Es gibt eine alte Börsenweisheit, die geht so: "Kaufe, wenn die Kanonen donnern!" Will sagen: Ist ein schlimmes Ereignis, vor dem sich alle gefürchtet haben, zum Beispiel ein Krieg, erst einmal eingetreten, dann kann es nur noch besser werden, dann kann man als Anleger auf die Hoffnung spekulieren. An diesem Freitagvormittag scheinen sich etliche Spekulanten und die Algorithmen, die ihr Handeln leiten, an diese Regel gehalten zu haben.
Schon seit Wochen geht in der Weltwirtschaft die Angst vor einer Eskalation des chinesisch-amerikanischen Handelskrieges um. In den vergangenen Tagen sorgte diese Angst für massive Einbrüche von Dow Jones, Dax und anderen Börsenindizes. Jetzt ist die Eskalation da. Präsident Donald Trump hat die Zölle auf chinesische Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar von zehn auf 25 Prozent erhöht. Die Strafmaßnahme ist um Mitternacht in Kraft getreten. Und was passiert? Die Börsenkurse in London und Frankfurt steigen - bis zum Mittag um immerhin ein Prozent.
US-Strafzölle:Das ist der Beginn eines offenen Handelskrieges
Donald Trump erhöht die Strafzölle auf chinesische Produkte noch während der Verhandlungen - ein Affront. Und die nächste Eskalation ist nicht mehr fern.
Das Verhalten der Finanzmärkte ist relativ leicht zu erklären: Die Spekulanten setzen darauf, dass die Eskalation nur der erste Schritt zu einer Einigung zwischen Peking und Washington ist. Dafür, dass es tatsächlich so kommen könnte, gibt es zwei Hinweise. Erstens ist die chinesische Handelsdelegation noch nicht aus der amerikanischen Hauptstadt abgereist, die Gespräche gehen weiter. Zweitens hat Trump bei der Umsetzung der Zölle eine weiche Variante gewählt. Die Abgaben gelten nicht sofort für alle Waren, sondern nur für neu bestellte. Was bereits auf dem Pazifik unterwegs in die Vereinigten Staaten ist, bleibt also ausgenommen. Das schafft ein gewisses Zeitfenster, das in den Verhandlungen genutzt werden kann.
Der Ablauf der Ereignisse zeigt, dass sich ein Handelskrieg, vielmehr die Drohung mit so einem Krieg, durchaus lohnen kann. Wenn einer einen rücksichtslosen Verhandlungsstil pflegt - Trump nennt dies: "The Art of the Deal" - und wenn er ein großes Land repräsentiert, dann kann er andere Handelspartner zu Zugeständnissen zwingen. Hilfreich ist überdies, wenn das betreffende Land, wie die USA, ein großes Defizit in der Leistungsbilanz hat. In Amerika gibt es einfach mehr chinesische Importe, die man mit Zöllen belegen kann als umgekehrt amerikanische Importe in China. Das ist Mathematik, nicht Ökonomie.
Einen besonders hohen Preis zahlen die US-Verbraucher
Aber dieser Erfolg ist kurzfristig. Langfristig stimmen all die einhelligen Warnungen von Ökonomen jedweder Couleur vor den verheerenden Folgen der protektionistischen Politik in Washington. Das gilt, wenn der Handelskrieg tatsächlich eskaliert, es gilt aber auch dann, wenn China und Amerika sich auf ein neues System mit höheren Zöllen und/oder Handelsbeschränkungen einigen sollten. Der Internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose für dieses Jahr herabgesetzt, internationale Lieferketten in der globalisierten Weltwirtschaft werden unterbrochen. Das dürfte Kollateralschäden auch in deutschen Unternehmen verursachen.
Einen besonders hohen Preis aber zahlen die amerikanischen Verbraucher. Sie sind es ja, die die neuen Zölle auf ausländische Waren zahlen müssen. Man kann nur hoffen, dass sie bei den kommenden Wahlen daran denken, wem sie diese Kosten zu verdanken haben.