Süddeutsche Zeitung

Handel:Der neue Einkaufswagen

Lidl verleast jetzt den Fiat 500. Der Discounter arbeitet dafür mit einem Start-up zusammen.

Von Michael Kläsgen

Für beide ist es ein Novum: für Lidl, weil der Discounter jetzt auch erstmals Autos in seinem Online-Shop anbietet und damit in den Autohandel einsteigt. Und für die Auto-Leasing-Plattform Vehiculum, weil sie erstmals auch Autos an Privatkunden vermittelt. Bisher war die Homepage des Berliner Start-ups allein Geschäftskunden vorbehalten. Auf lidl-autos.de können Interessenten nun bis Ende April 1000 Fiat 500 mit Sonderausstattung ab 89 Euro im Monat über Vehiculum leasen. Inklusive Kfz-Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung, Winterreifen und Wartung ist der Cinquecento für 158 Euro im Monat zu haben.

"Das Besondere an dem Angebot ist, dass Kunden online einen gültigen Leasingvertrag in nur 15 Minuten schließen können", sagt Lukas Steinhilber, 29. "Das ist einmalig so in der Welt." Vehiculum hat der gebürtige Stuttgarter erst 2015 gegründet. Die Kooperation mit dem weltweit größten Discounter ist für ihn nun ein ziemlicher Erfolg. Aber er musste nicht lange buhlen. Der Wille zur Zusammenarbeit war auf beiden Seiten vorhanden. "Lidl wollte was mit Autos machen", sagt Steinhilber. Der erste Kontakt ist anderthalb Jahre her. An diesem Montag ging das Angebot nun live, und wenn es läuft, wird es nicht bei der einmaligen Aktion bleiben.

Auf die Idee ist er durch Zufall gekommen. Steinhilber sollte Anfang 2015 für seinen damaligen Arbeitgeber zwei Dienstfahrzeuge beschaffen. Das hörte sich nach einer relativ leichten Aufgabe an. Doch Steinhilber, der sein Studium der Betriebswirtschaft als Handballprofi bei einem Berliner Verein finanziert hatte, entdeckte dabei eine komplett intransparente und verschlossene Welt, wie er sagt. Mal war die Rate für einen Skoda mit 30 000 Euro Listenpreis höher als die für einen BMW für 40 000 Euro. Dann unterschied sich die Rate für ein und denselben Wagen zwischen Nord-, Süd- und Ostdeutschland zum Teil erheblich. Es fehlte an jeglicher Vergleichbarkeit.

"Der milliardenschwere Leasingmarkt gleicht bislang einer Black-Box", sagt Steinhilber", "er ist intransparent, überteuert und analog". Sein selbstentwickelter Algorithmus soll das ändern. Er verschafft den Kunden alle wichtigen Informationen über das Fahrzeug, den Preis und die Konditionen. Der Algorithmus scannt den Markt in Echtzeit und findet die besten Angebote für Fahrzeuge von mehr als 20 Marken. Den Vertrag schließen die Kunden dann mit der Santander-Bank. Die Autos kommen vom Autohaus König in Berlin.

Unabhängig davon, wie die Aktion mit Lidl läuft, will Steinhilber weiter Leasingfahrzeuge für Privatkunden anbieten. Bisher gibt es die Angebote nur auf lidl-autos.de und nicht auf der Homepage von Vehiculum. Aber das könnte sich in den nächsten vier bis sechs Wochen ändern, deutet der Start-up-Gründer an.

Steinhilber würde die Plattform gern auf ganz Europa ausdehnen. In den wenigsten Ländern geht es transparenter zu als in Deutschland. Das Kapital für einen weiteren Ausbau hat er kürzlich eingesammelt. Die jüngste Finanzierungsrunde brachte weitere sieben Millionen Euro ein. Mit Runa Capital engagierte sich ein vierter Investor. Einer der ersten Business Angels, die an den Unternehmenserfolg glaubten, war der frühere VW-Markenvorstand Michael Kern.

Steinhilber glaubt, mit seinem Angebot voll im Trend zu liegen. Er geht davon aus, dass sich in naher Zukunft kaum noch jemand ein Auto kaufen wird. Schon seit Längerem zeichne sich ab, dass immer weniger Menschen, vor allem jüngere, selbst ein Auto besitzen wollen. Zudem zeige die Statistik, dass die Wagen seltener und kürzer eingesetzt werden.

Deswegen suchten sich Lidl und Vehiculum zum Start einen Fiat 500 aus. Er ist als reines Stadtauto gedacht und hat auch nur eine Laufleistung von maximal 15 000 Kilometern im Jahr. Das Angebot richtet sich damit in erster Linie an eine junge, urbane Klientel, die offenbar vorzugsweise im Osten der Republik lebt. Denn es gibt zwar keine Überführungsgebühr, aber dafür nur drei Abholstationen: Halle, Erfurt und Berlin. Wer tief im Westen least, muss eine längere Anfahrt in Kauf nehmen. Immerhin erscheint das Angebot im Vergleich zur Konkurrenz relativ günstig, vor allem wegen des niedrigen Grundpreises. Ob es sich aber tatsächlich lohnt, muss jeder individuell berechnen und zudem wissen: Bis der Wagen vor der Tür steht, können bis zu acht Wochen vergehen.

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Quelle:
SZ vom 05.02.2019
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