Handelskonzerne: Versandhandel:Media Saturn schnappt sich Redcoon

Viel zu spät hat Media Saturn das Internet entdeckt. Jetzt aber steigt das Unternehmen nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" groß ein und kauft Redcoon - Europas viertgrößten Elektroverkäufer im Netz.

Stefan Weber

Media Saturn und das Internet - das ist eine Geschichte voller Irrtümer, Fehlschläge und Streitereien über den richtigen Weg. Lange Zeit war der größte europäische Elektrohändler der Meinung: Gekauft wird in den Märkten. Und unterschätzte dabei, welchen Umsatz Online-Shops den eigenen Läden wegschnappten.

Berlin - Media Markt im Alexa

Media Markt in Berlin: Lange Zeit war der größte europäische Elektrohändler der Meinung, dass die Kunden in den Märkten kaufen. Spätestens im vergangenen Weihnachtsgeschäft aber war das nicht mehr zu ignorieren.

(Foto: picture-alliance/ ZB)

Spätestens im vergangenen Weihnachtsgeschäft aber war das nicht mehr zu ignorieren. Während reine Internet-Händler kräftige zweistellige Umsatzzuwächse verbuchten, herrschte in vielen Märkten von Media Markt und Saturn Tristesse. Die jüngsten Marktzahlen versetzen selbst die letzten Gegner eines Online-Verkaufs in Alarmstimmung. Denn mit mehr als acht Milliarden Euro jährlich setzen die Internet-Verkäufer von Unterhaltungselektronik und Computertechnik inzwischen fast ähnlich viel um wie alle Märkte von Media Markt und Saturn zusammen.

Jetzt will das Unternehmen, an dem der Metro-Konzern mit gut 75 Prozent beteiligt ist und die Gründer Erich Kellerhals und Leopold Stiefel die übrigen Anteile halten, nicht länger Zuschauer sein und drängt mit Macht in den Verkauf via Internet. Der Aufbau des Online-Geschäfts sei das Strategieprojekt Nummer eins, heißt es in der Ingolstädter Zentrale.

Im Sommer wird zunächst Saturn einen Webshop eröffnen; im Frühjahr nächsten Jahres geht dann die Schwester Media Saturn im Netz an den Start. Dahinter steht ein sogenanntes Multikanal-Konzept, was bedeutet, dass die Kunden die Wahl haben zwischen Läden und Internet: Sie können beispielsweise einen online gekauften Computer in einem Markt ihrer Wahl umtauschen oder reparieren lassen. Sie können das Gerät bei Problemen aber auch einschicken.

Webshops von Saturn und Media Markt werden aber nicht die einzigen Vertriebskanäle sein, mit denen der Elektrohändler im Online-Geschäft mitmischen will. Zusätzlich soll ein eigenständiger, reiner Internet-Händler die Umsätze befördern. Weil der Aufbau eines solchen Unternehmens viel Zeit gekostet hätte, hat sich Media Saturn zu einer Firmenübernahme entschlossen.

Spekulationen beendet, Kauf perfekt

Am Mittwoch wurde der Kauf von Redcoon, dem hinter Amazon, Ebay und der Otto-Gruppe derzeit europaweit viertgrößten Elektroverkäufer im Netz perfekt gemacht. "Wir wollen in Europa die Nummer eins im Online-Geschäft werden und dazu wird Redcoon einen wichtigen Beitrag leisten", sagte Rolf Hagemann, Finanzchef und stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung von Media Saturn, der Süddeutschen Zeitung.

Nach seiner Rechnung müsste die Ingolstädter Gruppe im Internet-Verkauf bis zu drei Milliarden Euro umsetzen, um Amazon als Marktführer abzulösen. "Das ist in vier, fünf Jahren zu schaffen", meint er. Redcoon mit Sitz in Aschaffenburg ist seit seiner Gründung 2003 rasant gewachsen. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das in zehn Ländern aktive Unternehmen einen Umsatz von 354 Millionen Euro.

In jedem Monat empfängt der Online-Laden etwa fünf Millionen Besucher; pro Tag wächst die Kundenkartei um 2000 Namen. Bei der Frage nach der Ertragskraft setzt Hagemann ein vielsagendes Schmunzeln auf und antwortet nur: "Redcoon ist profitabel." Auch zum Kaufpreis macht er keine Angaben. Aber es ist zu vermuten, dass Redcoon-Gründer und -Eigentümer Reiner Heckel eine ordentliche Summe ausgehandelt hat.

Starker Wettbewerb zwischen den Marken erwartet

Schließlich gab es mehrere Kaufinteressenten und Media Saturn stand als Nachzügler im Online-Geschäft unter starkem Druck, endlich etwas Nennenswertes vorzuweisen. Heckel, ein ehemaliger Media-Saturn-Manager, bleibt mit zehn Prozent an Redcoon beteiligt und wird auch weiterhin an der Spitze der Geschäftsführung stehen.

Hagemann zufolge wird Redcoon als reiner Internethändler, sogenannter Pureplayer, selbständig neben den Onlineportalen von Saturn und Media Markt agieren. "Da wird starker Wettbewerb herrschen. Redcoon ist extrem preisaggressiv." Wer bei Redcoon bestellt, kann allerdings nicht auf den Service der Märkte von Saturn und Media Markt zurückgreifen; er muss alles online abwickeln. Angst, dass sich die drei Marken kannibalisieren, hat Hagemann nicht:

15 Prozent Wachstum pro Jahr

"Sie sprechen weitgehend unterschiedliche Kundengruppen an." Nach seiner Einschätzung wird es in den nächsten Jahren immer mehr Verbraucher geben, die beim Kauf von Elektroartikeln alles über das Internet abwickeln wollen. Aus diesem Grund schließt er nicht aus, dass Media Saturn weitere reine Online-Händler übernehmen wird - etwa beim Eintritt in einen neuen Auslandsmarkt oder um neue Konzepte bei Sortimenten oder der Kundenansprache umzusetzen.

Für Redcoon und die Webshops von Saturn und Media Markt prognostiziert er ein Wachstum von etwa 15 Prozent pro Jahr. "Damit kommen wir schneller voran als der Markt." Zur Höhe des Etats, den die Gruppe für den Aufbau seiner Online-Aktivitäten in den nächsten Jahren bereitstellt, hüllt sich der Manager in Schweigen. Nur so viel: "Über hundert Millionen Euro werden es schon sein." Zu Lasten der Expansion im stationären Geschäft soll das nicht gehen. Dort, so betont Hagemann, werde das Tempo unverändert hoch gehalten.

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