Süddeutsche Zeitung

Handelspolitik:Tausche Rindfleisch gegen Autos

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Von Silvia Liebrich, München

Rindfleischimporte aus den USA sind seit Jahren Anlass für politische Verstimmungen diesseits und jenseits des Atlantiks. Zuletzt waren sie im gescheiterten Handelsabkommen TTIP zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten heftig umstritten. Im Kern geht es dabei um die Art der Aufzucht. In den USA werden in der Viehhaltung häufig Wachstumshormone eingesetzt. Auf diese Weise erzeugtes Fleisch darf jedoch nicht nach Europa eingeführt werden, weil gesundheitliche Risiken für Verbraucher bestehen könnten. US-Erzeuger und -Regierung dagegen sehen in den Einfuhrbeschränkungen Europas vor allem eines: ein unzulässiges Handelshemmnis.

Doch nun kommt in den Dauerkonflikt Bewegung. US-Präsident Donald Trump und Vertreter der EU gaben am Freitag in Washington eine Vereinbarung über Exporte von US-Rindfleisch nach Europa bekannt. "Insgesamt werden die zollfreien Exporte von 150 Millionen Dollar auf 420 Millionen Dollar steigen, ein Anstieg von 180 Prozent", sagte Trump. Der EU-Botschafter in den USA, Stavros Lambrinidis, sagte, die Vereinbarung zeige, dass "wir als Partner Probleme lösen können". Bereits im Juni hatte es in EU-Kreisen geheißen, beide Seiten hätten sich darauf verständigt, dass die USA von der EU eine garantierte Exportquote von 45 000 Tonnen hormonfreiem Rindfleisch bekomme. Die EU-Kommission hatte erklärt, dass die Gesamtimportmenge von Rindfleisch in die Union nicht steigen werde. Das EU-Parlament muss dem Abkommen zustimmen.

Der Streit um die Rindfleischimporte reicht bis ins Jahr 1988 zurück. Damals hatte die EU den Import von Hormonfleisch verboten. Die USA verhängten daraufhin Zölle auf EU-Agrarprodukte. Schließlich wurde die Welthandelsorganisation (WTO) angerufen. 2009 hatten sich beide Seiten auf eine Absichtserklärung verständigt, in der die EU eine zollfreie Importquote von 45 000 Tonnen hormonfreiem Rindfleisch pro Jahr zugesichert hat. Ein Beschluss, der nun nach zehn Jahren umgesetzt werden soll. "Mit der WTO-konformen Vereinbarung werden unsere hohen Anforderungen an Ökologie und Lebensmittelsicherheit genauso wie unsere wirtschaftlichen Interessen gewahrt, Zölle auf EU-Exporte werden verhindert", erklärte der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit, Peter Beyer.

US-Präsident Trump macht einen Witz, den man auch als Drohung verstehen kann

Tatsächlich geht es bei dem Beschluss um mehr als nur Rindfleischimporte. Die USA und die EU streben ein umfassendes Handelsabkommen an. Die US-Seite will dabei auch landwirtschaftliche Produkte einbeziehen, was vor allem Frankreich ablehnt. Die neue Vereinbarung zum Rindfleisch könnte die Spannungen lindern: "Es ist noch nicht der große Deal", schrieb Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auf Twitter. Aber es sei ein wichtiger pragmatischer Schritt weg vom Handelskrieg. Trump hat den Europäern mit Strafzöllen auf Autos und Autoteile gedroht, was vor allem die deutsche Wirtschaft empfindlich treffen würde.

Einen Seitenhieb konnte sich Trump bei der Unterzeichnung des Abkommens im Weißen Haus nicht verkneifen. Dort sagte er, man arbeite "an Zöllen von 25 Prozent auf alle Mercedes-Benz und BMW, die in unser Land kommen". Dann machte er eine kurze Pause und fügte an, dies sei lediglich ein Witz. Den Scherz kann man jedoch auch als Drohung verstehen. Kurz darauf teilte er mit, dass Zölle auf Autoimporte aus Europa weiter denkbar seien. Möglicherweise werde er sie verhängen, wenn er nicht bekomme, was er wolle.

Die großen deutschen Autohersteller dürften darüber nicht besonders amüsiert sein. Die USA sind ein wichtiger Markt. Schon seit dem Amtsantritt von Trump vor mehr als zwei Jahren wird über mögliche Strafzölle für deutsche Autos und Autoteile diskutiert. Diese würde die deutsche Industrie möglicherweise sehr treffen.

Kritik am Fleischdeal kam am Wochenende vom Deutschen Bauernverband (DBV). "Ob Mercosur oder das Abkommen mit den USA - die EU macht zunehmend Zugeständnisse zu Lasten der europäischen Landwirte", sagte dessen Präsident Joachim Rukwied. "Das sehen wir mit großer Sorge. Den europäischen Markt für den transatlantischen Import von landwirtschaftlichen Gütern zu öffnen, ist auch vor dem Hintergrund der Klimadiskussion nicht zu rechtfertigen." Lob kam vom Maschinenbauverband VDMA: "Mit dem Abschluss dieses Abkommens hat die EU erneut ihren guten Willen gezeigt, auch langjährige Handelsstreitigkeiten wie die über Rindfleischeinfuhren zu beenden", heißt es dort. Die wirtschaftliche Annäherung müsse aber noch weiter gehen. So fordert der Verband "ein schlankes Freihandelsabkommen der EU mit den USA, das alle Industriezölle abbaut".

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SZ vom 05.08.2019
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