Handel:Die Banane ist zu billig

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Weniger als 90 Cent das Kilo Bananen: Für die Produzenten bleibt da nichts mehr übrig. (Foto: Cortesía/Notimex/PA)
  • Nur jede zehnte in Deutschland verkaufte Banane stammt aus fairer Produktion.
  • Lidl will von Billigbananen auf fair produziertes Obst umsteigen, doch wenn die Konkurrenz nicht mitzieht, hat der Discounter ein Problem.
  • Die Banane gehört wie Vollmilch oder Schokolade zu jenen Produkten, anhand derer Verbraucher Preise vergleichen - und für die Kunden eher nicht bereit sind, mehr zu zahlen als bei der Konkurrenz.

Von Caspar Dohmen, Berlin

Als die Banane Ende des 19. Jahrhunderts erstmals in deutschen Häfen anlandete, warb der Handel mit der Nahrhaftigkeit und vielseitigen Verwendbarkeit der Südfrucht um Kundschaft. Heute zählt vor allem der Preis: Ein Kilo Bananen für weniger als einen Euro ist keine Seltenheit. Ein Spottpreis - schließlich müssen die Früchte monatelang reifen, gepflückt, gewaschen und über den Ozean transportiert werden, bevor sie in speziellen Anlagen nachreifen und verkauft werden können. Deshalb ließ die Entscheidung des Discounters Lidl vor einigen Monaten aufhorchen, von Billigbananen auf fair produzierte Produkte umzustellen. Die Hilfsorganisation Oxfam sprach von einem "Meilenstein" - das Umdenken bei Lidl zeige, dass auch Konzerne sich durch Druck zu einer anderen Einkaufspolitik bewegen ließen.

Seit Jahren prangert Oxfam Missstände beim Bananenanbau an - etwa Hungerlöhne, Gesundheitsschäden durch Pestizide oder die Entlassung von Gewerkschaftsmitgliedern auf den Plantagen. Dennoch stammt in Deutschland bisher nur etwa jede zehnte verkaufte Banane aus fairer Produktion, insgesamt 87 000 Tonnen.

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"Wir hoffen eigentlich auf Nachahmer im Handel", sagt nun Jan Bock, Geschäftsleiter Einkauf Lidl Deutschland. Was geht, sieht man etwa in Großbritannien, wo alle Supermärkte schon vor zehn Jahren umgestellt haben. Aber in Deutschland gibt es seit der Entscheidung neuen Preisdruck. Aldi, Kaufland oder Edeka boten Bananen teilweise für unter 90 Cent an. "Die Preise sind schon länger gesunken, jetzt ist ein neuer Tiefpunkt erreicht", sagt Bock. Sollte Lidl wegen des Preisdrucks bei den Bananen einen Rückzieher machen, "wäre dies eine Katastrophe", warnt Frank Braßel, Kampagnenleiter bei Oxfam Deutschland.

Lidl will an seiner Entscheidung vorerst festhalten "Einen grundsätzlichen Rückzug wird es nicht geben", sagt Bock. "Aber natürlich können wir nicht jahrelang unsere Bananen zehn Cent teurer verkaufen als die Konkurrenz." Die Banane gehört zu den Produkten, anhand derer Verbraucher das Preisniveau von Händlern vergleichen, wie auch Vollmilch und Schokolade. Deswegen gelten diese Waren als besonders preissensibel. Bananen, die biologisch und fair hergestellt werden, haben alle Händler im Angebot - sie kosten aber deutlich mehr und machen nur etwa zehn Prozent des Bananenangebots aus.

Ein nachhaltiger Bananenanbau wäre ein wichtiger Beitrag zur Armutsbekämpfung

Ein niedriger Preis sagt für sich genommen nichts darüber aus, unter welchen Bedingungen ein Produkt hergestellt wird. Aber beim Bananenanbau sind gravierende Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt dokumentiert, etwa durch den übermäßigen Einsatz von Pestiziden. Ökonomen sprechen von negativen externen Effekten. Sie zu berechnen ist knifflig, weil es viele Wirkungsketten gibt. Ausbeuterische Löhne können etwa zur Folge haben, dass sich Arbeiterfamilien schlecht ernähren und häufiger krank werden. Das Sozialunternehmen True Price beziffert die Folgekosten für eine Kiste konventioneller Bananen (rund 18 Kilogramm) auf 6,70 Dollar. Diese Summe müsste also aufgewendet werden, um die bei der Bananenproduktion entstandenen Schäden zu beseitigen, wobei das nicht immer möglich ist, etwa bei unheilbaren Erkrankungen. Selbst bei fair gehandelten Bananen liegen diese Folgekosten je Kiste bei 3,65 Dollar. Um eine nachhaltige Produktion zu gewährleisten, müssten also selbst die Fairtrade-Standards angehoben werden.

