Halbleiterindustrie:"Man kann uns vertrauen"

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""Queen of Wafers": Es gibt nicht viele Frauen, die an der Spitze von Wafer- und Chip-Unternehmen stehen. Auch die andere prominente Managerin, AMD-Chefin Lisa Su, stammt aus Taiwan. (Foto: Yonhap/picture alliance / YONHAPNEWS AG)

Die Chefin des taiwanesischen Chipzulieferers Global Wafers will für fast vier Milliarden Euro das Münchner Halbleiterunternehmen Siltronic kaufen. Kritiker in Europa befürchten den Ausverkauf von Technologien.

Von Thomas Fromm, München

Mit Vertretern der Politik hat der Chef des Münchner Chipzulieferers Siltronic, Christoph von Plotho, noch nicht gesprochen. Erst einmal sollte die Vereinbarung mit dem Käufer Global Wafers aus Taiwan unterschrieben werden. Das ist jetzt passiert, und von Plotho sagt: "Wir sind bereit, in Gespräche mit der Politik einzusteigen." Sollte dies erwünscht sein.

Sehr gut möglich, dass es da jetzt bald Gesprächsbedarf gibt, denn beide Unternehmen sind sich handelseinig geworden und Siltronic steht davor, für 3,75 Milliarden Euro an den größeren Konkurrenten aus Asien verkauft zu werden. Das wären 125 Euro für jede Aktie. Beide stellen so genannte Wafer her, kleine Siliziumscheiben für die Produktion von Halbleitern, wie sie etwa der Chip-Hersteller Infineon fertigt. Es geht um millimeterdünne Scheiben, in etwa so groß wie eine Pizza Margherita, ohne die in der Chipindustrie nichts geht. Sie sind also so etwas wie die Grundlage moderner High-Tech-Geräte wie Smarthphones, Fernseher, Kühlschränke - ohne sie geht nicht viel.

Nicht dass Siltronic verkauft wird, ist gerade das Thema. Dass der deutsche Hersteller ausgerechnet an einen asiatischen Wettbewerber geht, könnte in der Politik für Kritik hervorrufen. Denn in Berlin, aber auch in Brüssel und Paris, sorgt man sich schon länger um jene strategisch zentrale Halbleiterbranche. Längst sind es Lieferanten aus den USA und Asien, die die europäischen Kunden versorgen. Ein Beispiel: Die Unternehmen, die deutsche Autohersteller mit den nötigen Chips ausrüsten, heißen Intel, Qualcomm oder Nvidia - und kommen aus den USA. Aus Korea stammen Samsung und Hynix, aus Taiwan Unternehmen wie TSMC, der größte Auftragsproduzent für Chips. Die Abhängigkeiten nehmen aus Sicht der Kritiker immer mehr zu, und damit die Gefahren für die digitale Souveränität Europas. Auch deshalb arbeiten Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und EU-Kommissar Thierry Breton an einer EU-weiten Allianz, um die heimische Industrie mit Milliardengeldern zu fördern. "Ich verstehe die Diskussion in Europa", sagte Global-Wafers-Chefin Doris Hsu im Gespräch mit der SZ. "Aber wissen Sie: Siltronic beliefert globale Kunden, gleichzeitig haben wir in Europa langfristige Kundenbeziehungen. Wir sind auch ein europäischer Chip-Zulieferer."

Erst im Herbst wurde der Kauf des britischen Chipdesigners Arm durch den US-Großhersteller Nvidia publik, nun also Siltronic und Global Wafers. Geht der Ausverkauf in die USA und nach Asien immer weiter? Theoretisch wäre es durchaus möglich, dass die Bundesregierung einen Verkauf von Technologie nach dem Außenwirtschaftsgesetz blockiert.

Von Plotho aber sieht es so: Das Geschäft mit den kleinen Silizumplatten sei etwas Anderes als das Chip-Business, wie es etwa der Münchner Dax-Konzern Infineon betreibe. Wafer-Fabriken könne man nicht so einfach von A nach B umziehen. Technologie-Abwanderung nach Asien? "Diese Gefahr sehen wir nicht", sagt von Plotho. Forschung und Entwicklung blieben ohnehin in Deutschland, die Standorte im bayerischen Burghausen und im sächsischen Freiberg seien gesichert, betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2024 vertraglich ausgeschlossen worden. Und der Name Siltronic bleibe bestehen. "Es ist nicht unsere erste Übernahme, wir hatten schon einige", sagt Doris Hsu. "Und wir haben noch nie Fabriken weggenommen, verlagert oder geschlossen und Technologie abgezogen." Außerdem arbeite man "immer mit lokalen Managern, weil die sich vor Ort am besten auskennen. Man kann uns vertrauen!"

Die Logik hinter dem Deal sieht so aus: Weltweit gibt es an die vier relevante Wafer-Hersteller. Global Wafers und Siltronic belegen die Plätze drei und vier; zusammen wollen sie am Ende groß genug sein, um dem japanischen Marktführer Shin-Etsu das Leben schwer zu machen. "Wir haben den richtigen Partner gefunden", sagt von Plotho - weil man in Zukunft gemeinsam in teure Fabriken investieren könne. Spätestens wenn der Deal Ende kommenden Jahres abgeschlossen ist, werde man nach Umsatz die Nummer zwei der Branche sein, sagt Hsu.

Damit die Übernahme gelingt, müssen die Taiwaner zunächt 65 Prozent an dem Konkurrenten aus Bayern bekommen. Ein Selbstläufer wird das offenbar nicht: Erste Investoren fordern mehr Geld für ihre Aktien, da das Angebot nur zehn Prozent über dem letzten Börsenkurs vor der Ankündigung liegt. "Ich glaube, dass unser Angebot sehr gut und für die Investoren attraktiv ist", sagt Doris Hsu. Das klingt nicht so, als würde man planen, hier noch mal nachzubessern. Die Hälfte der 65 Prozent hat das Unternehmen aus Taiwan bereits sicher: Großaktionär Wacker Chemie will seine 30,8-Prozent-Beteiligung für etwa 1,2 Milliarden Euro an Global Wafers verkaufen, das Unternehmen sieht längst keinen strategischen Sinn mehr darin, an Siltronic festzuhalten und will einen Schlussstrich ziehen. Dazu passt, dass Konzernchef Rudolf Staudigl im kommenden Jahr abtritt, Nachfolger wird Vorstandsmitglied Christian Hartel. Anders bei Siltronic: Christoph von Plotho soll bis Ende 2023 bleiben und zusammen mit Finanzvorstand Rainer Irle in das Management von Global Wafers einziehen. Der Vertrag des 65-jährigen wurde vom Aufsichtsrat noch einmal um zwei Jahre verlängert.

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