Grundsteuer:Leben im Plattenbau wird teurer

Mietwohnungen in Berlin

Die neue Grundsteuer könnte mehr Bürokratie und höhere Mieten verursachen.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Weil die Grundsteuer nach einem veralteten Verfahren berechnet wird, muss die Bundesregierung ein neues Konzept entwickeln.
  • Die aktuellen Pläne könnten dazu führen, dass die Mieten ausgerechnet in sozialen Brennpunkten steigen. Denn Vermieter dürfen die Grundsteuer auf die Miete umlegen.
  • Für Immobilienbesitzer bedeuten die Pläne wohl mehr Bürokratie, sie sollen eine extra Steuererklärung abgeben.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die deutsche Hauptstadt muss oft herhalten für Superlative, als Partystadt, Venedig an der Spree oder politische Blase. Weniger bekannt ist, dass sie in einem anderen Bereich den Superlativ tatsächlich verdient: bei der Grundsteuer.

Berlin ist die deutsche Kommune, in der es am kompliziertesten ist, die Grundsteuer zu erheben. Es gibt Bezirke wie Friedrichshain-Kreuzberg, wo für Häuser in derselben Straße mit zweierlei Maß gemessen werden muss. Falls das eine Haus vor dem Mauerfall zu Ostberlin gehört hatte, gelten die aus dem Jahr 1935 geltenden Bemessungsgrundlagen für Grund und Boden, die im ehemaligen Ostteil einfach weiter gültig blieben. Im Nachbarhaus, das einst in Westberlin stand, wird mit den Grundstückswerten aus 1964 gerechnet.

"Hochkompliziert" sei das, heißt es in der Senatsverwaltung. Auch die angekündigte Reform der Grundsteuer bereitet Kopfzerbrechen. Denn diese könnte dazu führen, dass die Mieten im Osten Berlins deutlich steigen. Der Gesetzgeber erlaubt, dass die Grundsteuer vollständig auf die Miete umgelegt werden kann. Was zur Folge hätte, dass ausgerechnet in sozialen Brennpunkten wie den Plattenbaugebieten massive Mietsteigerungen anstehen könnten.

Zwar wehrt man sich in der Senatsverwaltung, dass es "einen Automatismus" geben wird, wonach im Osten der Stadt die Grundsteuer deutlich hochgeht, im Westen dagegen nicht. Aber dass es ein Problem geben könnte, ist erkannt.

Die Werte der Grundstücke wurden über 50 Jahre nicht angepasst

Auch im Bundesfinanzministerium ist man sich der möglichen Mietsteigerungen bewusst. Der sozialdemokratische Bundesfinanzminister Olaf Scholz lässt sich ausreichend Spielraum, um exorbitante Mietsteigerungen ausschließen zu können. Die Meinungsbildung darüber, ob im Zuge der Reform der Grundsteuer die vollständige Umlagefähigkeit auf die Miete beibehalten werde, "ist noch nicht abgeschlossen", lässt Scholz eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion beantworten.

Die Bundesregierung muss die Grundsteuer für Immobilien reformieren, da die bisherige Regelung in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom April 2018 als "verfassungswidrig" eingestuft wurde. Die seit mehr als 50 Jahren nicht angepassten Einheitswerte für Grundstücke seien "völlig überholt" und führten zu "gravierenden Ungleichbehandlungen" der Immobilienbesitzer, entschied Karlsruhe. Der Gesetzgeber soll bis Ende 2019 eine Neuregelung schaffen. Verstreicht die Frist, dürften die jetzigen Regeln nicht mehr angewandt werden. Zwar bezieht sich das Urteil nur auf Fälle aus den alten Bundesländern. In den neuen Bundesländern ist die Situation aber vergleichbar.

Auch für die Immobilienbesitzer dürfte sich einiges ändern. Zum einen geht das Bundesfinanzministerium davon aus, dass sie künftig eine zusätzliche Steuererklärung an die Finanzämter abgeben müssen. "Derzeit ist bei allen bekannten Reformmodellen davon auszugehen, dass eine Steuer- oder Feststellungserklärung erforderlich sein wird", sagt Scholz. Wie viel Aufwand auf die Hausbesitzer dadurch zukommt, ist dagegen noch unklar. "Zum Umfang der Erklärungspflicht und zur Abschätzung des Bürokratieaufwandes können gegenwärtig noch keine belastbaren Aussagen getroffen werden."

Behörden können keine Daten austauschen, weil die Software fehlt

Unklar ist auch, wie die Immobilien künftig bewertet werden sollen. Das Bundesverfassungsgericht habe der Bundesregierung "grundsätzlich einen weiten Spielraum" gelassen, zu entscheiden, was genau besteuert werden soll - also nur der Grund und Boden oder auch die Immobilie - und wie die Bewertungsregeln ausgestaltet werden können, sagt Scholz. Vorgeschrieben sei lediglich, dass die Bemessungsgrundlage geeignet sein müsse, "den Belastungsgrad der Grundsteuer zu erfassen und dabei die Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerecht abzubilden".

Hinter der komplizierten Formulierung verbirgt sich die Forderung, dass bei der Bewertung der Immobilien nicht nur die Grundstücksfläche, sondern auch Faktoren wie die Lage, die grundsätzliche Bebauung und auch die Ausstattung der Immobilie maßgeblich sein dürfen. Man sei "nicht verpflichtet, sich auf die Wahl nur eines Maßstabes zur Bemessung der Besteuerungsgrundlage festzulegen".

Aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums geht zudem hervor, dass es mit dem elektronischen Datenaustausch zwischen den Ländern sowie zwischen Bund und Ländern nicht weit her ist. Der Bundesregierung lägen "keine belastbaren Kenntnisse über den automatisierten Datenaustausch vor", sagt Scholz. Der Austausch ist erforderlich, um die für die Bemessung der Grundsteuer erforderlichen Daten zu harmonisieren und digital abrufbar zu machen. Derzeit modernisierten die Länder ihre IT-gestützten Besteuerungsverfahren, so Scholz. Der Bund wirke mit.

Die Grundsteuer wird von den Ländern auf bebaute oder unbebaute Grundstücken erhoben, die nicht der Land- oder Forstwirtschaft zugerechnet werden. Sie deckt etwa zehn Prozent der kommunalen Steuereinnahmen. Die gesamten Einnahmen aus der Grundsteuer lagen 2017 bei knapp 14 Milliarden Euro. Sie wird als Teil der Nebenkosten auf die Miete umgelegt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: