Robert Habeck und Christian Lindner:"Europa zahlt den Preis für Deutschlands Abhängigkeit vom russischen Gas"

Lesezeit: 2 Min.

Muss sich in Davos gedulden, bis er drankommt, ist dann aber brutal ehrlich: Robert Habeck. (Foto: Markus Schreiber/AP)

In Davos zeigen Robert Habeck und Christian Lindner Einigkeit - solange es um die Fehler der Vorgänger geht. Der Rest ist Zweikampf.

Von Lisa Nienhaus und Vivien Timmler, Davos

Sie reden kurz nacheinander. Doch Christian Lindner hat nur den kleinen Saal bekommen, Robert Habeck den großen. Was zwar zeigt, wie stark Davos sich an offiziellen Funktionen orientiert. Habeck ist schließlich Vizekanzler. Lindner ist "nur" Finanzminister. Aber es macht die Sache für Habeck nicht leichter. Der große Saal ist ziemlich leer. Im kleinen Saal wirkt es da später weit voller, obwohl auch nicht mehr Menschen da sind.

Zunächst ist Habeck dran. Vierzehn Minuten muss er sich gedulden. Er sitzt ganz außen auf der Bühne, neben ihm Larry Fink, Chef des Vermögensverwalters Blackrock. Wer ganz außen sitzt, kommt häufig zuletzt zu Wort. Und wer neben Larry Fink sitzt, erst recht. Habeck also fokussiert seine Mitdiskutanten, bereit, jederzeit das Wort zu ergreifen. Und endlich darf er auch er seine Meinung sagen zu der Frage, wo es hingeht mit dem Welthandel. "Brauchen wir mehr globalen Handel? Ja, unbedingt", sagt Habeck - aber nicht um jeden Preis. Früher habe es - gerade auch im liberalen Davos - häufig Loblieder auf Freihandel gegeben. Er als Grüner sei da immer skeptisch gewesen. "Wenn wir über Handel sprechen, müssen wir zwingend immer auch über Nachhaltigkeit sprechen", sagt er. Und man müsse die Frage nach den Werten zwingend mitdenken, wenn es darum gehe, mit wem man künftig in welchem Maß handele. Dazu würde man jetzt gern Christian Lindner hören. Doch er ist noch nicht dran.

Habe Europa also zu lange und zu intensiv mit Russland gehandelt, Stichwort Abhängigkeit von russischem Gas, fragt stattdessen der Moderator? Es ist der Moment, in dem Habeck brutal ehrlich wird. "Es war nicht Europa, das abhängig war von russischem Gas. Es war Deutschland", sagt er. Wenn man zurückschaue, sei schwierig zu verstehen, wie das habe passieren können. "Europa zahlt den Preis für Deutschlands Abhängigkeit vom russischen Gas."

Doch Habeck vergisst nicht zu loben, was Deutschland in den vergangenen Monaten erreicht habe. Zu 90 Prozent gefüllte Gasspeicher Mitte Januar, drei LNG-Terminals in nur zehn Monaten: Das sei eine enorme Leistung.

Christian Lindner macht kurz darauf im kleinen Saal den gleichen Punkt. Er sitzt auf einem Podium mit Gita Gopinath vom Internationalen Währungsfonds, Alan Jope, dem Chef von Unilever, und der Professorin Laura D'Andrea Tyson. Lindner kritisiert gleich zu Beginn den großen Fehler seiner Vorgänger und lobt seine Regierung für den schnellen Bau der LNG-Terminals. Aber nach diesem einhelligen Eigenlob geht es ganz anders weiter.

Als das Panel auf sein wahres Thema kommt, Inflation und die Krise der Lebenshaltungskosten, verbreitet Lindner Hoffnung: "Ich erwarte ein Absinken der Inflation." Und kommt dann zu dem, was er hier offenbar wirklich sagen will. "Wir müssen jetzt schon über einen Exit nachdenken", sagt er. Er spricht von den Rettungsprogrammen der Regierung, vom Doppel-Wumms. "Sogar Deutschland hat Budget-Grenzen", sagt Lindner. Außerdem solle man die Inflation nicht weiter antreiben. "Wir müssen die Notenbanken jetzt ihre Arbeit machen lassen." Lindner erklärt, er gehe auch wegen der sinkenden Energiepreise davon aus, dass das Rettungsprogramm nicht komplett ausgenutzt werde. "Wir werden die 200 Milliarden Euro nicht brauchen, und das sind gute Nachrichten", sagt er. Zu gern hätte man dazu auch Robert Habeck gehört.

Und dann schaltete sich Gita Gopinath ein mit einer Verteidigung des Freihandels, den Habeck vorhin noch so skeptisch betrachtet hatte. Der globale Handel habe über Jahre die Preise niedrig gehalten. Wenn man das jetzt zurückdreht? "Das ist das perfekte Rezept dafür, dass wir noch sehr lange mit hoher Inflation leben." Lindner stimmt ihr zu und sorgt sich wegen der Fragmentierung der Weltwirtschaft. "Wir brauchen keinen Handelskrieg, aber Handelsdiplomatie", sagt er. Was immerhin ein wenig näher an Habeck klingt als es bei Gopinath zu hören war.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMitbestimmung
:Warum es bei Sixt jetzt doch keinen Betriebsrat gibt

Der Autoverleiher musste drei gekündigte Mitarbeiterinnen nach einem Gerichtsentscheid wieder einstellen. Eigentlich wollten sie den ersten Betriebsrat der Firma gründen - doch es kam anders.

Von Dieter Sürig

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: