le Maire. Diese Botschaft habe man US-Finanzminister Steven Mnuchin nach Washington mitgegeben. "Die USA müssen den ersten Schritt tun", fügte Le Maire hinzu. "Wenn sie das nicht tun, müssen wir unsere Gegenzölle in Kraft setzen", dann sei der Handelskrieg da.

Die Finanzminister und Notenbankchefs der G-7-Staaten hatten sich am vergangenen Wochenende im Wintersportort Whistler getroffen und das Treffen der Staats- und Regierungschefs vorbereitet. Die G-7-Gruppe, der neben Deutschland auch Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, Japan und die USA angehören, galt bisher als Kern der westlichen Welt, ihre Treffen als Familientreffen, man war unter Gleichgesinnten.

"Ehrlich gesagt, Mnuchin hat mir leidgetan"

Seit Trump im Weißen Haus regiert, hat sich die Gruppe gespalten - in 6 plus 1. Die USA haben sich mit ihrer "America First"-Politik weitgehend isoliert. Diese Isolation erreichte in Whistler einen vorläufigen Höhepunkt, da beim Eintreffen am Tagungsort bekannt wurde, dass Trump gegen seine bisherigen Verbündeten einseitige Strafzölle auf Einfuhren von Stahl und Aluminium verhängt hatte und dies damit begründete, dass ansonsten Amerikas Sicherheitsinteressen gefährdet seien. Damit düpierte er den kanadischen Gastgeber sowie seine europäischen Partner.

US-Finanzchef Mnuchin hatte in Whistler Mühe, den Beschluss zu begründen. Er musste sich so viele Vorwürfe anhören, dass er am Ende bemitleidet wurde. "Ehrlich gesagt, er hat mir leidgetan", sagte Taro Aso.

Der Handelsstreit ist die dritte große Baustelle, die Trump gegen die Alliierten eröffnet hat. Zuvor hatte er einseitig das Atomabkommen mit Iran gekündigt, an dem die Europäer sowie alle anderen Partner festhalten wollen, um den Friedensprozess im Nahen Osten nicht zu gefährden. Mit der Aufkündigung hat Trump alte Sanktionen wieder in Kraft gesetzt, die auch europäische Unternehmen schädigen. Zudem ist Trump aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen. Die kanadischen G-7-Gastgeber für das Gipfeltreffen kommendes Wochenende fürchten, dass der Streit über das Klima eskalieren und die USA weiter isolieren könnte.

Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass Trump einlenken will. "Wenn man fast 800 Milliarden Dollar jährlich im Handel verliert, kann man keinen Handelskrieg verlieren. Die USA sind seit Jahren von anderen Staaten abgezockt worden, es ist Zeit, das zu ändern", teilte der US-Präsident nach dem Ende des G-7-Treffens über das soziale Netzwerk Twitter mit. Die Nachricht erreichte die gerade abreisenden Delegationen am Flughafen in Vancouver. Damit besteht so gut wie keine Hoffnung, dass das Ultimatum der Europäer die gewünschte Wirkung haben wird.

Die Europäische Union und Kanada kündigten vorsorglich an, vor der Welthandelsorganisation (WTO) gegen die USA zu klagen. Japan behält sich das noch vor.

Die Trump'schen Attacken verhelfen den Europäern zu neuer Einigkeit. Die Finanzminister aus Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien verurteilten die einseitig verhängten Strafzölle mit nahezu gleichen Worten. Dass London aus der EU austreten will, war in Whistler vollständig vergessen. Mit Blick auf die anstehenden Reformen in Europa sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), er sei "fest davon überzeugt, dass die jetzige Situation dazu beiträgt, dass man schneller vorangehen kann in Europa".

Scholz sagte, man habe in Whistler "den Dissens festgehalten". Das gelte insbesondere für das Atomabkommen mit Iran und die Strafzölle, die Scholz als "falsch" und "regelwidrig" bezeichnete. Er kündigte eine "kluge und starke Reaktion" der EU an. Der britische Schatzkanzler Philip Hammond sagte, alle seien natürlich "sehr verärgert" als enge Partner und Verbündete der USA.

Der Verbündete Frankreich ist besonders verärgert

Le Maire zeigte sich dem Vernehmen nach besonders verärgert. Frankreich habe mit den USA Luftangriffe in Syrien geflogen und zugesagt, die Verteidigungsausgaben auf die von Trump eingeforderten zwei Prozent des Bruttosozialprodukts zu erhöhen. Es sei unverständlich, dass Trump die nationale Sicherheit durch die Partner bedroht sehe. Le Maire warf den USA vor, sie würden die europäischen Verbündeten gegen China ausspielen. "Ich habe manchmal den Eindruck, dass es für die USA wichtiger ist, sich mit China zu einigen, aber darüber vergessen, dass ihre engsten Verbündeten die Europäer sind und nicht China", sagte er.

In Whistler wurde auch die Sorge laut, dass ein eskalierender Handelskonflikt die wirtschaftliche Entwicklung und Jobs in Europa gefährden könnte. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sagte, er halte die direkten Auswirkungen der Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte auf die Europäische Union für begrenzt. Allerdings könnte eine weitere Eskalation für mehr Unsicherheit sorgen. Er forderte die Europäer auf, innerhalb der WTO-Regeln zu reagieren. Auch Le Maire und Scholz warnten, die Strafzölle könnten das Wachstum bremsen.

Am Sonntag schaltete sich Peking in den Streit ein. China warnte die USA, zusätzliche Zölle einzuführen. Andernfalls seien getroffene Handelsvereinbarungen nichtig, hieß es in einer über die Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichten Mitteilung. Zuvor hatten US-Handelsminister Wilbur Ross und Chinas Vizeministerpräsident Liu He miteinander gesprochen.

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SZ vom 04.06.2018/bbr
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