Handel mit Iran:Alles auf Anfang

Seit die Sanktionen gefallen sind, ist Iran für die deutsche Wirtschaft ein einziges großes Versprechen. Das Land will einkaufen und Deutschland mitverdienen.

Von Cerstin Gammelin und Paul-Anton Krüger

Alle wollen mit. Im Regierungsflieger ist nicht genug Platz für die Interessenten, die sich von diesem Montag an zusammen mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Iran nach Geschäftspartnern umschauen wollen. "Minister Gabriel will ein neues Kapitel in der Zusammenarbeit mit Iran öffnen", beschreibt seine Sprecherin das Ziel der Reise.

Ein neues Kapitel, ein neuer Anfang nach jahrelangen Sanktionen. Die Hoffnungen sind groß, auch, weil die Iraner brauchen, was die Deutschen liefern können. Maschinen zum Beispiel.

Doch nicht jede Hoffnung lasse sich sofort realisieren, heißt es von Gabriel. Iran ist ein interessanter Markt, aber die Wirtschaftsstrukturen sind verkrustet. Und, um alle Zweifel auszuräumen: Minister Gabriel werde auch über Menschenrechte reden. Außerdem gibt es eine Bedingung: "Wer mit Deutschland dauerhaft kooperieren will, muss das Existenzrecht Israels anerkennen."

Die zweite Reise des Wirtschaftsministers in die Islamische Republik steht mehr als die erste im vergangenen Herbst unter der Prämisse, dabei zu sein, wenn der Handel wieder aufgenommen wird. 150 deutsche Unternehmer werden am gemischten Wirtschaftsrat der beiden Staaten teilnehmen, einem großen Basar zur Geschäftsanbahnung: Die Deutschen werden auf 250 iranische Geschäftsleute treffen. Wenn es gut läuft, wird Gabriel am Dienstag nicht nur ein bilaterales Protokoll zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Iran unterzeichnen, sondern auch einige Unternehmer werden Geschäfte abschließen.

Manufacture At Iran's Leading Electronics Good Supplier Maadiran Group

Iran heute: Eine Elektronik-Fabrik in der Stadt Hashtgerd.

(Foto: Simon Dawson/Bloomberg)

Details sollen vorab nicht bekannt werden, nur so viel, dass es sich um "klassische" Branchen handele, darunter fallen die Wasser- und Energieversorgung, Maschinenbau oder Hilfen bei der Privatisierung. Gespannt sind die deutschen Besucher darauf, in welche Projekte die Iraner zuerst investieren wollen. Hochgeschwindigkeitsbahn, Energieversorgung, Autohersteller? Klar ist, dass die iranische Wirtschaft, stärker diversifiziert als in anderen Golfstaaten und mit einer industriellen Basis ausgestattet, großen Modernisierungsbedarf hat. In der Öl- und Gasindustrie sind Investitionen von mehreren Hundert Milliarden Dollar nötig. Fluggesellschaften wollen Hunderte Maschinen kaufen.

Der iranische Vizepräsident Eshaq Jahangiri hat kürzlich in einem Brief an das Industrie- und Handelsministerium Prioritäten aufgelistet. Er will 7500 halbaktive Unternehmen wieder flottmachen. Während der Sanktionen hatten viele Industriebetriebe ihre Produktion eingestellt. Jetzt soll die Stahl- und Kupferindustrie hochgefahren werden. Teheran will kleine und mittelständische Unternehmen und Exporte fördern. Iran soll zur Drehscheibe des Handels zwischen der Region und Europa werden. Die Konkurrenz in den arabischen Golfstaaten und der Türkei ist groß.

Deutschland ist nicht allein mit seinen Bemühungen. Delegationen aus Frankreich und Italien waren in Teheran, die Europäische Union plant, ein Verbindungsbüro zu eröffnen. Gabriel wird es nicht bei Wirtschaftskontakten belassen; am Dienstag wird er Minister treffen, ein Gespräch mit Präsident Hassan Rohani ist geplant.

Dessen politisches Überleben ist daran geknüpft, dass sich die Wirtschaft erholt; die Hoffnung darauf hatte ihm den Wahlerfolg 2013 beschert und jüngst dazu geführt, dass die moderaten Kräfte deutliche Zugewinne bei der Parlamentswahl erzielten. Viele Iraner, selbst solche aus der Mittelschicht, müssen mehrere Jobs machen, um ihren Lebensstandard einigermaßen halten zu können. Sie sind die politische Basis der Regierung und wollen konkrete Verbesserungen ihrer Lage sehen.

