Süddeutsche Zeitung

Guttenberg:"Schwarz-Grün lässt sich nicht ausschließen"

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Wirtschaftsminister Guttenberg über den Einstieg in neue Koalitionen, das Stigma Insolvenz und parteitaktische Spielchen.

C. Hulverscheidt u. T. Öchsner

Seit 130 Tagen ist Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Amt. Er hält schwarz-grüne Koalitionen im Bund langfristig für möglich und lehnt den Bau neuer Atomkraftwerke ab.

SZ: Herr zu Guttenberg, wie fühlt man sich als Buhmann von SPD und Gewerkschaften?

Guttenberg: (lacht) Es gibt Schlimmeres, als der Buhmann der SPD zu sein. Ich nehme das als jemand, der bei sich selbst zunehmend Gelassenheit und Humor entdeckt.

SZ: Und der " Baron aus Bayern", den der frühere Kanzler Gerhard Schröder geprägt hat, ärgert Sie nicht?

Guttenberg: Auch darüber kann ich nur schallend lachen. Das ist wohl ein Ausdruck dessen, dass sich Herr Schröder zugegebenermaßen lange Namen nicht merken kann.

SZ: Kritiker werfen Ihnen vor, Sie redeten zu viel und seien manchmal zu geschwätzig.

Guttenberg: Ich glaube, dass es in der jetzigen Phase unbedingt nötig ist, den Menschen die Krise zu erklären und deutlich zu machen, welche Rezepte die Regierung dagegen hat. Man muss deshalb bestimmte Kernbotschaften immer wieder wiederholen. Ich habe nicht den Eindruck, dass das der Bevölkerung unangenehm aufgestoßen ist.

SZ: Haben Sie vielleicht das Wort Insolvenz in letzter Zeit ein bisschen zu häufig in den Mund genommen?

Guttenberg: Ich hätte es dann zu oft in den Mund genommen, wenn ich es nicht erklärt hatte. Für viele Menschen ist Insolvenz ein stigmatisierter Begriff - zu Unrecht, denn allein mit einer Pleite hat unser Insolvenzverfahren längst nichts mehr zu tun. Mir ist natürlich dennoch bewusst, dass dieser Begriff häufig Ängste und Sorgen auslöst. Umso wichtiger ist es, die Chancen zu betonen, die in dem Instrument der Insolvenz liegen. Wahrheiten auszusprechen, ist manchmal unbequem.

SZ: War nicht von Anfang an klar, dass Opel kurz vor der Bundestagswahl zunächst einmal mit Steuergeld gerettet wird? Haben Sie den ordnungspolitischen Wachhund nur gespielt?

Guttenberg: Nein, es wäre völlig unverantwortlich, wenn man auf dem Rücken der Betroffenen parteitaktische Spielchen inszenieren würde. Es ist richtig, dass es zwischen den anderen Mitgliedern der Bundesregierung und mir unterschiedliche Sichtweisen gab. Und es ist auch richtig, diese nach außen zu kommunizieren. Solche Situationen kann es durchaus geben, schließlich handelt es sich um eine unglaublich komplexe Entscheidung, bei der das Pendel mit guten Argumenten in jede Richtung schlagen kann.

SZ: Haben Sie nun mit Rücktritt gedroht oder nicht?

Guttenberg: Ich berichte nicht aus vertraulichen Gesprächen.

SZ: Haben Sie an Rücktritt gedacht?

Guttenberg: Auch Gedanken können Gegenstand von Gesprächen sein.

SZ: Sie hatten vor der Opel-Entscheidung gesagt, Sie ließen sich nicht "unterbuttern". Genau das ist passiert. Wäre es nicht konsequent gewesen, wenn Sie zurückgetreten wären?

Guttenberg: Wäre es nicht weiter wichtig, dass es eine ordnungspolitische Stimme in dieser Regierung gibt, die sich bei ähnlich gelagerten Fällen zu Wort meldet?

SZ: Die Union setzt derzeit auf die Strategie der kalkulierten Vielzüngigkeit: Kanzlerin Angela Merkel hält sich raus, Ihr Parteichef Horst Seehofer darf für Staatshilfen kämpfen, und Sie sollen als Ordnungspolitiker die Abwanderung in Richtung FDP zu stoppen.

Guttenberg: Da muss ich Ihnen widersprechen. Ich sehe ein hohes Höchstmaß an Einigkeit. Wir behalten alle in einer Zeit, in der der Ruf nach Staatshilfen laut und umfassend erschallt, den Maßstab des vernünftigen Umgangs mit Steuermitteln im Blick.

SZ: Wie geht es nun mit Opel weiter? Kann es sein, dass der Autozulieferer Magna doch noch abspringt und ein anderer Investor zum Zuge kommt?

Guttenberg: Verhandlungen zwischen zwei Unternehmen, hier dem Opel-Mutterkonzern General Motors und Magna, können gelingen oder scheitern. Wir setzen alles daran, dass es einen Erfolg gibt und dass das Geld aus Brückenfinanzierungen und späteren Darlehen später wieder das glückliche Gesicht des Steuerzahlers sehen wird. Aber sollten die Verhandlungen scheitern, muss es noch Alternativen geben. Deshalb halte ich die Gespräche mit anderen Interessenten aufrecht.

