Handel:Finale mit Überraschung

Karstadt und Galeria Kaufhof

Kaufhof in Düsseldorf: Nach der Übernahme durch den Warenhauskonzern Karstadt soll die Kette nun saniert werden – auch Tausende Stellen sollen wegfallen.

(Foto: Marius Becker/dpa)

Bis zu 5000 Jobs sollen bei Kaufhof abgebaut werden. Karstadt übernimmt. Essen wird zum Sitz des neuen Warenhauskonzerns - nicht Köln.

Von Michael Kläsgen und Benedikt Müller, München/Essen

So sieht sie also aus, die Zentrale des Warenhauskonzerns von Karstadt und Galeria Kaufhof. Sie liegt nicht in der stolzen Domstadt Köln, wie viele dachten, sondern in Essen im Ruhrgebiet, am Verwaltungssitz von Karstadt, der nur noch ein Schatten seiner Vergangenheit ist. Zwar leuchtet im Foyer die stolze Werbewand "Karstadt, seit 1881" in blauen Lettern auf hellem Grund. Und wie im Kaufhaus führen Rolltreppen hoch in den ersten und zweiten Stock. Doch ist Karstadt die eigene Zentrale merklich zu groß geworden. Zwischenzeitlich stand hier die Hälfte der Büros leer, ein ganzer dreistöckiger Trakt. Bis der Eigentümer im vergangenen Jahr einen neuen Mieter gefunden hat: Die Essener Polizei soll hier bald einziehen, als Nachbarin von Deutschlands größter Warenhauskette.

Allzu viele Kollegen von Kaufhof aus Köln werden hier wohl nicht landen. Die Beschäftigten des angeschlagenen Konzerns müssen sich auf harte Einschnitte gefasst machen, vor allem die der Kölner Verwaltungszentrale. Am Freitagmorgen tagten die Führungskräfte des Gemeinschaftsunternehmens in Essen. Stephan Fanderl, der Chef der Warenhausholding, erklärte ohne Umschweife den Ernst der Lage: "In seinem derzeitigen Zustand ist Galeria Kaufhof langfristig nicht überlebensfähig." Die Sanierung sei eine "Rettungsmaßnahme".

2600 Vollzeitstellen sollen bei Kaufhof gestrichen werden, 1000 davon in der Verwaltung. Das ist etwa jede fünfte Stelle. Wegen der hohen Teilzeitquote sind dadurch letztendlich die Arbeitsplätze von 4000 bis 5000 Mitarbeitern bedroht. Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi zählte Kaufhof im September 2018 noch etwa 14 220 Vollzeitstellen. 2017 waren es noch 15 379 gewesen. Kaufhof geht es schon seit Längerem schlecht, vor allem seitdem die kanadische Hudson's Bay Company (HBC) den Konzern 2015 übernahm. Seither häuften sich die Verluste. Seit vergangenem November gehört Kaufhof nun mehrheitlich gemeinsam mit Karstadt zur Signa-Holding des österreichischen Immobilieninvestors René Benko.

Der hat veranlasst, dass der bisherige Karstadt-Chef Fanderl bei Kaufhof durchgreift. Von der bisherigen Hauptverwaltung von Kaufhof in Köln wird nicht viel übrig bleiben. Alle wesentlichen Führungs- und Verwaltungsfunktionen werden nach Essen verlagert. Fanderl kündigte auf einer Mitarbeiterversammlung am Freitag an, er werde bei Kaufhof alle überflüssigen administrativen Tätigkeiten kappen, Doppelfunktionen abschaffen und unnötige Hierarchieebenen abbauen. Ähnlich hatte er das auch bei Karstadt gemacht - mit dem Ergebnis, dass das ebenfalls angezählte Unternehmen nach einigen Jahren wieder schwarze Zahlen schrieb.