Deutschland gilt als ein Wunschpartner, weil, wie es in Berlin heißt, die industriellen Strukturen zueinander passen. Deutsche Produkte genießen einen hervorragenden Ruf. Viele Firmen haben in Zeiten der Sanktionen die Verbindungen nie völlig abreißen lassen. Iran kalkuliert zudem, durch eine enge wirtschaftliche Anbindung an Europa im Krisenfall besser gegen neue Sanktionen geschützt zu sein.

In Berlin wird sorgfältig an der Normalisierung der Beziehung gearbeitet - arbeitsteilig zwischen Auswärtigem Amt sowie Finanz-, Justiz- und Wirtschaftsministerium. Unternehmen und Banken sollen Rechtssicherheit haben. Schwierigster Teil ist weiter die Abstimmung mit den USA: Die Amerikaner haben seit der iranischen Revolution 1979 und der Besetzung der US-Botschaft in Teheran verschiedenste Sanktionen verhängt, von denen nach dem Atomabkommen etliche weiter in Kraft sind. Manche davon entfalten extraterritoriale Wirkung und können für ausländische Unternehmen zum Problem werden, wenn diese Geschäftsinteressen in den USA haben. Problematisch ist das vor allem bei Banken, die keine Geschäfte mit Iran finanzieren, solange sie Millionenstrafen befürchten müssen. Selbst der angekündigte Vertrag zum Kauf von mehr als 100 Airbus-Flugzeugen für die staatliche Iran Air ist bislang nicht rechtskräftig.

Feb. 27, 1955 - Bonn, Germany - West Germany's first chancellor KONRAD ADENAUER began his career in politics as a member of the Cologne City Council, becoming lord mayor of the city. Adenauer was elected Chancellor of the Federal Republic of Germany on 15

Iran damals: Händeschütteln im Jahr 1955 zwischen Konrad Adenauer und Mohammad Reza Pahlavi, dem umstrittenen damaligen Schah.

(Foto: Alamy/mauritius images)

Banken haben wieder Zugang zum internationalen Zahlungsverkehr

Iran klagt, die USA erfüllten nicht ihre Verpflichtungen aus dem Atomabkommen, die Sanktionen seien nur auf dem Papier aufgehoben. Auch hat es Schwierigkeiten, die einst eingefrorenen iranischen Vermögenswerte im Ausland, geschätzt 100 Milliarden Dollar, lockerzumachen. Außenminister Mohammad Dschawad Zarif traf deswegen zwei Mal seinen US-Kollegen John Kerry. Der versicherte, seine Regierung stehe Geschäften ausländischer Firmen mit Iran nicht im Weg und werde sich bemühen, offene Fragen zu klären.

Die EU und auch die USA haben umfangreiche Papiere erarbeitet, welche Geschäfte nach den Sanktionserleichterungen legal sind. Das habe die Rechtssicherheit verbessert, heißt es in Berlin, es bleibe jedoch für bestimmte Geschäfte ein gewisses Restrisiko. Zumindest wickelt die DZ Bank wieder Geschäfte ab, auch die einst gelistete Europäisch-Islamische Handelsbank in Hamburg und Niederlassungen iranischer Banken sind technisch wieder an das Computernetzwerk Swift angeschlossen, über das der internationale Zahlungsverkehr abgewickelt wird. Von den 41 Banken, die wieder einen Swift-Anschluss beantragt haben, sind 38 am Netz.

Deutsche Unternehmen stoßen bei der Abwicklung großer Geschäfte auf ein weiteres Problem: Neue Hermes-Bürgschaften für Exporte bewilligt die Bundesregierung derzeit nicht, weil sie Forderungen in Höhe von einer halben Milliarde Euro gegen Iran geltend macht. Erst wenn diese aus Steuergeld bezahlten Ausfälle beglichen seien, können neue Kreditgarantien ausgestellt werden. Die Gespräche über die Rückzahlungsmodalitäten laufen auf Hochtouren, Gabriels Sprecherin macht sogar Hoffnung, dass die Altlast "in Kürze", also schon beim Besuch, ausgeräumt werden kann. Und, um die Geschäfte zu erleichtern, könnten Unternehmen "schon jetzt Anträge stellen". Über diese Anträge könnte unmittelbar nach einer Einigung entschieden werden.

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