Mehr Aus- als Einfuhren:EU rügt deutsche Exportlastigkeit

File photo of containers at a terminal in the harbour of Hamburg

Deutschland exportiert und exportiert: Container am Hamburger Hafen

(Foto: REUTERS)

Jetzt ist es offiziell, geprüft von der EU: Deutschland gefährdet das Gleichgewicht in der Euro-Zone. Dass die Deutschen viel mehr aus- als einführen, sei zwar toll für das Land, aber nicht für den Rest Europas. Sanktionen drohen trotzdem nicht.

Die Deutschen müssen mehr kaufen und sich nicht nur auf das Ausland verlassen, findet die EU-Kommission. Sie rügt die enormen deutschen Exportüberschüsse und fordert die Bundesregierung auf, im Interesse der gesamten Euro-Zone gegenzusteuern. Dass Deutschland so viel mehr exportiere als importiere, "spiegelt eine hohe Wettbewerbsfähigkeit wider, ist aber auch ein Zeichen für ein anhaltend gedämpftes Binnenwachstum und dafür, dass Ressourcen nicht effizient eingesetzt werden", heißt es in dem Bericht, den Wirtschaftskommissar Olli Rehn nun vorgelegt hat (Pressemitteilung zur Prüfung hier). Monatelang hatte Brüssel den Überschuss geprüft, der auch von der amerikanischen Regierung und dem Internationalen Währungsfonds kritisiert wird.

In keinem Land ist das Verhältnis von Ausfuhren zu Einfuhren so extrem: Mit knapp 200 Milliarden Euro erzielte Deutschland 2013 den höchsten Exportüberschuss der Welt. In die deutsche Leistungsbilanz fließt auch der Austausch von Dienstleistungen oder Entwicklungshilfe ein. Der gesamte Überschuss entspricht etwa sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die EU-Kommission stuft Werte von mehr als sechs Prozent als stabilitätsgefährdend ein.

Ein Bußgeld droht Deutschland vorerst aber dennoch nicht. Wenn die Bundesregierung die neuen Empfehlungen der EU ignoriert, droht eine Strafzahlung in Höhe von 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung. Im Falle Deutschlands wären Milliarden von Euro fällig.

Sie fordert nun vor allem höhere Investitionen in Deutschland, für eine stärkere Binnennachfrage. Das Angebot an Arbeitskräften müsse weiter gestärkt, die Effizienz in allen Bereichen der Wirtschaft gesteigert werden.

Die Bundesregierung will die Analyse prüfen und im April dazu Stellung nehmen. Auf dieser Grundlage wird die EU-Kommission dann im Juni länderspezifische Empfehlungen abgeben. Deutschen Politikern war die schwache Binnennachfrage dank der Exporterfolge bisher ziemlich egal. Jetzt ist der Druck aus Brüssel deutlich gestiegen.

Neuer Minister, neue Position

Deutschlands Fokus auf Ausfuhren ist der EU zu stark. Der deutsche Exportboom nach der Jahrtausendwende sei auf Kosten der Länder mit schwacher Exportwirtschaft gegangen, heißt es in Brüssel. Vor allem die Staaten im Süden Europas - derzeit in der Krise - leiden nach dieser Lesart unter der deutschen Stärke. Sie konsumieren viele deutsche Waren, produzieren aber selbst vergleichsweise wenig für Auslandsmärkte.

Belgische und französische Bauern und Schlachtereien beschweren sich über angebliche Dumpinglöhne in Deutschland - der Nachbar im Osten tut ihrer Meinung alles dafür, immer mehr zu exportieren, auch wenn er damit Branchen in anderen EU-Staaten schadet.

Weil die SPD mittlerweile in der Regierung sitzt, ist deren Haltung nicht mehr so konfrontativ wie zu Zeiten von Schwarz-Gelb. Nach Recherchen der SZ hat das Wirtschaftsministerium unter Sozialdemokrat Sigmar Gabriel erstmals anerkannt, dass "exzessive und dauerhafte Ungleichwichte" in den Handelsbilanzen von bestimmten europäischen Staaten "schädlich für die Stabilität der Euro-Zone" seien. Regierungssprecher Steffen Seibert relativierte den Bericht: Es gebe keine Anzeichen dafür, dass deutsche Exportüberschüsse den anderen Euro-Ländern schaden. Diese Ansicht der Bundesregierung habe sich auch nicht grundsätzlich geändert.

Im Februar hatte die Bundesregierung Zahlen veröffentlicht, die wohl auch die EU besänftigen sollten. Ihrem Jahreswirtschaftsbericht zufolge sollen die Exporte 2014 mit 4,1 Prozent weniger stark wachsen als die Importe mit 5,0 Prozent. Das würde den Exportüberschuss schrumpfen lassen, den die EU-Kommission jetzt gerügt hat.

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