Güterstandsschaukel:So funktioniert Winterkorns Steuersparmodell

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Schenkungsteuer gespart: der frühere VW-Chef Winterkorn. (Foto: Rolf Schulten/Bloomberg)
  • Auf den ersten Blick hat das Steuersparmodell ein "Geschmäckle", sagen Anwälte. Doch die sogenannte Güterstandsschaukel ist von Finanzgerichten anerkannt.
  • Das Konstrukt lohnt sich beispielsweise, wenn eine Top-Managerin viele Millionen mehr verdient als ihr Mann.
  • Probleme bei der Anerkennung kann es geben, wenn die Methode offensichtlich nur eingesetzt wird, um Steuern zu sparen.

Von Harald Freiberger, München

Seit dem vergangenen Wochenende ist ein Begriff in der Welt, den viele Steuerzahler noch nie gehört haben: Er heißt "Güterstandsschaukel" und wurde vom früheren VW-Chef Martin Winterkorn offenbar unter anderem genutzt, um beim Übertragen von Vermögen auf seine Ehefrau Schenkungsteuern zu sparen.

In einschlägigen Fachkreisen ist der Begriff sehr wohl bekannt. "Wenn man eine Fortbildung zum Thema Erbrecht besucht, erzählen Dozenten manchmal, dass sie vor allem sehr reiche Leute beraten und dass die Güterstandsschaukel das Erste ist, was sie ihnen empfehlen", sagt Oliver Niekiel, Fachanwalt für Steuer-, Handels- und Gesellschaftsrecht in Nordhorn. Er hat gelegentlich auch eigenen Klienten schon zu der steuerschonenden Methode geraten.

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Die Behörde hat Unterlagen über private Geldflüsse des ehemaligen VW-Chefs verteilt. Sein Anwalt weist den Verdacht zurück, es könnte sich dabei um Steuerhinterziehung handeln und erwägt eine Strafanzeige.

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Erzählt er Laien davon, erntet er manchmal ungläubiges Staunen. "Auf den ersten Blick hat es ein Geschmäckle, es wirkt komisch, dass es funktioniert", sagt Niekiel. Doch das Gesetz und die Steuerverwaltung erkennen diese Möglichkeit der Steuergestaltung grundsätzlich an, und sie wird besonders von vermögenden Personen auch nicht selten genutzt. Obwohl es so aussieht: Der Fiskus wird mit der Güterstandsschaukel nicht verschaukelt.

Trotzdem wirkt es wie ein Trick jenseits der Grenze zum Illegalen. Die Güterstandsschaukel lohnt sich besonders für Eheleute, bei denen einer sehr viel Vermögen hat und der andere eher wenig. Oft ist das bei Managern und Unternehmern der Fall. Haben sie keinen Ehevertrag geschlossen, leben sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Und der bringt eine Reihe von Nachteilen mit sich, wenn sich im Lauf der Jahre viel Geld ansammelt.

Ein Beispiel: Nach 30 Ehejahren hat eine Top-Managerin ein Vermögen von fünf Millionen Euro angesammelt. Ihr Mann hat es mit seinem weniger gut dotierten Job auf eine Million Euro gebracht. Es gibt einige Gründe, den Zugewinn in späteren Jahren auszugleichen. Einer davon kann es sein, den Mann für seine Solidarität zu belohnen, ein anderer, das Haftungsrisiko für die Frau zu verringern: Als Top-Managerin haftet sie nämlich mit ihrem kompletten Vermögen, sofern ein Schaden eine etwaige Manager-Haftpflichtversicherung übersteigt.

Außerdem können dann beide Eheleute leichter steuerfrei Geld an Kinder verschenken, weil jeder einen eigenen Freibetrag hat. Und zur Not lassen sich Pflichtteil-Ansprüche von Kindern verringern.

Oft übertragen Manager Vermögen auf ihre Frau, um nicht mit so viel Geld haften zu müssen

Um das Vermögen auszugleichen, könnte die Frau dem Mann nun zwei Millionen Euro schenken, dann hätten beide je drei Millionen. Allerdings würde dabei eine Schenkungsteuer von 285 000 Euro fällig. Es gibt einen Weg, die Schenkungsteuer zu vermeiden, auf ihn sind findige Steuerberater schon vor vielen Jahren gekommen - eben die Güterstandsschaukel.

Wechselt das Ehepaar, notariell beurkundet, vom Güterstand der Zugewinngemeinschaft in den der Gütertrennung, wird das Vermögen automatisch ausgeglichen, und zwar ohne Schenkungsteuer. Denn rechtlich handelt es sich dabei nicht um eine Schenkung, sondern um ein steuerfreies Entgelt.

Nachdem das Vermögen ausgeglichen worden ist, folgt der Wechsel zurück in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft, die aus einer Reihe anderer Gründe für Eheleute die bessere Variante ist. Daher auch der Name Schaukel: Die Eheleute schaukeln erst von einem Güterstand in den anderen nach vorn und dann wieder zurück.

So trickreich die Methode aussieht, die Finanzgerichte haben sie dennoch anerkannt. Denn grundsätzlich hat jedes Ehepaar die Möglichkeit, seinen Güterstand frei zu wählen und zu ändern. Der Bundesfinanzhof entschied 2005, dass die Beendigung eines Güterstandes nicht endgültig sein muss (Az. BFH II R 29/02). Die Eheleute dürfen also wieder zurückschaukeln.

Seit diesem Urteil machen besonders Vermögende davon rege Gebrauch. "Es handelt sich um eine viel genutzte steuer- und erbrechtliche Gestaltung, die legal ist", sagt Fachanwalt Niekiel.

Auch bei Winterkorn könnte die Haftungsfrage ein wichtiger Grund gewesen sein

Probleme bei der Anerkennung könne es aber dann geben, wenn die Methode offensichtlich allein eingesetzt wird, um Steuern zu sparen. Die Finanzbehörden könnten dann auf eine missbräuchliche Steuergestaltung erkennen. Deshalb sei es von Vorteil, wenn das Ehepaar glaubhaft auch andere Gründe für seinen Schritt anführen kann, zum Beispiel das Motiv der Haftung.

Auch im Fall Winterkorn könnte die Haftungsfrage ein wichtiger Grund gewesen sein: Mit dem Vermögen, das er auf seine Frau übertragen hat, muss er nicht mehr persönlich haften. Wichtig dürfte sein, dass er die Güterstandsschaukel schon vor 2015 nutzte, als der Diesel-Skandal herauskam. Auch bei anderen Managern ist die Haftungsfrage oft der Grund für das Schaukeln mit dem Fiskus. "Ich habe das schon für viele Vorstände von Unternehmen gemacht", erzählt ein Münchner Fachanwalt.

© SZ vom 31.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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