SZ: Dem Deutschlandfonds der Bundesregierung liegen mehr als 1300 Rettungsanträge von Unternehmen vor. Wie wollen Sie es schaffen, dass nur denen geholfen wird, die wegen der aktuellen Finanzkrise in Not geraten sind?

Guttenberg: Wir haben dafür ganz klar formulierte und überprüfbare Kriterien. Es lässt sich sehr wohl feststellen, ob jemand die Krise nutzt, um eigenes fehlerhaftes Managementverhalten zu kaschieren, oder plausible Zahlen vorlegt, die eindeutig beweisen, dass das Unternehmen krisenbedingt in Schwierigkeiten geraten ist und gute Chancen hat, auch nach der Krise zu überleben. Mir ist besonders wichtig, dass es zu 90 Prozent mittelständische Firmen sind, die den Deutschlandfonds nutzen.

SZ: Sie sagen, Sie machen keinen Wahlkampf mit Heilsversprechen. Gleichzeitig verspricht die Union Steuersenkungen. Wie passt das zusammen?

Guttenberg: Wir haben uns ja nicht auf ein bestimmtes Jahr festgelegt, aber wir wollen die Chance zu Entlastungen nutzen, wenn dies machbar ist. Erste Priorität hat für mich die Bekämpfung der heimlichen Steuererhöhung durch die sogenannte kalte Progression.

SZ: Wie wollen Sie Steuersenkungen denn finanzieren, ohne die dramatisch steigende Neuverschuldung noch weiter zu erhöhen?

Guttenberg: Wir dürfen uns nicht an kommenden Generationen versündigen. Deswegen müssen wir im Rahmen des haushaltspolitisch Verantwortbaren bleiben. Das bedeutet, dass wir zusätzliches Wachstum, das wir ab nächstem Jahr hoffentlich wieder haben werden, sowohl zur Schuldentilgung, als auch zur Entlastung der Bürger nutzen wollen.

SZ: Wollen Sie das Steuersystem ökologisch umbauen? Ihr Parteichef Seehofer sagt: "Die CSU soll so grün wie möglich werden."

Guttenberg: Der Respekt vor der Schöpfung auch im Sinne der folgenden Generationen ist für mich ein Kernelement konservativer Politik. Das ist natürlich nicht nur eine Frage der Steuersystematik. Ich habe sehr viel Sympathie dafür, dass wir auch die Wirtschaftspolitik stärker mit ökologischen Themen vernetzen. Ökologie ist nicht als Badeschlappenthema zu begreifen, sondern als wirtschaftliche Chance. Erneuerbare Energien wie Windkraft, Solarenergie und Biomasse, effiziente Technologien - das sind Industrien, bei denen Deutschland weltweit führend ist; hier wollen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit noch ausbauen. Das ist für mich auch Teil einer modernen Industriepolitik.

SZ: Die grüne Parteiprominenz liebäugelt nach dem Desaster der SPD bei den Europawahlen verstärkt mit schwarz-grünen Koalitionen. Halten Sie solche Bündnisse im Bund oder zum Beispiel in Bayern für möglich?

Guttenberg: Wir sollten im Bund eine bürgerliche Koalition hinbekommen. Diese Frage stellt sich deshalb im Herbst gar nicht. Und in Bayern sollten wir aus unseren Fehlern so gelernt haben, dass wir bald wieder alleine regieren können. Auf ewig ausschließen darf man solche Bündnisse aber nie. Ich glaube allerdings, dass wir da noch viel beweglicher werden müssen.

SZ: Also auch Ihre Partei, die CSU?

Guttenberg: Ich sehe in der grünen Partei eine besondere Notwendigkeit, sich zu bewegen.

SZ: Sie können sich also schwarz-grüne Koalitionen vorstellen?

Guttenberg: Hamburg zeigt, dass sich diese Konstellation nicht ausschließen lässt. Auf Bundesebene wäre allerdings noch eine sehr weite Wegstrecke zu gehen. Das würde im Zweifel Jahre dauern.

SZ: Ist nicht der Atomausstieg ein K.-o.-Kriterium?

Guttenberg: Wir brauchen eine begrenzte Verlängerung der Laufzeiten, bis wir mit vernünftigen Alternativtechnologien wirtschaftlich und klimafreundlich arbeiten können. Dazu gehört auch die Möglichkeit, die bestehenden Atomkraftwerke mit modernsten Technologien auszustatten, um sie noch sicherer und effizienter zu machen. Ich sehe aber keine Notwendigkeit, neue Atomkraftwerke zu bauen.

SZ: Das heißt, Sie haben generell nichts gegen den Atomausstieg, wenn er nur ein paar Jahre später kommt als jetzt vorgesehen?

Guttenberg: Wenn es uns gelingt, schnell genug wirtschaftlich tragfähige Alternativen zu etablieren - nein.

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Quelle:
SZ vom 19.06.2009/mel
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