Haftbedingungen:Neue Vorwürfe von Middelhoff

  • Angeblich soll Middelhoff nach seiner Festnahme im Gerichtssaal gegenüber der Kammer geäußert haben, er denke jetzt an Suizid.
  • Doch diese auch in Medien kolportierte angebliche Äußerung ist nach Behauptungen von Middelhoff nie gefallen.
  • Die Anwälte Middelhoffs haben jetzt in einer Pressemitteilung die Kontrollen Middelhoffs im Gefängnis genauer beschrieben.

Von Hans Leyendecker

Über die äußerst robusten Haftbedingungen im Fall des früheren Spitzenmanagers Thomas Middelhoff ist bundesweit eine Debatte entbrannt und jetzt hat der 61jährige über seine Anwälte einen neuen Beitrag zu dieser Diskussion geleistet. Indirekt wirft Middelhoff einem Richter vor, nicht ganz die Wahrheit gesagt zu haben.

Middelhoff war von Mitte November bis Mitte Dezember, wie berichtet, in seiner Zelle über einen Zeitraum von 28 Tagen in 15-minütigen Intervallen kontrolliert worden, weil angeblich bei ihm Suizidgefahr bestand.

Die laufende Überwachung war durch den Vorsitzenden Richter jener Essener Strafkammer angeregt worden, die Middelhoff in einem brettharten Urteil zu drei Jahren Haft verurteilt hatte. Angeblich soll, wie nordrhein-westfälische Justizkreise kolportieren, Middelhoff nach seiner Festnahme im Gerichtssaal gegenüber der Kammer geäußert haben, er denke jetzt an Suizid.

Arzt gab Entwarnung

Diese auch in Medien kolportierte angebliche Äußerung ist nach Behauptungen von Middelhoff nie gefallen. Seine Anwälte erklärten am Montag in einer Pressemitteilung, der 61-jährige Middelhoff habe auf die Frage eines Richters nach Suizidgefahr lediglich erklärt: "Mein Bruder hat Selbstmord begangen, um mich müssen Sie sich keine Sorgen machen." Dazu passt jedenfalls, dass Middelhoff nach der Einlieferung in die Justizvollzugsanstalt einem Arzt bei der Eingangsuntersuchung erklärte, er denke nicht an Suizid.

Der Arzt hatte damals notiert: "Depressionen oder Suizidgefahr verneint"-"Allgemeinzustand gut". Es gebe "keinen Anh. für depr. oder suizid. Syndrom".

Dennoch war am Tag darauf von der Leitung der JVA eine laufende Überwachung Middelhoffs wegen angeblicher Suizidgefahr angeordnet worden.

Nach Darstellung seiner Anwälte in einem an das Oberlandesgericht Hamm adressierten Schriftsatz wurde Middelhoff dadurch "einem permanenten Schlafentzug über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen" ausgesetzt. Er sei nachts jede Viertelstunde geweckt worden. "Ohne eine abschließende Wertung über die Kausalität treffen zu können", so die Anwälte, liege es "nahe", dass eine in der Haft aufgetretene seltene Autoimmunkrankheit in Zusammenhang mit dem "massiven Schlafentzug" stehen könne.

Schwerkranker Mann

Fest steht: Middelhoff ist nach gut fünf Monaten Haft ein schwerkranker Mann. Unklar bleibt, ob es den Zusammenhang wirklich gibt.

Auf die Behauptung, Middelhoff sei nachts jede Viertelstunde geweckt worden, hatte das NRW-Justizministerium öffentlich mit dem Hinweis reagiert, in der fraglichen Zeit habe "kein Bediensteter" zwischen 22 Uhr und 6 Uhr den Haftraum betreten. Das gehe aus dem so genannten Meldebuch der Justizvollzugsanstalt hervor.

War die Middelhoff-Darstellung also übertrieben oder falsch - wie manche der Darstellungen des Ex-Top-Managers in seinem Prozess offenbar nicht ganz der Wahrheit enstprachen?

Die Anwälte Middelhoffs beschrieben am Montag in einer Pressemitteilung die Kontrollen genauer.

Die Vollzugsbeamten hätten alle 15 Minuten eine Sichtluke geöffnet und das grelle Neonlicht angeschaltet. Bei jeder Kontrolle habe Middelhoff ein "Lebenszeichen" abgeben müssen. Entweder sei dies das "Heben des Kopfes oder eines Armes" gewesen oder es sei gerufen worden: "Erfolgte in Einzelfällen keine Reaktion von Middelhoff wurde der Haftraum durch einen Vollzugsbeamen betreten. Middelhoff "war also entweder über Stunden oder in 15minütigen Abständen wach".

Das NRW-Justizministerium erklärte dazu, es müsse jetzt geprüft werden, ob die Behauptungen Middelhoffs zuträfen. Man gehe aber weiterhin davon aus, dass die Eintragungen im Meldebuch korrekt seien.

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