Chipindustrie:"Wir brauchen Halbleiter, sehr viele Halbleiter"

Chipindustrie: Die Hand an der Schaufel (von links nach rechts): Ministerpräsident Michael Kretschmer, Ursula von der Leyen, EU- Kommissionspräsidentin, Jochen Hanebeck, Vorstandsvorsitzender von Infineon, Bundeskanzler Olaf Scholz und Dirk Hilbert Oberbürgermeister der Stadt Dresden.

Die Hand an der Schaufel (von links nach rechts): Ministerpräsident Michael Kretschmer, Ursula von der Leyen, EU- Kommissionspräsidentin, Jochen Hanebeck, Vorstandsvorsitzender von Infineon, Bundeskanzler Olaf Scholz und Dirk Hilbert Oberbürgermeister der Stadt Dresden.

(Foto: Robert Michael/dpa)

Der Chipkonzern Infineon baut für fünf Milliarden Euro sein Werk in Dresden aus. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Kanzler Scholz erklären das zu einem wichtigen Beitrag zur Energiewende.

Von Iris Mayer, Dresden

Für Infineon ist es die größte Einzelinvestition der Firmengeschichte, für die EU soll es der Beginn einer Aufholjagd werden - und selbst für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war es eine Gelegenheit für wegweisende Worte. Im Rahmen des Möglichen jedenfalls. Der Spatenstich für die neue Infineon-Chipfabrik in Dresden ist ein Meilenstein für die deutsche Halbleiterindustrie und entsprechend groß war der Auflauf, der dafür am Dienstag veranstaltet wurde. Neben dem Kanzler war aus Brüssel EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angereist, sie sagte: "Wir brauchen mehr solcher Projekte bei uns in Europa, weil der Bedarf an Mikrochips weiter rasant steigt."

Fünf Milliarden Euro investiert Infineon in den Bau, es ist die vierte und größte Fabrik, die das Münchner Tech-Unternehmen in Dresden baut. Eine Milliarde Euro Fördergeld will Infineon dafür, so kündigte es Konzernchef Jochen Hanebeck schon im Februar an. Möglich wird das durch den "European Chips Act", mit dem sich Europa unabhängiger machen will von Asien und den USA. Die EU will die Produktion von Halbleitern in Europa binnen 20 Jahren verdoppeln. Hanebeck sagte am Dienstag: "Wir machen Tempo für die grüne und digitale Transformation." Der globale Halbleiterbedarf werde angesichts der hohen Nachfrage nach erneuerbaren Energien, Rechenzentren und Elektromobilität stark und anhaltend wachsen.

Chipindustrie: So soll sie aussehen, die neue Fabrik, im Vordergrund mit dem dunklen Dach.

So soll sie aussehen, die neue Fabrik, im Vordergrund mit dem dunklen Dach.

(Foto: JENS SCHLUETER/AFP)

Um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Chipindustrie gegenüber den USA und Asien zu stärken und bei der Ansiedlung neuer Halbleiterfabriken zu helfen, hat die EU ein 43 Milliarden Euro schweres Paket aufgelegt. Von der Leyen sagte am Dienstag, man brauche mehr Massenproduktion von Halbleitern in Europa. Die Herstellung von Chips sei ein unverzichtbares Bauteil für die grüne und nachhaltige Zukunft: "Dresden ist ohne Zweifel ein digitaler Leuchtturm in Europa."

Nicht nur in Sachsen werden schwindelerregende Beträge investiert. Intel will für 17 Milliarden Euro eine Halbleiteiterfabrik in Magdeburg bauen, und gerade erst hat der US-Konzern Wolfspeed entschieden, für drei Milliarden Euro eine Chipfabrik im Saarland zu errichten. Und auch Taiwans größter Chipkonzern TSMC soll Interesse haben an Dresden.

Bauteile für die Energiewende

Chips seien die Grundlage aller wesentlichen Transformationstechnologien - vom Windpark bis zur Ladesäule, sagte Scholz, bevor er gemeinsam mit von der Leyen, Hanebeck, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Dresdens OB Dirk Hilbert einen silbernen Infineon-Spaten auf einem Bühnenpodest in einem eigens dafür errichteten Zelt ansetzte. Die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft sei die zentrale Aufgabe der kommenden Jahre, sagte Scholz. "Wir brauchen Halbleiter, sehr viele Halbleiter, Halbleiter und nochmals Halbleiter."

In Dresden sollen in der "Smart Power Fab", wie Infineon das neue Werk schwungvoll betitelt, von 2026 an Chips gefertigt werden, die Elektroautos antreiben, Rechenzentren effizienter machen und die Erzeugung erneuerbarer Energien verbessern. 1000 neue Arbeitsplätze sollen entstehen, Dresden als wichtigster europäischer Halbleiterstandort langfristig gestärkt werden. "Die Investition von Infineon stärkt Europa, Deutschland", sagte Kretschmer, "Europa ist zurück im Wettbewerb um die Zukunft."

Im "Silicon Saxony" gibt es bereits rund 73 500 gut bezahlte Jobs

Im "Silicon Saxony", einem Cluster von Mikroelektronikherstellern im Norden von Dresden, ist Infineon nur ein Player - insgesamt haben sich 2500 Unternehmen angesiedelt, darunter auch Namen wie Globalfoundries und Bosch. Der Zulieferkonzern hatte im vergangenen Jahr ebenfalls Milliardeninvestitionen ins Halbleitergeschäft angekündigt, in Reutlingen und Dresden sollen neue Entwicklungszentren entstehen. Laut dem Branchennetzwerk Silicon Saxony ist der Raum Dresden der größte europäische Standort für Mikroelektronik sowie Informations- und Kommunikationstechnologie. In der Branche arbeiten im Großraum Dresden 73 500 gut bezahlte Beschäftigte, bis 2030 sollen es 100 000 sein.

Chipindustrie: Mitarbeiterinnen des Chipkonzerns Infineon im Reinraum der Chipfabrik.

Mitarbeiterinnen des Chipkonzerns Infineon im Reinraum der Chipfabrik.

(Foto: Robert Michael/dpa)

Infineon und Dresden, das sei eine "ganz besondere Erfolgsgeschichte", sagte Scholz. Sachsen sei das Paradebeispiel für eine Reindustrialisierung, jeder dritte in Europa produzierte Chip werde hier hergestellt: "Schaut hierher nach Dresden, hier entsteht Deutschlands Zukunft."

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte im Februar die Genehmigung für einen vorzeitigen Projektbeginn erteilt. Damit konnten die Arbeiten beginnen, bevor die EU-Kommission über die beihilferechtliche Prüfung entscheidet. Infineon-Chef Hanebeck wies bei der Bekanntgabe der Pläne auf einen wachsenden Bedarf für Halbleiter hin: "Wir machen gemeinsam Tempo beim Ausbau unserer Fertigung, um von den Wachstumschancen zu profitieren, die uns die Megatrends Dekarbonisierung und Digitalisierung eröffnen." Damit spielte Hanebeck auch auf die schwierige Situation in der Corona-Pandemie an, als Lieferketten unterbrochen waren und Fließbänder auch in Deutschland stillstanden. An der staatlichen Förderung gibt es allerdings auch deutliche Kritik. Der Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, Reint Gropp, hatte zuletzt im Interview mit der SZ kritisiert, der Staat werfe das Geld zum Fenster raus.

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