Reform der Grundsteuer:Wird Wohnen jetzt noch teurer?

Wohnungen in Dresden

Werden die Mieter nun stärker belastet?

(Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Bund und Länder haben sich auf die Eckpunkte der Grundsteuer-Reform geeinigt. Doch wer muss nun zahlen? Und um wie viel Geld geht es? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Thomas Öchsner

Warum wird die Grundsteuer neu berechnet?

Die Grundsteuer ist für Grundeigentum fällig, egal ob es sich um bebaute oder unbebaute Grundstücke handelt. Die Finanzämter legen für die Berechnung der Grundsteuer aber veraltete Werte zugrunde. Im Westen stammen sie aus dem Jahr 1964, im Osten gar von 1935. Eigentlich sollten diese Einheitswerte alle sechs Jahre erneuert werden. Das ist jedoch wegen des großen Aufwands unterblieben. Eigentümer von Immobilien würden durch die alten Werte in gravierendem Ausmaß ungleich behandelt, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Dies verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz im Grundgesetz. Deshalb musste jetzt eine Reform her.

Um wie viel Geld geht es?

Für die Städte und Gemeinden ist die Grundsteuer die drittwichtigste Einnahmequelle. Etwa 14 Milliarden Euro spült die Abgabe jährlich in die kommunalen Kassen, sie deckt damit 15 Prozent der kommunalen Steuereinnahmen. Mit dem Geld aus der Grundsteuer werden also zum Beispiel Schulen saniert, Straßen gebaut oder Schwimmbäder renoviert. Die Kommunen sind auf die Steuer dringend angewiesen. Das verstärkt den Zeitdruck: Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Reform bis Ende 2019 angemahnt, sonst muss die Steuer wegfallen. Das Gesetzgebungsverfahren müsste deshalb wohl bis Ostern starten, um rechtzeitig bis Jahresende fertig zu werden.

Wer zahlt die Grundsteuer?

Die Steuer ist für gut 36 Millionen Grundstücke fällig. 60 Prozent entfallen auf die privaten Haushalte, der Rest auf die Unternehmen, die die Abgabe ebenfalls zahlen müssen. Der Vermieter kann die Grundsteuer für sein Gebäude als Betriebskosten auf die Nebenkosten umlegen. Daher zahlen auch Mieter in Deutschland indirekt Grundsteuer, im Durchschnitt 19 Cent pro Quadratmeter, bei 100 Quadratmetern also 19 Euro im Monat. Im Durchschnitt beläuft sich die Grundsteuer auf 175 Euro im Jahr. Fest steht schon jetzt: Dabei wird es bleiben. SPD, Grüne, Linke und der Deutsche Mieterbund hatten vergeblich verlangt, die Grundsteuer nicht mehr auf Mieter abzuwälzen. Dagegen spricht, dass Vermieter dann versucht sein könnten, die Abgabe sich über eine höhere Kaltmiete zurückzuholen. Gegen die Abschaffung der Umlage auf die Mieter war vor allem die Union. Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) argumentiert: Die Mieter als Nutzer der Immobilie profitieren ja von der kommunalen Infrastruktur.

Wie sieht der gefundene Kompromiss aus?

Die "Eckpunkte für die Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts", auf die sich Bund und Länder geeinigt haben, stehen auf genau einer DIN-A4-Seite (PDF). Es wird also eher eine grobe Richtung vorgegeben. Drei Punkte sollen demnach für die Berechnung der Steuer künftig entscheidend sein:

  • Die Mieten: Finanzminister Scholz wollte zunächst die Berechnung bei den Wohngrundstücken an die individuellen Kaltmieten anknüpfen. Stattdessen sollen nun die durchschnittlichen Nettokaltmieten gestaffelt nach Mietstufen maßgeblich sein, die aus dem Mikrozensus, einer statistischen Erhebung des Statistischen Bundesamtes, abgeleitet werden. Es sind aber Ausnahmen vorgesehen, wenn die tatsächlichen Mieten stark über oder unter diesen Durchschnitt liegen.
  • Die Bodenrichtwerte: "Ausgangspunkt für die Bewertung von Grund und Boden sind die Bodenrichtwerte", heißt es in dem Papier. Diese drücken den Wert der Fläche je Quadratmeter aus. In Bayern werden sie zum Beispiel von den unabhängigen Gutachterausschüssen für Grundstückswerte bei den Landratsämtern und kreisfreien Städten alle zwei Jahre ermittelt. Maßgeblich sind dabei die Preise, die bei Verkäufen in der Umgebung des Grundstücks erzielt werden. Der Vorteil: Diese Werte liegen bereits vor und sind zumindest teilweise im Internet verfügbar. Möglich soll laut dem Eckpunktepapier aber auch sein, bereits bestehende Bodenrichtwertzonen zu noch größeren Zonen, sogenannten Lagen, zusammenzufassen.
  • Das Alter des Gebäudes: Das Baujahr soll für die Entwicklung des Grundstückswertes und damit der Grundsteuer künftig "ein notwendiger Bewertungsparameter" sein, heißt es im Eckpunktepapier. Für Gebäude, die vor 1948 erbaut wurden, genüge aber aus Vereinfachungsgründen "Gebäude erbaut vor 1948". Das soll Steuererklärungen vereinfachen.

Wer hat sich durchgesetzt?

