Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck hat einen Vorschlag gemacht, wie sich die steigenden Krankenversicherungsbeiträge abfedern ließen - und damit viel Wirbel ausgelöst. Er will künftig auch Einkünfte aus Kapitalerträgen für die Finanzierung der gesetzlichen Kassen heranziehen. „Wir würden gern die Beitragsgrundlage erhöhen“, sagte Habeck am Sonntagabend in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin. Er kritisierte, dass Kapitalerträge aktuell von Sozialversicherungsbeiträgen freigestellt seien. Arbeitslöhne würden dadurch stärker belastet als Kapitalerträge. „Deswegen schlagen wir vor, dass wir auch diese Einkommensquellen sozialversicherungspflichtig machen“, sagte er.
Der Gedanke reichte aus, um bei Verbänden alte Wunden aufzureißen - und die politische Konkurrenz auf den Plan zu rufen. Was Habeck nämlich nicht sagte: Wer von dieser Änderung betroffen sein soll. „Nach dem Heizungshammer wäre das die zweite Atombombe für unser Land. Habeck will die Sparer enteignen“, polterte der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler in der Bild-Zeitung. „Sein Anschlag auf die Sparkultur würde den Gering- und Durchschnittsverdienern einen Großteil ihrer Kapitalerträge wegnehmen. Der Weg in die Altersarmut wäre damit vorprogrammiert.“
Auch die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) warnte, ein solcher Schritt würde vor allem die Mittelschicht belasten. Potenziell müssten Pflichtversicherte dann bis zur Beitragsbemessungsgrenze Beiträge auf Kapitalerträge zahlen. „Millionäre und Milliardäre würde dies nicht treffen, da die Krankenversicherungsbeiträge eben durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind“, sagte der SdK-Vorstandschef Daniel Bauer.
Dabei hatte Habeck genau die im Sinn - und nicht den klassischen ETF-Sparer, wie Grünen-Chef Felix Banaszak am Montagmittag eilig klarstellte, 20 Stunden nach Habecks ursprünglicher Aussage. „Für Kleinsparer ändert sich nichts“, versprach Banaszak, „Tante Gisela ihr ETF ist nicht betroffen.“ Warum Robert Habeck das am Sonntagabend nicht sofort klarstellte, erklärte er nicht. Es seien jedenfalls „sehr großzügige Freibeträge vorgesehen“. Eine konkrete Zahl nannte Banaszak nicht. Ziel der Idee sei es, diejenigen zu beteiligen, die „wirklich hohe Kapitalerträge haben“ und „sich darüber finanzieren“, sagte er.
Was wären die Alternativen?
Hintergrund des Vorschlags sind die zum Jahreswechsel stark gestiegenen Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung. Der Großteil der 94 Kassen hat den Zusatzbeitrag angehoben. Er liegt im Durchschnitt bei 2,91 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens und kommt auf den Krankenkassenbeitrag von 14,6 Prozent noch oben drauf. Für eine Person mit Durchschnittsgehalt – das waren im vergangenen Jahr 3779 Euro – bedeutet ein Prozent mehr Zusatzbeitrag eine Mehrbelastung von 19 Euro pro Monat.
Eine Möglichkeit, die steigenden Kosten im Gesundheitswesen abzufedern, bestünde darin, die Beitragsbemessungsgrenze zu erhöhen. Diese liegt derzeit bei 5512,50 Bruttogehalt pro Monat. Jeder Euro, der darüber hinaus verdient wird, ist frei von Krankenversicherungsbeiträgen. Würde man die Grenze erhöhen, beträfe das vor allem Vielverdiener.
Eine andere Möglichkeit wäre es, mehr Menschen in die gesetzliche Krankenversicherung zu integrieren. Auch das schwebt den Grünen vor: Die Partei spricht sich in ihrem Wahlprogramm dafür aus, Abgeordnete „und perspektivisch Beamte“ in die gesetzliche Rente zu holen. Auch nicht anderweitig abgesicherte Selbständige wollen die Grünen „unter fairen Bedingungen“ einbeziehen. Aus Sicht der Partei kann das ein „erster Schritt auf dem Weg zu einer Bürgerversicherung“ sein.