Gutschein-Markt:Jochen-Schweizer-Gutscheine kommen bald von Pro Sieben

Jochen-Schweizer-Arena München, 2017

Im Windkanal: Jochen Schweizer beim "Body-Flying" in seiner Erlebnisarena in Taufkirchen bei München, die er im März diesen Jahres eröffnet hat. Sein Ziel: mindestens 300 000 Besucher pro Jahr.

(Foto: Claus Schunk)

Weil Amazon und Airbnb in den Markt drängen, verkauft der Abenteuerunternehmer das Herzstück seiner Firma. Allein hätte er auf dem Milliardenmarkt kaum überleben können.

Von Caspar Busse und Ulrich Schäfer

Jochen Schweizer, 59, hat eigentlich keine Zeit, der Hubschrauber wartet, der ihn nach Offenbach bringen soll, am Steuer sitzt sein Sohn. Schweizer, der Vortragsredner, wird dort am Nachmittag vor 1000 Menschen sprechen, es geht um Motivation, um Selbstvertrauen, um das Überwinden von Krisen. Gerade hat er in Taufkirchen, vor den Toren Münchens, seinen 650 Mitarbeitern auf einer Betriebsversammlung erklärt, warum er einen großen Teil seiner Firma an den Fernsehkonzern Pro Sieben Sat 1 verkauft hat, nämlich das Geschäft mit Gutscheinen für Abenteuer aller Art - vom Bungee-Sprung über das Rafting bis hin zu Wellness-Kurztrips.

Es geht um einen Milliardenmarkt, in den inzwischen auch US-Internetkonzerne wie Amazon und Airbnb drängen. Da kann Schweizer, der das Gutschein-Geschäft in Deutschland als Erster groß gemacht hat, auf Dauer nicht allein überleben. Pro Sieben Sat 1, mit seiner Werbemacht im Fernsehen, mit der Möglichkeit, TV-Shows rund um Gutscheine zu erschaffen, kann helfen, gegen die neue Konkurrenten zu bestehen.

So geht es auch bei der Betriebsversammlung in Taufkichen, in der im März errichteten Abenteuer-Arena, in der man auf einer künstlichen Welle surfen oder im Windkanal fliegen kann, um Selbstvertrauen und Motivation, und auch um Krisen. Denn Schweizer, der gelernte Stuntman, der ehemalige Juror der Start-up-Show "Die Höhle der Löwen", musste vor ein paar Wochen im Manager Magazin lesen, er sei ein "Luftikus", trickse bei den Zahlen - ein Bericht, der ihn empört hat.

Zu der Zeit nämlich lagen gleich mehrere Angebote von potenten Käufern auf dem Tisch, die das Gutscheingeschäft seiner weitverzweigten Firmengruppe kaufen wollten. Finanzinvestoren waren dabei, strategische Interessenten, manche wollten weit mehr zahlen als Pro Sieben Sat 1. Doch am Ende entschied sich Schweizer für den Dax-Konzern, weil dieser seit einigen Jahren unter der Marke Mydays ebenfalls Gutscheine verkauft und er in der neuen, gemeinsamen Firma Jochen Schweizer Mydays Holding GmbH weiter dabei sein soll. 90 Prozent der Holding gehören künftig Pro Sieben Sat 1, der Rest Schweizer. Die beiden Marken bleiben.

Schweizer, der einst als Stuntman angefangen hat, sagt, er habe lange mit sich gerungen, er habe, so schreibt er am Mittwoch auch in einem Brief an seine Mitarbeiter, schon vor drei Jahren überlegt, sein Unternehmen an die Börse zu bringen, parallel den Verkauf an einen Finanzinvestor durchgespielt. Aber am Ende habe er sich dann, zum Jahreswechsel, dazu entschieden, seine Firma direkt zu verkaufen, aber lediglich das Gutschein-Geschäft. Alles andere, also die Hubschrauberfirma, den Vertrieb künstlicher Surfwellen und Windkanäle, aber vor allem den Bau weiterer Abenteuer-Arenen wie in Taufkirchen, behält Schweizer in seinem Besitz. "Diese Transaktion gibt mir eine noch größere finanzielle Unabhängigkeit, Projekte zu verwirklichen, die mir am Herzen liegen", sagt er. In Taufkirchen soll ein Hotel entstehen, weitere künstliche Surfwellen eröffnen in Luzern und Berlin.

"Wie bei Media Markt und Saturn"

Pro-Sieben-Sat 1-Chef Thomas Ebeling, 58, kann mit dem Zukauf das Digitalgeschäft weiter stärken und damit die Abhängigkeit vom schwankenden Werbeeinnahmen im Fernsehen reduzieren. Seit Langem investieren die Münchner, kauften zum Beispiel die Online-Partnervermittlung Parship oder das Vergleichsportal Verivox. Aber es geht auch anders: Gerade wurde das Reiseportal Etraveli mit hohem Gewinn für 500 Millionen Euro an den Finanzinvestor CVC verkauft, der Markt erschien nicht mehr attraktiv genug.

Ebeling hat bereits mehrfach betont, weitere, auch deutlich größere Übernahmen zu prüfen, das Kapital dafür steht jedenfalls nach einer Kapitalerhöhung bereit. Die Schweizer-Firma wurde mit 108 Millionen Euro bewertet, teilte der Konzern mit. Jetzt schon macht die Dax-Firma etwa ein Viertel des Umsatzes mit Online-Angeboten. Der Großteil des Gewinns kommt aber noch von den klassischen Fernsehsendern wie Sat 1, Pro Sieben, Kabel 1 oder Sixx. Die große Chance: Pro Sieben Sat 1 mit einem Anteil von etwa 45 Prozent am TV-Werbemarkt kann Marken schnell bekannt machen.

Ebeling betonte, die beiden Marken - Jochen Schweizer und Mydays - ergänzten sich gut. Erstere hat vor allem risikoliebende Männer im Visier, zweitere eher Frauen. Mydays wurde 2003 gegründet und gehört seit 2015 zu Pro Sieben Sat 1. Schweizer, der an diesem Freitag 60 Jahre alt wird, betont, dass das Gutschein-Geschäft weiter ausgebaut werden soll. Es gehe nicht darum, Stellen einzusparen. "Im Grunde ist es wie bei Media-Markt und Saturn: Es gibt einen gemeinsamen Eigentümer, aber die Marken und ihre Teams stehen weiter im Wettbewerb", so Schweizer.

Deshalb sind Schweizer und Pro Sieben Sat 1 auch zuversichtlich, dass das Kartellamt zustimmen wird. Noch steht der Zusammenschluss unter diesem Vorbehalt. Schweizer verweist jedenfalls darauf, dass hier kein Monopol entsteht, sondern andere, sehr viel größere Anbieter tätig sind. Allein Amazon setzt seinen Angaben zufolge in Deutschland eine Milliarde Euro pro Jahr mit Gutscheinen um.

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