Handel:Boom für Rinderbarone

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Brasiliens Rindfleisch-Barone dürften die eigentlichen Profiteure eines Handelsabkommens mit Europa sein.

(Foto: Mario Tama/Getty Images)

Warum eine Studie die Debatte über den EU-Mercosur-Handelsvertrag anheizt.

Von Björn Finke, Brüssel

Es ist das weitreichendste Handelsabkommen, das die EU je abgeschlossen hat - und sehr umstritten: Im Sommer einigten sich Brüssel und der südamerikanische Wirtschaftsblock Mercosur darauf, gut vier Milliarden Euro Zölle pro Jahr zu streichen. Mehr als 90 Prozent der Im- und Exporte in beide Richtungen sollen von Abgaben befreit werden. Doch Kritiker klagen, dass der Vertrag zu noch mehr Brandrodungen im Amazonasgebiet Brasiliens führen könnte, des mit Abstand wichtigsten Mercosur-Mitglieds. Die EU-Kommission veröffentlichte nun den Zwischenbericht einer Forschergruppe zu den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen des Abkommens. Und Gegner sehen ihre Bedenken bestätigt.

Die 253 Seiten umfassende Studie prognostiziere "einen rasanten Anstieg der Fleischimporte sowie mehr Treibhausgasemissionen - das war zu befürchten, aber jetzt liegen die Zahlen vor", sagt etwa Anna Cavazzini, die für die deutschen Grünen im Handelsausschuss des EU-Parlaments sitzt. Der Vertrag, der frühestens 2022 in Kraft tritt, erlaubt den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay unter anderem, jedes Jahr 99 000 Tonnen Rindfleisch zu einem sehr niedrigen Zollsatz nach Europa zu verkaufen. Das verärgert nicht nur die Bauernverbände in der EU, die mehr Konkurrenz fürchten, sondern weckt auch Sorgen bei Umwelt- und Klimaschützern.

Schließlich könnten für neue Weideflächen in Brasilien noch mehr Waldstücke brandgerodet werden, zulasten des Klimas. Die indigenen Waldbewohner würden vertrieben. Schon jetzt wüten viele Feuer am Amazonas, und der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro tut nach Meinung zahlreicher Kritiker nicht genug dagegen. Der Politiker setzt auf eine stärkere wirtschaftliche Nutzung des Regenwalds.

Die Studie im Auftrag der EU wird am Montag kommender Woche mit Vertretern von Verbänden und Initiativen diskutiert. Es ist ein Zwischenbericht; der Abschlussreport soll Anfang 2020 erscheinen. Die Forscher analysieren zwei Szenarien: In einem werden sehr viele Zölle abgeschafft, im anderen etwas weniger. Das Verhandlungsergebnis vom Sommer liegt dazwischen. In beiden Szenarien erhöht der Handelsvertrag die Wirtschaftsleistung der EU und der vier Mercosur-Staaten, wobei das Plus für Europa marginal ausfällt.

Der Ausstoß an klimaschädlichen Gasen nimmt ebenfalls in beiden Szenarien zu, allerdings bloß um eine Winzigkeit - die Wissenschaftler bezeichnen den Effekt als "vernachlässigbar". Grünen-Politikerin Cavazzini hat jedoch Zweifel an diesem Resultat und an der Methodik. Sie bemängelt unter anderem, die Autoren hätten nicht die Schwächung der "Kontrollen gegen die Entwaldung" durch den brasilianischen Präsidenten Bolsonaro berücksichtigt.

Unzweifelhaft hingegen ist, dass Brasiliens Rindfleisch-Barone profitieren. Ihre Exporte nach Europa steigen um bis zu 78 Prozent. Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament, warnt aber vor voreiligen Schlüssen, was dies für den Regenwald bedeute: Die Studie mache "keine belastbaren Aussagen" über die Folgen für das Amazonasgebiet, sagt der SPD-Politiker. Das werde erst im Abschlussbericht stehen. Allerdings weise der Zwischenbericht bereits darauf hin, dass höhere Agrarexporte "Druck auf die Landnutzung" ausüben und somit "ein Risiko für die indigenen Gemeinschaften darstellen" könnten. "Das müssen wir uns natürlich ganz genau anschauen", sagt er.

Österreich, Frankreich und Irland drohen mit ihrem Veto gegen das ehrgeizige Abkommen

Nach der Grundsatzeinigung zwischen EU und Mercosur im Sommer arbeiten nun Juristen daran, diese in einen Vertrag zu gießen, der dann übersetzt wird. Erst danach - frühestens Ende 2020 - beschäftigen sich die EU-Regierungen sowie das EU-Parlament damit; später müssen nationale Parlamente zustimmen. Es dürfte schwierig werden, überall das nötige Plazet zu finden. So beschloss ein Ausschuss des österreichischen Parlaments im September, dass die Regierung gegen das Abkommen votieren solle. Allerdings gab es seitdem Neuwahlen in Wien. Auch die französische und irische Regierung drohen wegen der Brandrodungen mit ihrem Veto.

Handelspolitiker Lange hält den Vertrag in seiner jetzigen Form für "nicht akzeptabel", hofft aber, dass das EU-Parlament Verbesserungen durchsetzen kann, bis das Abkommen in einem oder anderthalb Jahren ausgearbeitet vorliegt. Der SPD-Abgeordnete verweist darauf, dass der Vertrag nicht nur Sozialstandards vorsehe, sondern die Länder zugleich auf die Ziele des Pariser Klimaschutz-Abkommens verpflichte. Für Brasilien bedeutet dies, dass die Regierung die illegale Abholzung stoppen und Wälder aufforsten muss. Doch lege das Abkommen bisher keine Strafen bei Verstößen fest, klagt der Politiker. Das müsse sich ändern.

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