Fachleute diskutierten zuletzt mit zwei Abkürzungen "WUM" und "WAM". "WUM" stand für ein wertunabhängiges Modell, orientiert nur an der Fläche von Gebäuden und Grundstücken, für das sich das Land Bayern zuletzt stark machte. "WAM" für ein wertabhängiges Modell, das Scholz favorisierte, weil er damit die Vorgaben des Verfassungsgerichts für eine zeitgemäße Besteuerung am besten erfüllt sah. Der Finanzminister wollte 36 Millionen Häuser, Wohngebäude und Grundstücke individuell bewerten und aus fünf Faktoren eine individuelle Grundsteuer errechnen lassen: Die jeweilige Nettokaltmiete, Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und Bodenrichtwert. Der Kompromiss ist nun ein abgespecktes "WAM"-Modell, das weniger bürokratisch sein soll als die von Scholz favorisierte Variante.

Ändert sich die Berechnung der Grundsteuer?

Bislang erlassen die Finanzämter für jedes Grundstück einen eigenen individuellen Bescheid. Dafür bestimmen sie den Wert des Objekts, den veralteten Einheitswert anhand Lage, Nutzung und Bebauung des Grundstücks. Daraus wird ein Grundsteuermessbetrag ermittelt, der mit dem jeweiligen Hebesatz der Kommune von mehreren Hundert Prozent multipliziert wird. Die Steuermesszahlen und Hebesätze wird es weiter geben. Jede Kommune wird auch künftig den Hebesatz selbst festlegen können, was Modellrechnungen extrem schwierig macht, weil die Hebesätze so unterschiedlich sind. Gerade Städte in Geldnot haben in den vergangenen Jahren die Hebesätze kräftig erhöht. Nach einer Erhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags gibt es dabei große Unterschiede: In Witten in Nordrhein-Westfalen liegt der Hebesatz bei 910 Prozent, in Ingelheim in Rheinland-Pfalz bei unter 100 Prozent. Die Reform, heißt es in dem Eckpunktepapier, solle aber auf jeden Fall "aufkommensneutral" sein, die Einnahmen der Kommunen aus der Grundsteuer also auf dem bisherigen Niveau etwa bleiben.

Wo könnte es zu Mehrbelastungen kommen?

Vor allem in den gefragten Städten, in denen die Immobilienpreise in den vergangenen zehn Jahren rasant gestiegen sind, könnte die Grundsteuer steigen. Hier könnte die Umlage der Steuer auf Mieter die Nebenkostenabrechnungen erhöhen. Das will aber eigentlich keiner. Scholz setzt deshalb darauf, dass in Städten über den individuellen Hebesatz und die Steuermesszahl dafür gesorgt wird, dass die Belastungen für Mieter nicht zu stark steigen. Auch in besten Lagen soll das Mieten aber nicht deutlich teurer werden, im Bundesfinanzministerium kalkuliert man in Ausnahmefällen mit maximal 65 Euro jährlich. Ob das gelingt, ist eine andere Frage: Florian Toncar, finanzpolitischer Sprecher der FDP, prophezeit schon mal: "Wohnen in den Ballungsräumen wird so noch teurer werden. Das ist ein Schlag ins Kontor für die Mieter in Deutschland."

Wie bewerten Immobilienexperten den Kompromiss?

Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält es für richtig, "den Bodenwert eines Grundstücks zu einer zentralen Grundlage zu machen" Es sei gerecht zu berücksichtigen, "welche Erträge mit dem Grundstück erwirtschaftet werden". Er hält es aber für kontraproduktiv, den Ertrag des Gebäudes in die Bewertung einfließen zu lassen. "Wird der Vorschlag umgesetzt, die Gebäudefläche mit dem regionalen Mietendurchschnitt in die Besteuerung einzubeziehen, wird derjenige bestraft, der das Grundstück nutzt. Das macht den dringend benötigten Neubau von Wohnungen unattraktiver. Stattdessen werden implizit Bodenspekulanten belohnt. Damit wird angesichts der derzeitigen Wohnungsmarktlage eine große Chance vertan", sagt Michelsen. Er spricht sich wie viele andere Ökonomen für eine reine Bodenwertsteuer aus, die mehr Anreize geben würde, Boden effizient zu nutzen.

Was sagen Wohnungswirtschaft und andere Verbände zu dem Kompromiss?

Der Bund der Steuerzahler lehnt das Modell ab. "Wenn diese Reform so kommt, dann wird die Bewertung ungeheuer bürokratisch und teuer. Zudem müssen sich die Gerichte abermals auf viele Streitigkeiten einstellen", sagt Präsident Reiner Holznagel Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, zeigt sich kritisch: "Eine Orientierung an Bodenrichtwerten und Mietkosten führt zu hohen bürokratischen Belastungen bei den Unternehmen, aber auch bei der Finanzverwaltung." Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW warnt vor einer "Bürokratie- und Streitwelle". Er sagte "eine in vielen Fällen starke Kostensteigerung gerade bei preiswert vermieteten Wohnungen in sonst teuren Lagen" voraus. Zustimmung kam hingegen vom Deutschen Städtetag. "Nun kommt eine Korrektur in Sichtweite, damit eine der wichtigsten Steuern der Kommunen in Zukunft wieder verfassungsgemäß erhoben werden kann", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der Deutschen Presse-Agentur. Es sei gerechter, "wenn auch der Wert von Grundstücken und Gebäuden in die Besteuerung einbezogen wird."

Was macht nun die bayerische Staatsregierung?

Andere von der Union geführte Länder haben signalisiert: Für sie ist das Kompromissmodell ein gangbarer Weg. Deshalb wächst der Druck auf Bayern, auch einzulenken. Außerdem gibt es keine Mehrheit für den eigenen Vorschlag, die Steuer nur nach der Fläche zu berechnen. Denn da würde vereinfacht gesagt, die Villa im Zentrum einer Großstadt nach den gleichen Maßstäben besteuert werden wie der Bauernhof auf dem Land. Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) spricht zunächst nur von einer vorsichtigen Annäherung: "Von einer Einigung sind wir aber noch ziemlich weit entfernt."

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