Handel:So funktioniert das Geschäft mit den Treuepunkten

Bonussystem Payback

In Deutschland gibt es 30 Millionen aktive Payback-Nutzer.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • In vielen Geschäften können Kunden auf unterschiedliche Art Punkte sammeln.
  • Unternehmen machen sich damit den Spieltrieb des Menschen zunutze.
  • Doch am Ende bleibt von der erhofften Vorteilen meist nicht viel übrig, sagen einige Experten.

Von Nils Wischmeyer

Die Kaffeepads, das Klopapier und die Äpfel rauschen über die Kasse, der Scanner piept wie wild und während der Kunde noch hektisch die Einkaufstasche packt, ertönt von der anderen Seite der Kasse diese eine Frage: Sammeln Sie Punkte?

Es gibt sie in den verschiedensten Varianten, von einem fröhlich geträllerten "Haben Sie bereits unsere Kundenkarte?" über "Haben Sie eine Payback-Karte?" bis hin zu einem dahingerotzten: "Punkte?!" Egal in welcher Variante: Die Frage ist so normal geworden wie das Bezahlen selbst. Der Unterschied: Bezahlen mag niemand, aber Punkte, ja, die Punkte lieben sie alle.

Die Kunden sammeln sie, um sie später für Prämien oder Bargeld einzulösen. Sei es Payback, Ikea oder die Deutschlandcard, immer warten die Kunden auf das Piep und freuen sich: Sie haben wieder etwas umsonst bekommen, vielleicht sogar gespart, zumindest glauben sie das. Dabei sei das System "Bonuspunkte" keinesfalls umsonst, sondern koste Daten und lohne nur selten, sagen einige Experten.

Den Deutschen scheint das egal. Die Bundesrepublik war immer ein Land von Rabattmarken-Sammlern und von Treuepunkten-Anhäufern. Bereits 1901 soll in einem Geschäft die ersten Rabattmarken über den Ladentisch gewandert sein. Die Idee damals: Wer mit Rabattmarke sofort bezahlt, schreibt nicht an, eine Unart, die die Ladenbesitzer den Kunden austreiben wollten. Aus den kleinen Marken wurden über die Jahre Stempel, Bücher und elektronische Punkte. Eine Zeit lang schmiss der Handel den Kunden die eigenen Loyalitäts- und Bonuskarten hinterher, doch war bereits damals klar: Hunderte Karten will niemand mit sich rumtragen.

2000 dann kam Payback und gab eine Karte für mehrere Unternehmen raus, ein wahrer Vorteil. Heute ist das Programm Marktführer, acht von zehn Menschen in Deutschland kennen Payback, mehr als 30 Millionen nutzen es, dahinter folgen die Deutschlandcard und die Karte von Ikea.

Gesammelt werden die Punkte nicht, weil es rational wäre, sagt Arnd Engeln, Professor für Markt und Werbeforschung an der Hochschule der Medien in Stuttgart. "Für die Menschen ist das Punktesammeln ein Erlebnis. Das Punktekonto wachsen zu sehen, befriedigt uns emotional", sagt er. Das führt etwa dazu, dass wir zu weit entfernten Tankstellen fahren, um unsere Payback-Punkte aufzuladen. Engeln sagt: "Es ist ein wahrer Spieltrieb, den die Unternehmen erzeugen."

Stichproben zeigen, dass sich Prämien mit Zuzahlung in vielen Fällen nicht lohnen

Das beginnt schon, bevor der Kunde den ersten Einkauf getätigt hat. Oftmals gibt es bei Bonusprogrammen bereits zu Anfang Punkte geschenkt. Was nett klingt, ist ein psychologischer Trick, der auf den Endowment-Effekt aufbaut, sagt Florian Becker, Wirtschaftspsychologe an der TH Rosenheim. Der Effekt beschreibt die Annahme, dass Menschen etwas wertvoller einschätzen, wenn sie es haben, als wenn sie es erst erwerben müssen. Wer also einmal Punkte hat, der will sie nicht verlieren, wenn sie nach 18 Monaten verfallen, kauft deswegen mehr und mehr und finanziert so das System. "Das Ganze trägt sich nur, weil die Kartenzahler mehr einkaufen oder höhere Preise zahlen für Punkte", sagt Becker.

