Süddeutsche Zeitung

Mietrecht:Wann ein Härtefall den Vermieter stoppt

  • Nach einer Modernisierung darf ein Vermieter die Miete erhöhen - außer, es liegt ein Härtefall vor.
  • Wenn ein Mensch seit mehr als fünfeinhalb Jahrzehnten in der gleichen Wohnung lebt, kann das ein solcher Fall sein, hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

In den Ohren der Mieter klingt Modernisierung - eigentlich ein positiver Begriff - inzwischen eher nach einer Drohung. Wenn der Vermieter das Haus auf Vordermann bringen will, dann geht das meist mit einer Mieterhöhung einher; acht Prozent der Kosten dürfen auf die Miete umgelegt werden. Um soziale Notfälle zu verhindern, enthält das Bürgerliche Gesetzbuch aber eine Härtefallklausel. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei wichtigen Punkten über deren Voraussetzungen entschieden. Beide sind zugunsten der Mieter ausgefallen.

Der Fall illustriert, wie existenziell so eine Modernisierung sich für den Betroffenen auswirken kann. Der Mieter, ein Hartz-IV-Empfänger Mitte 60, wohnt seit seinem fünften Lebensjahr in einer 86 Quadratmeter großen Berliner Wohnung. Früher mit den Eltern, nun ist nur noch er übrig in den drei Zimmern in einem Mehrfamilienhaus von 1929. Seit Mitte 2016 zahlt er gut 570 Euro kalt plus 90 Euro Heizkostenvorschuss. Das ist mehr als die rund 460 Euro, die ihm der Staat für die Wohnkosten überweist. Sein Vermieter wollte nun Nägel mit Köpfen machen. Die Balkone wurden vergrößert, Außenwände und Geschossdecken gedämmt und der stillgelegte Fahrstuhl wieder in Betrieb genommen. Das sollte sich pro Monat auf einen saftigen Zuschlag von 240 Euro summieren. Für den Hartz-IV-Empfänger wäre das vermutlich nach fast sechs Jahrzehnten das Ende in der Elternwohnung gewesen.

Das Landgericht Berlin hatte dem Vermieter nur gut vier Euro zugestanden. Der BGH hat das Urteil zwar aufgehoben, aber im zentralen Punkt sieht er die Sache wie das Landgericht: Allein der Umstand, dass die Wohnung für eine Person etwas groß anmutet, spricht noch nicht gegen einen Härtefall. Der Anwalt des Vermieters, Wendt Nasall, hatte auf öffentliche Fördervorschriften verwiesen, wonach dem Mieter nur 50 Quadratmeter zugestanden hätten.

Ein Zimmer untervermieten? Da wäre dem Mann nur die Unterstützung gekürzt worden

Der BGH indes machte deutlich, dass man nicht schematisch nach der Quadratmeterzahl gehen dürfe. Entscheidend sei vielmehr eine umfassende Abwägung: Der Vermieter wolle seine Kosten refinanzieren, der Mieter seinen Lebensmittelpunkt behalten. Ausschlaggebend war laut BGH, dass der Mann bereits seit gut fünfeinhalb Jahrzehnten in der Wohnung lebt. Die Idee des Anwalts, der Mann hätte doch ein Zimmer untervermieten können, fand der achte Zivilsenat abwegig.

Umstritten war zudem, was eigentlich mit der Wärmedämmung ist. Ein Härtefall, so steht es im Gesetz, kommt von vornherein nicht in Betracht, wenn es nur um Modernisierungen geht, zu denen der Vermieter gezwungen ist. Bei der Fassadendämmung ist dies aber nur halb der Fall: Wer seinen Außenputz erneuert, der muss auch dämmen - aber wann der Hauseigentümer neu verputzen lässt, ist seine Sache. Zur Wärmedämmung ist der Hauseigentümer also laut BGH nicht gezwungen; wenn die dadurch verursachten Kosten zu gravierend für den Mieter sind, dann greift auch hier die Härtefallklausel. Nur wenn der Putz wirklich schon bröckelt und die Fassade Risse bekommt, darf der Vermieter auf Kosten des eigentlich überforderten Mieters modernisieren.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2019
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