Wohnen:Die Grundsteuer-Reform ist ein fader Kompromiss

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Viele Menschen können es sich nicht mehr leisten, in einer Großstadt zu wohnen. (Foto: lukasbarth.com)

Olaf Scholz verpasst die Chance, Spekulanten stärker einzuschränken. Sinnvoller wäre es, den Boden stärker zu besteuern.

Kommentar von Thomas Öchsner

Mehr als 20 Euro Miete oder 10 000 Euro Kaufpreis pro Quadratmeter - das Wohnen in deutschen Großstädten ist für viele Menschen unbezahlbar geworden. Es gibt ein Grundbedürfnis nach Wohnen, gesichert ist es schon länger nicht mehr. Die hohen Miet- und Immobilienpreise in den Boomregionen haben sich zur bedrückendsten sozialen Frage in Deutschland entwickelt, deren Lösung man nicht allein dem freien Spiel der Marktkräfte, Angebot und Nachfrage, überlassen darf. Bis zur Bundesregierung scheint diese Einsicht aber noch nicht durchgedrungen zu sein. Sonst würde sie jetzt nicht bei der Reform der Grundsteuer die Chance verpassen, Bodenspekulanten stärker im Zaum zu halten.

Die bisherig gültige Grundsteuer auf Eigentum ist antiquiert, sozial ungerecht und verfassungswidrig. Sie lehnt sich an eine Bewertung von Immobilien an, die Jahrzehnte zurückliegt. Die einen zahlen daher zu wenig, die anderen viel zu viel. Die Eckpunkte für eine neue Grundsteuer, die jetzt Bundesfinanzminister Olaf Scholz vorgelegt hat, sind jedoch nicht mehr als ein fader Kompromiss, der möglichst niemandem wehtun soll.

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Scholz versucht eine Gratwanderung. Einerseits will er die Grundsteuer an die Kaltmiete knüpfen. Das liefert zumindest bei Wohnungen mit neuen Mietverträgen ohne neue Prüfverfahren einen einigermaßen realistischen Basiswert für die Besteuerung. Andererseits will der Sozialdemokrat bestimmte Berechnungshebel so verändern, dass gerade in gefragten Gegenden mit hohen Nettokaltmieten die Nebenkosten nicht noch weiter steigen. Das soll Mieter, auf die Vermieter die Grundsteuer umlenken können, weniger belasten.

Dieses Konzept hat zwei große Nachteile: Bei selbst genutzten Immobilien ist der Ertrag hypothetisch zu berechnen, weil ja keine Miete vorliegt. Das wäre ein extrem aufwendiges Verfahren mit viel Streitpotenzial. Außerdem bleibt die Möglichkeit ungenutzt, die Steuer stärker am Wert des Bodens auszurichten. Eine Bodenwertsteuer wäre einen Versuch wert. Aber der vorsichtige Bundesfinanzminister versucht es in vorauseilendem Gehorsam erst gar nicht, weil die Union und die Mehrheit der Länder ohnehin dagegen sein könnten.

Der Staat muss Anreize schaffen, dass Grundstücke bebaut statt gehortet werden

Boden ist nicht beliebig vermehrbar, schon gar nicht in den Großstädten. Exorbitant gestiegen sind deshalb vor allem die Bodenpreise. In München zum Beispiel haben sie sich binnen zehn Jahren verdreifacht, gerade das macht das Wohnen so teuer. Bund, Länder und Kommunen müssen deshalb versuchen, mehr aus dem Boden herauszuholen.

Wer viel gebaut hat, sollte nicht mehr zahlen müssen als der, der nicht gebaut hat. Investoren, die Grundstücke horten, im Vertrauen darauf, sie später für mehr Geld verkaufen zu können und so auf Kosten der Allgemeinheit leistungslos hohe Gewinne einzusacken, darf der Fiskus nicht schonen. Der Staat muss über eine Bodenwertsteuer einen Anreiz bilden, mit dem Land zu arbeiten und nicht zu spekulieren. Machbar wäre dies ziemlich schnell. Die Bodenwerte sind bekannt. Und Härtefälle wie die Oma mit geringem Einkommen auf einem großen Grundstück kann man heraushalten.

Sicher, der Boden wäre auch nach so einer Reform in den Städten weiter knapp. Aber der Staat gibt, wo möglich, einen Anreiz, Quartiere weiter zu verdichten. Die Besteuerung wird gerechter - und auch der Zersiedelung wird entgegengewirkt.

© SZ vom 27.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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