Für die Kritiker umstrittener Freihandelsabkommen wie Ceta oder TTIP ist es ein wichtiger Etappensieg: Der Gerichtshof der EU hat am Dienstag entschieden, dass solche Verträge zumindest in Teilen die Zustimmung der EU-Mitgliedsländer brauchen. Dass dies nun am Fall eines eher unbedeutenden Abkommens mit Singapur entschieden wurde, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Denn das Gericht hat hier ein Grundsatzurteil gefällt, mit weitreichenden Folgen für künftige Freihandelsabkommen. Die eigentliche Botschaft ist, dass Handelsprojekte dieser Art nicht mehr von der EU allein abgeschlossen werden können.
Für die Gemeinschaft ist das eine wichtige und richtige Entscheidung. Viele Bürger fühlen sich bei wichtigen Vorhaben von Brüssel überrumpelt und bevormundet - dabei ist unwichtig, ob nun zu Recht oder Unrecht. So gesehen stärken die europäischen Richter die Demokatie, wenn sie den einzelnen Ländern mehr Mitspracherechte einräumen. Und sie sorgen, zumindest indirekt, für mehr Transparenz. Künftige Freihandelsabkommen haben deshalb nur dann eine Chance auf Zustimmung, wenn die EU-Verhandler ihre Ziele und Inhalte frühzeitig offenlegen und Einwände ernst nehmen.
Klare Spielregeln im Inneren sind entscheidend für das Auftreten der EU
Die EU-Kommission wird ihre Verhandlungsstrategie also anpassen müssen. Das wurde bereits beim fertig ausgehandelten Ceta-Abkommen deutlich: Im Herbst war der Handelsvertrag der EU mit Kanada beinahe am Widerstand der belgischen Region Wallonien gescheitert. Kanadas Regierung reagierte irritiert auf die innereuropäischen Streitereien. Das zeigt, wie wichtig klare Spielregeln im Inneren für das Außenverhältnis der EU sind, wenn sie ernstgenommen werden will.
Große Pläne gibt es schließlich genug: Als Antwort auf den Protektionismus von US-Präsident Donald Trump strebt die EU möglichst rasche und umfassende Freihandelsabkommen mit Japan, Mexiko und den südamerikanischen Mercosur-Staaten an. Zugleich will Großbritannien nach dem EU-Austritt ebenfalls ein möglichst weitreichendes Handelsabkommen mit der Union abschließen.
Werden Verbraucher- und Umweltschutzgesetze in den Verhandlungen aufgeweicht oder werden Investoren durch private Schiedsgerichte unangemessen stark bevorzugt, kann das frühzeitig kritisch hinterfragt und notfalls entschärft werden. Geheimniskrämereien wie etwa beim geplanten TTIP-Abkommen mit den Vereinigten Staaten wären dann ausgeschlossen, die Akzeptanz solcher Vereinbarungen würde spürbar wachsen. Denn das Ziel künftiger Abkommen muss ein fairer Freihandel sein, von dem alle profitieren und keiner ausgeschlossen wird. Mehr Transparenz und Mitspracherechte sind dafür die entscheidende Voraussetzung.