Die Kunden nehmen das anders wahr. 70 Prozent der Nutzer von Cashback-Programmen glauben, dass sie aktiv Geld sparen, 63 Prozent sagen: "Ich mache dadurch Schnäppchen." Neben den direkten Effekten, profitieren die Unternehmen von den gesammelten Daten. Wann kaufen wir Obst? Wie oft tanken wir? In welchem Rhythmus holen wir Kosmetikprodukte? Payback weiß all das, warnen Verbraucherschützer wie Georg Tryba. "Payback ist da nicht besser als Amazon", sagt er. Beide versuchen das individuelle Kaufverhalten zu verfolgen, zu erfassen und für sich zu nutzen. Zwar verletzen solche Bonusprogramme nicht das Datenschutzrecht. Tryba aber sagt: "Man sollte sich im Klaren sein, dass das Geschäftsmodell: 'Meine Daten gegen miese Prozente' heißt."

Diese Prozente bekommt der Kunde, wenn er in einem der Partnerläden einkauft. Für ein bis zwei Euro, je nach Geschäft, gibt es bei den Partnern einen Payback-Punkt. Dafür erhält der Kunde später Prämien, etwa eine neue Pfanne oder neue Kopfhörer. Doch lohnen sich die Prämien überhaupt? Stichproben der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen lassen daran Zweifel aufkommen. Ihnen zufolge sind einzelnen Prämien teils teurer als bei anderen Online-Portalen. Wenn eine Zuzahlung hinzu kommt, sei das besonders häufig der Fall. Ein Beispiel etwa sei ein Autonavi, das die Verbraucherschützer testeten: Bei Payback kostet es den Kunden 10 000 Prämienpunkte, umgerechnet also 100 Euro. Wer 1000 Punkte einbringt, müsste 90 Euro hinzu zahlen. Auf anderen Portalen war das Navi zur gleichen Zeit bereits für 80 Euro zu haben. "Sie zahlen also mehr und ihre Punkte sind weg", sagt Verbraucherschützer Tryba. Ähnlich lief die Stichprobe bei anderen Prämien. Warum wir trotzdem zuschlagen? "Das System gibt mir die Illusion, dass ich mir Dinge kaufen kann, die ich mir aus Geiz sonst nicht leisten würde", sagt Experte Engeln.

Eine App bringt die Punkte aufs Smartphone. Acht Millionen Menschen nutzen sie bereits

Doch nicht nur beim Einlösen, sondern auch beim Punktesammeln verliere das System, behauptet Tryba. "Wer Angebote ausführlich vergleicht, fährt im Schnitt besser als mit jedem Bonusprogramm", sagt der Verbraucherschützer. Wer beispielsweise eine neue Hose kaufe, könne mehr sparen, wenn er nach einmaligen Rabatten geht statt danach, wie viele Payback-Punkte er bekommen würde. Meist belaufe sich die Ersparnis durch Payback nur auf einen Prozent, sagt Tryba. Unternehmen, die das System unterstützen, können einen höheren Umsatz im einstelligen Prozentbereich verzeichnen, heißt es bei Payback. Diese Geschäfte profitieren also, weil der Kunde vergisst, dass es das gleiche Produkt woanders günstiger geben könnte.

Bei Payback wehrt man sich gegen solche Vergleiche. "Sie können eine einmalige Promotion nicht mit Payback-Punkten vergleichen, die sie immer bekommen", sagt Geschäftsführer Dominik Dommick. Bei Standardeinkäufen wie im Supermarkt würde der Kunde immer profitieren und müsse nicht erst in sieben Läden rennen für Rabatte. Zudem lägen die Ersparnisse nicht bei einem Prozent, sondern höher. Durch Mehrfachbepunktung, Aktionen und Coupons würden Nutzer mehr Punkte sammeln. "Die Kunden können mit den Punkten eine signifikante Summe im Jahr sparen", sagt Dommick.

Die Zukunft der Payback-Karte gibt es auch schon in Form einer App. "Den Coupon vom Kühlschrank, der sonst an Magneten hing und auch vergessen wurde, haben App-Nutzer immer dabei", sagt Dommick. Über die App können Kunden Punkte sammeln, Coupons einlösen und direkt mit ihrem Smartphone bezahlen. Dafür nutzt die Firma ein QR-Code-System.

Die Menschen schätzen das offenbar. Mehr als acht Millionen aktive Kunden nutzen die Payback-App, bald schon sollen es zehn Millionen sein und die Wachstumsrate liege noch immer im zweistelligen Bereich. Die Jagd nach den Punkten stirbt trotz der Bedenken der Verbraucherschützer wohl nicht aus - sie wird nur digital.

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