Ein nachhaltiger Anbau von Bananen wäre ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der Klimaziele und zur Bekämpfung von Armut. Der Handel trägt da eine besondere Verantwortung, in Deutschland also vor allem die vier Ketten Lidl, Aldi, Rewe und Edeka, die 85 Prozent des Marktes beherrschen.

Bananen wachsen in mehr als hundert Ländern entlang des Äquators in tropischen und subtropischen Gegenden. Vier Fünftel werden am Ort gegessen, ein Fünftel wird exportiert. Wichtigste Exportregion ist Lateinamerika und hier vor allem die Länder Kolumbien, Costa Rica und Ecuador. In den vergangenen Jahren haben Produzenten in Ecuador erheblich in eine nachhaltigere Produktionsweise investiert, auf Druck von NGOs und der Regierung, die etwa die gesetzlichen Mindestlöhne anhob und Bananenpflanzer drängte, Tagelöhnern feste Arbeitsverträge zu geben. Auf diese Weise sollte die Armut auf dem Land etwas verringert werden, eine der Hauptursachen für die Landflucht. Der Erfolg sei deutlich sichtbar, sagt Frank Braßel von Oxfam. Der Anteil angestellter Arbeiter auf den Plantagen sei auf 60 bis 70 Prozent gestiegen, zuletzt aber wieder gesunken. Den Grund dafür sieht der Verband der fairen Produzenten in Lateinamerika CLAC im Preisdruck von Importeuren und Handel und warnt mit Blick auf die gesamte Region: "Viele Kleinbauern geben auf, gleichzeitig sind Großproduzenten gezwungen, niedrige Gehälter zu zahlen und den Einsatz von Chemikalien zur Steigerung der Produktivität zu erhöhen."

Zuletzt hatten Produzenten aus Ecuador Alarm geschlagen, weil Aldi den Preis für eine Kiste Banane um einen auf sieben Dollar senken wollte. Vor "fatalen Folgen für die Produzenten in allen Exportländern", warnte der ecuadorianische Exportverband. Bei Aldi Süd und Nord heißt es dazu auf Anfrage: "Die Preisgestaltung folgt den allgemeinen Marktmechanismen." Aber man nehme die Klagen der Produzenten ernst. Aldi sei es "äußerst wichtig, dass unsere Produkte unter menschenwürdigen Bedingungen produziert werden".

Zwischen 1961 und 2010 hat sich die weltweite Bananenproduktion vervierfacht

Der Handel sitzt bei den Preisverhandlungen am längeren Hebel, weil die Produzenten verderbliche Ware anbieten. Am Ende fänden sich immer Produzenten, die niedrigere Preise akzeptierten, klagt Dieter Overath, Vorstand bei Fairtrade Deutschland. Zwischen 1961 und 2010 hat sich die weltweite Bananenproduktion vervierfacht, seitdem schwankt sie auf hohem Niveau. 2017 wurden 113,9 Millionen Tonnen Bananen angebaut. Wenn die Preise zu niedrig sind, müsste nach der Logik der Marktwirtschaft die Bananenproduktion sinken, bis die Preise anziehen. Viele Alternativen haben die Bauern nicht: Auch bei einem Wechsel auf ein anderes Exportprodukt wie Avocados können sie nicht sicher sein, dass sich das Spiel nicht wiederholt.

Der Preiswettlauf hat noch andere verheerende Folgen: Wenn die Bananenproduzenten aus Kostengründen mehr Pestizide einsetzen, gefährdet dies die Produktion. Ende der 1960er-Jahre vernichtete eine Krankheit die damals dominierende Bananensorte Big Mike. Wegen des massiven Einsatzes von Unkrautvernichtern war ein resistenter Erreger entstanden. Danach mussten neue Bananenpflanzungen angelegt werden mit der Sorte Cavendish, die heute dominiert. Aber eine Variante des damaligen Erregers bedroht jetzt auch diese Frucht.

© SZ vom 22.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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