Süddeutsche Zeitung

Handelsstreit:China sollte auf Trumps freche Forderungen eingehen

Der US-Präsident provoziert wieder einmal maßlos, aber Xi Jinping sollte den Ärger herunterschlucken. Nicht etwa, um einen Handelskrieg zu vermeiden oder gar vor Trump zu kuschen - sondern in ureigenem Interesse.

Kommentar von Claus Hulverscheidt, New York

Es ist eine Liste der Zumutungen und der Frechheiten, die Donald Trump seinem "Freund" Xi Jinping da auf den Tisch geknallt hat. Um einen Handelskrieg zu vermeiden, soll China unter anderem seine Märkte vollständig für US-Firmen öffnen, den bilateralen Exportüberschuss halbieren, Importbarrieren abbauen, die Subventionierung von Zukunftstechnologien stoppen und geistiges Eigentum besser schützen. Die Kurskorrektur, die der US-Präsident da einfordert, ist so umfassend, als verlangte Xi von Trump, eine staatliche Krankenkasse einzurichten und die Grenze nach Mexiko zu öffnen.

Schon der rotzige Ton der Amerikaner wäre Grund genug, das Schreiben einfach in den Mülleimer zu werfen und es auf einen Handelskrieg ankommen zu lassen. Und doch sollten die Chinesen ihren Ärger herunterschlucken und auf das Gros der Forderungen eingehen. Gar nicht in erster Linie, um einen Handelskrieg zu vermeiden oder gar vor dem Schulhofschläger zu kuschen, sondern um ihrer selbst willen: Mittel- und langfristig nämlich könnten die Reformen China spürbar stärken.

Der Abbau von Einfuhrzöllen etwa würde Auslandswaren für Chinas Bürger verbilligen, das Angebot vergrößern und für eine bessere Balance in der Handelsbilanz sorgen. Eine solche stärkere Fokussierung auf Konsum und Import wäre schon deshalb sinnvoll, weil ein hoher Handelsüberschuss immer mit einem massiven Sparüberschuss einhergeht. Ein großer Teil der Exporterlöse wandert auf der Suche nach validen Geldanlagen wieder ins Ausland. Das ist für eine alternde Gesellschaft zwar prinzipiell kein Fehler. Der Kapitalexport sollte aber nicht überhandnehmen, denn Geld, das außerhalb des Landes angelegt wird, kann sich manchmal über Nacht in Luft auflösen. Das haben die Finanz- und die Staatsschuldenkrise in den USA und Südeuropa eindrücklich gezeigt.

Die Chinesen täten daher gut daran, ihre Billionen-Ersparnisse noch stärker als bisher daheim zu investieren, etwa in die Förderung ländlicher Gebiete. Davon hätten die Bürger etwas, zugleich wäre das Geld besser vor Finanzkrisen geschützt. Das Gleiche - das aber nur am Rande - gilt für Deutschland, wo der Konnex zwischen Exportüberschüssen, hohen Auslandsanlagen und mangelnden Investitionen im Inland ebenfalls gern ignoriert wird.

Auch der Forderung nach einem besseren Schutz geistigen Eigentums sollte Peking nachkommen. Natürlich ist es verführerisch, ausländische Autobauer einfach in Joint Ventures mit heimischen Betrieben zu zwingen und dabei ihr Know-how abzusaugen. Auf die Dauer aber wäre Chinas Firmen mehr gedient, wenn sie die Technik von morgen selbst entwickelten, statt sie zu stehlen und dem Westen damit dauerhaft hinterherzuhinken. Peking käme damit nicht nur den USA und der EU entgegen, sondern auch Klagen bei der Welthandelsorganisation zuvor. Ein Verzicht auf den Joint-Venture-Zwang und die vollständige Öffnung der heimischen Märkte für ausländische Anbieter brächte andere Regierungen zudem um Argumente, ihrerseits Marktzugangsbarrieren für chinesische Firmen aufrechtzuerhalten.

Trump sollte hin und wieder auch Zugeständnisse machen

Auf den Prüfstand gehört schließlich das Projekt "Made in China 2025", mit dem Peking in vermeintlichen Schlüsseltechnologien heimische Weltmarktführer schaffen will. Eine Überarbeitung wäre nicht nur deshalb sinnvoll, weil Amerikaner und Europäer gegen die Staatssubventionen wettern, sondern weil das mit den Weltmarktführern so eine Sache ist: Auch Netscape, AOL und Nokia waren mal Weltmarktführer. Das Geld wäre deshalb sinnvoller angelegt, wenn damit die Rahmenbedingungen für einen vielleicht langsameren, dafür aber breiteren technologischen Aufschwung geschaffen würden.

Um das Säbelrasseln der beiden Großmächte zu beenden, wäre es allerdings zugleich sinnvoll, wenn auch Trump nicht nur Forderungen stellen, sondern seinerseits Zugeständnisse machen würde. Schließlich ist Peking mitnichten allein schuld an dem dramatischen Ungleichgewicht, das den Handel zwischen den führenden Volkswirtschaften der Welt kennzeichnet. Die Kehrseite des chinesischen Sparüberschusses nämlich ist jene hemmungslose Verschuldungspolitik, der Firmen, Verbraucher und Staat in den USA seit Jahrzehnten frönen und die auf lange Sicht Amerikas Wohlstand infrage stellt. Das Eingestehen von Fehlern allerdings gehörte bislang nicht zu den herausragenden Eigenschaften dieses Präsidenten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3980581
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.05.2018/vit
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.