Handelspolitik:Warum Trumps Zölle nicht unbedingt eine schlechte Idee sind

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Nachdem Gordon Sondland am Mittwoch fertig war, verkündete Donald Trump seine Wahrheiten. Die hatten mit der Aussage des Zeugen wenig zu tun. (Foto: REUTERS; Bearbeitung SZ)

Von wegen irre. Donald Trump könnte den Vereinigten Staaten mit seiner Handelspolitik durchaus Vorteile verschaffen. Für Europa bedeutet das: Vorsicht vor leichtfertigen Deals!

Von Nikolaus Piper

Man hat sich angewöhnt, die Handelspolitik von Präsident Donald Trump als "dumm" oder gar "verrückt" zu bezeichnen. Seine Strafzölle wirkten wie eine "schlimme, selbst verschuldete Wunde", schrieb etwa die konservative Heritage Foundation in Washington, normalerweise Sprachrohr des konservativen Flügels von Trumps Republikanern. Handelspolitiker auf der ganzen Welt sehen das ähnlich: Wer Zölle erhebt, schädigt sein Land am meisten.

Aber ist Trumps Handelspolitik wirklich so irrational, wie sie aussieht? Vermutlich nicht. "Die Unterstellung, Trump wisse nicht, was er tue, ist überheblich und falsch", meint Gabriel Felbermayr, Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft im Münchner Ifo-Institut. Simulationsrechnungen zeigten, dass sich die USA durch die einseitige Erhebung von Stahl- und Alu-Zöllen besserstellen und die Handelspartner verlieren werden. Wenn Felbermayr recht hat und Trump mit seinen Zöllen tatsächlich den Wohlstand der Vereinigten Staaten zulasten Europas, Japans und Chinas mehren kann, dann hat dies weitreichende Konsequenzen für die Reaktion, die die geschädigten Länder ergreifen sollten.

Im Idealfall profitieren die USA von Zolleinnahmen und niedrigeren Preisen

Das Problem, um das es dabei geht, ist weit älter als die Regierung Trump; es beschäftigt die Ökonomie seit mehr als 150 Jahren. Im Normalfall schaden Zölle nicht nur dem Land, gegen das sie sich richten, sondern auch und vor allem dem Land, das sie erhebt. Hier wirken die Abgaben wie eine Steuer, die Inländer auf Importe zahlen. Das zieht Kaufkraft ab und macht die heimische Produktion teurer. Ein gutes Beispiel sind die negativen Folgen, die Trumps Stahl-und Alu-Zölle für die amerikanische Autoindustrie haben werden: Rohstoffe werden teurer, die Wettbewerbsfähigkeit der Fabriken von Ford, GM, Chrysler, BMW und Toyota in den USA sinkt.

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Nun hat aber der Zoll auch im Ausland Folgen: Die Stahl- und Aluwerke dort setzen weniger ab; sie werden versuchen, durch Preissenkungen Marktanteile zu sichern. Die niedrigen Preise wiederum kommen den amerikanischen Produzenten zugute. Es ist ein Fall denkbar, in dem der Effekt der niedrigeren Preise zusammen mit den Staatseinnahmen aus dem Zoll selbst so hoch ausfällt, dass die USA von der Maßnahme netto profitieren. Gelingt dies, dann haben die Strategen im Weißen Haus den "Optimalzoll" gefunden.

Die Theorie des Optimalzolls geht zurück auf Robert Torrens (1780 - 1864), einen britischen Ökonomen, Offizier, Verleger und Politiker. Torrens wies als erster darauf hin, dass sich mit Zöllen die Preisverhältnisse im gegenseitigen Handel ("Terms of Trade") zulasten des Auslands verändern lassen, dass sich also Protektionismus lohnt. Seine Essays hatten eine lang anhaltende Wirkung: Sie beendeten den Optimismus in Sachen Freihandel, wie ihn noch die Klassiker Adam Smith und David Ricardo gepredigt hatten und pflanzten den Gedanken in die Köpfe, dass Handel "reziprok" zu sein habe. Der Ökonom John Stuart Mill nahm den Gedanken 1869 in seine "Grundsätze der politischen Ökonomie" auf. Den Optimalzoll erläuterte er am Beispiel des Imports von deutschem Leinen für die englische Tuchindustrie.

