Günther Oettinger:S-Klasse und Frieden

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Der EU-Kommissar will nicht nur witzig, sondern vor allem kompetent wirken. Schließlich will er Vize-Präsident der EU-Kommission werden.

Von Cerstin Gammelin

Es gibt Politiker, die erscheinen vor allem dann glaubwürdig, wenn sie sich nicht an Konventionen halten. Wenn sie, wie Günther Oettinger zu sagen pflegt, frei von der Leber weg reden. Der CDU-Politiker kennt sich aus, er ist gewissermaßen der Prototyp des deutschen Politikers, der ungeniert über Chinesen, Wallonen oder Homosexuelle witzelt - wenn es den Zuhörern nur Applaus entlocken könnte. An diesem Samstag aber, da war der vor mehr als sieben Jahren nach Brüssel weggelobte EU-Kommissar kaum wieder zu erkennen.

Oettinger sprach auf dem Wirtschaftskongress der SZ über Europa und die Verantwortung der Bundesregierung, für das europäische Projekt zu werben. "Wir exportieren nicht nur S-Klasse, sondern auch Frieden", mahnte er. Über zwanzig Minuten hinweg war der frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg sichtlich bemüht, vor allem sachlich und kompetent zu erscheinen. Gut möglich, dass ihm aufgegangen ist, dass seine fortgesetzten Eskapaden ein Ausmaß erreicht haben, das selbst wohlgesonnene Mitstreiter den Kopf schütteln und an ihm zweifeln lässt.

Für Oettinger kommt das zu einem ungünstigen Zeitpunkt - demnächst muss der Kommissar vor dem Europäischen Parlament erscheinen, das ihn befragen und anschließend über seine Beförderung zum Vizepräsidenten der Europäischen Kommission mitentscheiden muss. Selbst in der Europäischen Kommission überlegen die Verantwortlichen, ob es angesagt ist, Oettinger die volle Verantwortung des neuen Amtes zu übertragen. Ursprünglich hatte Kommissionschef Jean-Claude Juncker geplant, dem Deutschen sowohl die Zuständigkeit für die Planung des EU-Haushaltes als auch die Personalverantwortung zu übergeben. Nach Oettingers fortgesetzten Witzeleien, vor allem aber nachdem bekannt wurde, wie selbstverständlich er den Privatjet eines russlandfreundlichen Lobbyisten zur Anreise zum Abendessen mit dem ungarischen Premierminister Viktor Orban genutzt hat, überlegt Juncker, die Personalverantwortung von der für den Haushalt zu trennen - und anderweitig zu vergeben.

Man darf davon ausgehen, dass Oettinger die Degradierung verhindern will. In Berlin jedenfalls war er bemüht, seine Erfahrungen als europäischer Politiker in die deutschen Debatten einzubringen. Er forderte die Bundesregierung auf, die Währungsunion zu stärken.

Im Plädoyer für mehr Kooperation in Europa brachte der Schwabe aber schließlich doch noch einen echten Oettinger unter. Europa sei doch weltweit einmalig, andere Kontinente seien weniger vielfältig und hätten es deshalb nicht ganz so schwer. "Nur der australische Kontinent hat mehr Kooperation, und der hat es zwischen den Einheimischen und ihren Kängurus relativ leicht."

Oettinger macht die Affäre um einen Gratis-Flug zu schaffen. (Foto: Johannes Simon)
© SZ vom 21.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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