Vor der neuen Warenhaus-Zentrale in Essen ist am Freitag freilich nicht nur Erleichterung zu spüren. Einer arbeitet beispielsweise für das Gastronomiegeschäft von Karstadt. Das ist eines der wenigen Geschäftsfelder, die nach Köln in den Stadtteil Porz verlagert werden. Deswegen schimpft er jetzt, der Karstädter. Er weiß, wie mühsam das Pendeln ist, im staugeplagten Nordrhein-Westfalen.

In Köln soll zudem eine Einheit namens "Kompetenzzentrum für Digitalisierung und E-Commerce" entstehen. Außerdem wird hier das sogenannte Off-Price-Geschäft angesiedelt, der Handel mit Restposten von Markenartikeln. Auch die Lohnbuchhaltung wird in Köln bleiben. Von einer gleichteiligen Aufteilung der Funktionen kann dennoch nicht die Rede sein.

Dementsprechend enttäuscht äußerte sich die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. "Wir hätten uns eine andere Entscheidung gewünscht, die der herausragenden Bedeutung Kölns als Handelsmetropole mit exzellenten Standortbedingungen gerecht wird", sagt sie. Immerhin sollen im Zuge der Sanierung keine Filialen geschlossen werden. Was nicht heißt, dass in den nächsten Jahren nicht doch noch welche dichtmachen. An Standorten, an denen Mietverträge auslaufen, ist das durchaus möglich. Ein Trost für die Kaufhof-Beschäftigten ist das alles nicht.

Denn Fanderl kündigte auch an, dass Kaufhof "umgehend" aus der Tarifbindung aussteigen müsse. Dies sei wegen der Schieflage des Unternehmens "alternativlos". Er strebt einen sogenannten Haustarifvertrag an, wie er bereits bei Karstadt eingeführt wurde - mit wesentlich niedrigeren Personalkosten für das Unternehmen. Dem muss allerdings die Gewerkschaft Verdi zustimmen. Die hatte darüber schon ergebnislos mit HBC verhandelt, ehe Benko übernahm. Da das Weihnachtsgeschäft von Kaufhof (minus vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr) und auch der Onlinehandel (minus ein Prozent) weit unter den Erwartungen blieben, haben die neuen Eigentümer nun ein Druckmittel, um einen Sanierungstarifvertrag durchzusetzen.

Weihnachtsgeschäft und Internethandel blieben weit unter den Erwartungen

Doch hat die Gewerkschaft die Pläne am Freitag zunächst als "untragbar" kritisiert. "Wir lassen keine Sanierung zu, die ein Gesundstoßen des Konzerns allein auf dem Rücken der Beschäftigten vorsieht", sagte Stefanie Nutzenberger vom Verdi-Bundesvorstand. Der Warenhauskonzern brauche Investitionen und ein Zukunftskonzept. "Stattdessen wird ein Ausstieg aus der Tarifbindung angekündigt", kritisierte Nutzenberger. "Dem wird die Arbeitnehmerseite nicht zustimmen."

Immerhin darf sich die Stadt Essen dank der Standortentscheidung - für viele ein wenig überraschend - freuen, dass sie fortan einen Handelskonzern beheimatet, der etwa 240 Warenhäuser in Europa betreibt, einen Umsatz von etwa fünf Milliarden Euro erwirtschaftet und derzeit etwa 32 000 Mitarbeiter beschäftigt.

Allein die Adresse der alten und neuen Karstadt-Zentrale zeugt von der bewegten Geschichte des Warenhaushandels: Die Theodor-Althoff-Straße ist nach jenem westfälischen Kaufmann benannt, der Anfang des 20. Jahrhunderts große Kaufhäuser im Ruhrgebiet eröffnete. Es war die Zeit, in der die ersten Warenhäuser mit riesiger Auswahl und Festpreisen den Handel in Deutschland revolutionierten und so manchen kleinen Kaufmann zum Aufgeben zwangen. 1920 fusionierten Althoff und die Essener Kette Karstadt. Die Theodor-Althoff-Straße erinnert mithin an eine Warenhausmarke, die der Konsolidierung in der Branche zum Opfer gefallen ist.

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