Süddeutsche Zeitung

Gutachten:Finanzsteuer könnte 45 Milliarden Euro bringen

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Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Ginge es nur ums Geld, die Sache wäre längst entschieden: Bis zu 45 Milliarden Euro könnte die Bundesregierung jedes Jahr zusätzlich einnehmen, wenn sie sich gemeinsam mit ihren Mitstreitern in Europa endlich dazu entschlösse, eine umfassende Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte einzuführen. Das zeigt ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, das die SPD-Bundestagsfraktion in Auftrag gegeben hat.

45 Milliarden Euro - das entspricht fast 15 Prozent der Gesamtausgaben des Bundes. Frankreich käme auf Mehrerlöse von bis zu 36 Milliarden, Italien auf maximal sechs Milliarden Euro. Es sind Einnahmen, die vor allem die Regierungen in Paris und Rom angesichts ihrer Haushaltsdefizite gut gebrauchen könnten.

Zähe Verhandlungen

Aber leider - oder, je nach Gusto, zum Glück - geht es nicht nur ums Geld, wie die schleppenden Verhandlungen der vergangenen Jahre zeigen. Es geht auch um Standortvorteile, technische Probleme und die schlichte Frage, wie eine Abgabe, die nur in elf EU-Staaten eingeführt wird, aber weltweit wirken soll, überhaupt eingetrieben werden kann. An diesem Dienstag nun haben die Finanzminister aus Deutschland, Italien, Frankreich, Belgien, Estland, Griechenland, Österreich, Portugal, Slowenien, Spanien und der Slowakei am Rande der Sitzung des Ecofin-Rats in Brüssel die nächste Gelegenheit, sich zu beraten.

In der Studie zeigt das DIW auf, mit welchen Erlösen die elf Staaten je nach Gestaltung der Finanztransaktionsteuer (FTT) in etwa rechnen können. Da ist zunächst das Modell der EU-Kommission, das vorsieht, den Anbieter wie den Erwerber einer Aktie oder Anleihe mit einem Steuersatz von je 0,1 Prozent des Kaufpreises zu belegen. Bei Termin-, Tausch- und Optionsgeschäften, sogenannten Derivaten, beträgt der Satz 0,01 Prozent. Ausgenommen sind Bankgeschäfte des täglichen Lebens, also etwa Überweisungen vom Girokonto, die Aufnahme von Krediten, die Emission von Aktien sowie Transaktionen zwischen Lebensversicherungen und ihren Kunden. Geht man davon aus, dass das Handelsvolumen trotz Einführung der Steuer unverändert bleibt, kommt man auf die genannten Maximalerlöse, also im Falle Deutschlands auf knapp 45 Milliarden Euro pro Jahr.

Finanzexperte der SPD: "Sie ist sinnvoll, machbar und überfällig"

Fachleute erwarten allerdings, dass ein Teil des Geschäfts zum Erliegen käme oder in Drittstaaten, etwa nach Großbritannien, verlagert würde. Doch selbst in diesem Fall wären die Einnahmen dem Gutachten zufolge noch beträchtlich: Bei einem 15-prozentigen Rückgang der Wertpapiergeschäfte und einem Einbruch des Derivatehandels um 75 Prozent kämen immer noch fast 19 Milliarden Euro zusammen. "Die Studie zeigt einmal mehr: Wir brauchen eine umfassende Finanztransaktionsteuer", sagte der SPD-Finanzexperte Carsten Sieling der Süddeutschen Zeitung. "Sie ist sinnvoll, machbar und überfällig."

Das sieht man auch andernorts so, dennoch gestalten sich die Gespräche äußerst zäh. Das liegt auch an unterschiedlichen Präferenzen: Während etwa Frankreich die Steuer lange Zeit auf Aktien beschränken und Derivate ausnehmen wollte, hielt man dies in Deutschland für die schlechteste aller Varianten. Schließlich, so das Argument, seien es ja Derivate und nicht Aktien gewesen, die 2008 die Turbulenzen auf dem US-Immobilienmarkt in eine globale Finanzkrise verwandelt hätten.

Immerhin kam zuletzt Bewegung in die Verhandlungen: Unter der Vermittlung Österreichs und Portugals scheinen sich alle Beteiligten auf ein Modell zuzubewegen, bei dem möglichst viele Finanzprodukte einbezogen werden, die Steuersätze dafür aber zumindest vorerst niedriger ausfallen als von der Brüsseler Kommission vorgeschlagen. Laut DIW könnte Deutschland selbst bei einer Halbierung der Sätze auf 0,05 Prozent für Aktien und 0,005 Prozent für Derivate noch mit Erlösen von zehn bis 25 Milliarden Euro rechnen. Selbst bei einer Zehntelung kämen noch 2,3 bis 5,4 Milliarden Euro zusammen.

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Quelle:
SZ vom 09.03.2015
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