Handel:Lotte in Not

Korruption und Führungsstreit: Der südkoreanische Konzern Lotte wird im 50. Jahr seines Bestehens gleich von vier Krisen erschüttert.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Zu ihrem fünfzigsten Geburtstag will sich die Handelskette Lotte im April mit viel Tamtam den Lotte-World-Tower schenken, mit 555 Metern das höchste Hochhaus Südkoreas, das zum Wahrzeichen Seouls werden soll. Feierlaune kommt im Lotte-Konzern freilich keine auf. Die Nummer fünf der Chaebol, wie man Südkoreas Familien-dominierte Mischkonzerne nennt, wird gleich von vier Krisen erschüttert. Lotte stellt Lebensmittel her, betreibt Kaufhäuser, Duty-Free-Shops, Luxus-Hotels und Vergnügungsparks und besitzt Elektronik-, Chemie- und ein Bauunternehmen.

Zunächst gibt es Gerüchte um die Sicherheit des World-Tower, die sich hartnäckig halten - der Untergrund sei nicht fest, Lotte habe Vorschriften umgangen und die Behörden hätten dies vertuscht. Vor zwei Jahren ließ die Bauaufsicht ein Aquarium und ein Kino im Komplex, die bereits eröffnet waren, fünf Monate lang schließen. Als wollte sie ihr Verantwortungsbewusstsein und ihre Unabhängigkeit beweisen. Eine Gruppe koreanischer Architektenprofessoren fand keine relevanten Mängel an Lottes Einkaufszentrum-, Hotel- und Büroturm im Süden von Seoul. Das Bauunternehmen, das auch zum Lotte-Konglomerat gehört, ist bisher nie mit Sicherheitsmängeln aufgefallen. Die Gerüchte brachten Lotte erhebliche Einnahmeausfälle.

Noch dramatischer hat sich der Bruderkrieg ausgewirkt, der seit zwei Jahren innerhalb der Besitzerfamilie tobte. Shin Kyuk-ho, der 94-jährige Patriarch von Lotte, einem Konzern mit 60 Tochterfirmen, will wegen der Streitereien an den Feierlichkeiten im April nicht teilnehmen. Eigentlich gründete nämlich der in Japan geborene und aufgewachsene Koreaner Shin Lotte bereits 1948 in Tokio: als Kaugummi-Fabrik und bald auch als Süßwaren-Hersteller. Er könnte demnächst den 70. Geburtstag seines Unternehmens feiern. Aber Shin ging erst 1967 mit der Firma nach Korea. In der Atmosphäre des Nationalismus, die Ostasien gegenwärtig beherrscht, will eine koreanische Firma sich lieber nicht als japanische Gründung feiern. Also ist es der 50. Geburtstag.

Im Bruderkrieg kämpften zwei Söhne Shins mit Putschversuchen in den Vorständen und immer wieder vor Gericht um die Kontrolle über das 35-Milliarden-Euro-Imperium. Der Alte hielt zu Shin Dong-bin, dem jüngeren der beiden, der den Konflikt im Februar für sich entscheiden konnte. Doch der 61-jährige, nun unangefochtene Konzernchef Shin Dong-bin hat keinen Grund, seinen Sieg über den älteren Bruder zu feiern. Die Justiz verfolgt ihn wegen Unterschlagung von bis 170 Milliarden Won (etwa 135 Millionen Euro). Außerdem ist Lotto in den Korruptionsskandal um Präsidentin Park Geun-hye verwickelt.

Als ob das nicht schon genug Probleme wären, entschieden die südkoreanische und die US-Armee, der ideale Standort für THAAD (Terminal High Altitude Area Defense), ein Raketenabwehrsystem, sei ein Golfplatz, der bisher Lotte gehörte. Unter großem Druck aus Seoul trat Lotte den Platz an die Militärs ab. Dafür wird das Unternehmen, das in China 99 Einkaufszentren unterhält, nun von Peking abgestraft - nicht offiziell. Aber die chinesischen Medien rufen zum Boykott südkoreanischer Firmen auf. Das trifft Lotte besonders hart.

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