Kritische Infrastruktur:MSC ist im Hamburger Hafen am Ziel

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Container im Hamburger Hafen: Wie sich die Geschäfte an der Elbe in Zukunft entwickeln, hängt nun auch von der Reederei MSC ab. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Die Hansestadt stimmt für den Einstieg der weltgrößten Reederei bei der Hafengesellschaft. Der Deal soll einen Umschwung einleiten.

Von Saskia Aleythe

Das Hamburger Rathaus hat schon einiges mitgemacht. Krisen, Kriege, aber auch prunkvolle Feste, von denen all die Verzierungen aus Gold und Holz und Malereien in den zahlreichen Sälen noch heute erzählen. Kaiser Wilhelm II. war sogar einmal zu Gast, um zur Fertigstellung des Nord-Ostsee-Kanals zu gratulieren – ein historischer Ort also. Und als am Mittwochabend eine Abstimmung der Hamburger Bürgerschaft erfolgte, war klar: Hier wurde jetzt auch noch einmal Geschichte geschrieben.

Denn mit dem Votum der in der Bürgerschaft vertretenen Politiker ist eines abgesegnet: Die Reederei Mediterranean Shipping Company (MSC) soll mit einem großen Anteil am Hamburger Hafen einsteigen, Mindestlaufzeit des Vertrags: 40 Jahre. 72 der 105 anwesenden Abgeordneten stimmten in zweiter Lesung für den Deal, 33 dagegen. Die EU-Kommission muss noch zustimmen.

So oder so: Wie sich die Geschäfte an der Elbe in Zukunft entwickeln, hängt nun also auch von MSC ab. Dieses Szenario hatte bis zuletzt immer wieder für Streiks und Demonstrationen der Hafenarbeiter in Hamburg gesorgt. Die Teil-Privatisierung hat viele Kritiker, schon aus Prinzip: Ist der Hafen doch das Herzstück der Stadt.

Trotzdem wird mit der Abstimmung wahr, was der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) seit einem Jahr wünscht: Der 58-Jährige hatte den Deal zusammen mit Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel ausgehandelt (ebenfalls SPD), um den Hafen wieder relevanter zu machen. Denn seit Jahren verliert Hamburg Umschlagmengen an andere europäische Häfen, weil die Waren dort im Zweifel günstiger und schneller umzuschlagen sind. 7,7 Millionen Standardcontainer gingen so im vergangenen Jahr über Hamburg – in Rotterdam etwa waren es 13,5 Millionen. MSC soll Hamburg nun wieder nach vorn bringen.

Drei der vier Terminals der Hansestadt gehören der Hamburger Hafen- und Logistik AG, kurz HHLA. An diesem Unternehmen hielt die Hansestadt bisher 69 Prozent, der Rest war im Streubesitz von Aktionären. Künftig gehören nun MSC 49,9 Prozent der HHLA, der Stadt 50,1 Prozent. Für die Anteile der Stadt zahlt die Reederei 233 Millionen Euro.

Das Familienunternehmen MSC lässt sich nicht gern in die Bücher schauen

Gemessen an ihrer Flotte ist MSC die weltgrößte Reederei – und soll bald wieder mehr Ladung nach Hamburg bringen. Bis 2031, so das Ziel, sollen es eine Million Standardcontainer sein, das wäre nach Angaben von MSC eine Verdopplung der aktuellen Menge. Aber das lässt sich schwer überprüfen: Das Familienunternehmen lässt sich nicht gern in die Bücher schauen. Ein Punkt, der oft kritisiert wird.

Bemängelt wird auch, dass die Unternehmensanteile viel zu günstig erworben werden konnten. Bis zuletzt hatten sich die Oppositionsparteien aus CDU, AfD und Linke gegen den Einstieg ausgesprochen, sie konnte gegen die rot-grüne Mehrheit im Senat aber nichts ausrichten.

Anders als die chinesische Staatsreederei Cosco oder Hapag-Lloyd bekommt MSC nun nicht nur Zugriff auf einen kleineren Teil eines HHLA-Terminals, sondern auf den gesamten Konzern, also auch auf die gewinnträchtige Bahntochter Metrans. Die umfassenden Einblicke von MSC könnten sich für die HHLA damit in Zukunft noch als Nachteil erweisen. Schon jetzt ist klar, dass Hapag-Lloyd in Zukunft zehn Prozent weniger Ladung nach Hamburg bringen will, weil die Reederei in einer neuen Kooperation mit dem Konkurrenten Maersk bevorzugt Terminals anfahren will, die sie selber kontrollieren oder besitzen.

Wie viel Zugriff MSC tatsächlich bekommen wird, ist allerdings umstritten. Die Stadt verweist auf ihre eigene Mehrheit. Und die Betriebsräte der HHLA monieren, dass betriebsbedingte Kündigungen in den Verträgen nur für fünf Jahre ausgeschlossen wurden – danach wäre ein Ausstieg aus dem Tarifvertrag möglich. Dass die Stadt nun schnell zur Ruhe kommt, ist also nicht zu erwarten: Am Mittwoch legten viele Arbeiter nach einem Aufruf der Gewerkschaft Verdi an den Terminals die Arbeit nieder.

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