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Das Problem mit dem Optimalzoll (oder die Hoffnung aus der Perspektive von Freihändlern) liegt darin, dass es gar nicht so einfach ist, dessen "richtigen" Wert zu bemessen. Fällt er zum Beispiel zu hoch aus und die ausländische Stahlindustrie wird zerstört, dann gibt es keine Preissenkungen. Blickt man auf die Zölle aus der Perspektive der Spieltheorie, kommt ein weiteres Problem dazu: Die Handelspartner haben als Opfer des Protektionismus einen starken Anreiz, nicht mehr mitzuspielen und wollen sich stattdessen oft eher auf einen Handelskrieg einlassen, selbst wenn sie unter ihm zu leiden haben. Der Anreiz ist umso größer, je höher die Strafzölle sind.

In diesem Spiel kommt es auf Stärke an. Konkret: Je kleiner ein Land ist, desto weniger Chancen hat es in einem Handelskrieg, desto eher muss es sich einer aggressiven Zollpolitik beugen. Und hier liegt einer der Schlüssel zum Verständnis von Trumps Handelspolitik: Im Verhältnis zu anderen Staaten sind die USA - fast - immer übermächtig groß. Deshalb erklärt Trump seit seinem Amtsantritt konsequent, dass er bilaterale Handelsabkommen (und keine multilateralen) anstrebt. Deshalb stieg er aus dem geplanten Handelsabkommen der Pazifik-Anrainer (TPP) aus, deshalb verhandelte er das transatlantische Abkommen TTIP nicht weiter.

Es geht auch um die Zukunft der Welthandelsorganisation

Deshalb, so fürchten Ökonomen wie Felbermayr, werden die Vereinigten Staaten nach und nach die Welthandelsorganisation sterben lassen. Die WTO mit Sitz in Genf, gegründet 1994 in Marrakesch, überwacht die Regeln für den freien Welthandel und ist damit einer der stärksten Garanten dafür, dass sich auch die USA als stärkste Volkswirtschaft der Erde an diese Regeln halten, oder, anders ausgedrückt, dass sich niemand an das Experiment eines Optimalzolls wagt. Dazu dienen Schiedsgerichte, an die sich jedes der 164 Mitglieder wenden kann, wenn es sich von einem anderen benachteiligt fühlt. Heute sabotiert die amerikanische Regierung diese Schiedsgerichte, indem sie keine neuen Richter mehr nominiert. Der Zeitpunkt ist nicht mehr fern, an dem diese Gerichte deshalb nicht mehr arbeitsfähig sein werden.

Im Gegensatz zu anderen Mitgliedern ist die EU groß genug, um ihre Interessen zu wahren. Voraussetzung ist aber, dass sie die langfristige Perspektive wahrt und sich nicht auf kurzfristige Deals einlässt, nur um erst einmal den Schaden der Strafzölle abzuwenden. Die EU hat im Welthandel Macht, aber sie muss bereit sein, diese Macht auch zu nutzen.

Ein bemerkenswerter Ökonom im Zusammenhang mit Trumps Zöllen ist Paul Krugman. Der heutige Kolumnist der New York Times bekam 2008 den Nobelpreis für seine "Neue Handelstheorie", mit der er zeigte, dass strategische Handelspolitik funktionieren kann, dass man also mit Subventionen und Zöllen die Handelsergebnisse im eigenen Sinn und zulasten des Auslands beeinflussen kann. Trotzdem gehört er heute zu den leidenschaftlichsten Kämpfern gegen Trumps Politik. Einem Leser der Times schrieb er vorige Woche: Ja, ohne Billigimporte wären einige Löhne in den USA möglicherweise etwas höher, aber das dazu nötige Maß an Protektionismus wäre "hässlich" gewesen. Das Ziel der Europäer muss es sein, immer wieder daran zu erinnern, wie hässlich Protektionismus ist.

© SZ vom 27.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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