Immobilien:Das soll sich bei der Grundsteuer ändern

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Das Olympische Dorf im Norden Münchens: In Städten könnte Wohnen durch die Grundsteuer-Reform noch teurer werden, befürchten Mieterschützer.

(Foto: Michael Malorny/Imago)

Die wichtige Einnahmequelle für Gemeinden wird reformiert. Mieterschützer befürchten, dass dadurch Wohnen noch teurer wird. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Thomas Öchsner

Das Vorhaben, die Grundsteuer zu reformieren, ist ähnlich kompliziert wie der Abschied Großbritanniens aus der Europäischen Union. Die Vorgaben, die im Fall der Grundsteuer vom deutschen Bundesverfassungsgericht und den deutschen Länderfürsten in Stein gemeißelt wurden, können vom zuständigen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kaum in Übereinstimmung gebracht werden. Wenig motivierend ist zudem, dass die Einnahmen den Ländern zugute kommen. Kein Wunder also, wenn im Ministerium in der Berliner Wilhelmstraße gegrummelt wird, man habe nur den Aufwand und jede Menge Ärger, aber keinen Nutzen, wenn man die Grundsteuer reformiere. Weil Scholz aber nun mal in der Pflicht ist, wird er am Mittwoch die Länderchefs treffen und reden. Der Minister will zwei Modelle vorstellen. Eines davon favorisiert er: das vereinfachte Ertragswertmodell. Das andere, ein Flächenmodell, gefällt vor allem Bayern.

Was beinhaltet die Reform?

Scholz favorisiert ein dreistufiges Konzept: Er will den Immobilien- beziehungsweise Einheitswert anheben lassen, auf dessen Basis die Grundsteuer berechnet wird. Gleichzeitig soll die sogenannte Steuermesszahl deutlich gesenkt werden, auf bis zu einem Zehntel des jetzigen Wertes. Zudem behalten die Kommunen die volle Hoheit über den Hebesatz, mit dem sie die endgültige Höhe der Grundsteuer bestimmen können. Das Prinzip funktioniert so: Um die Grundsteuer zu berechnen, werden Immobilienwert und Steuermesszahl multipliziert - und mit dem Hebesatz gewichtet. Weil der Immobilienwert gestiegen, der Faktor aber gesunken ist, verändert sich das Ergebnis kaum. Und wie bisher hat es die Gemeinde in der Hand, über den Hebesatz die endgültige Höhe der Grundsteuer festzulegen.

Diese können je nach Kommune unterschiedlich hoch sein.

Warum wird die Grundsteuer neu berechnet?

Bislang legen die Finanzämter für die Berechnung der Grundsteuer für die mehr als 36 Millionen Grundstücke in Deutschland veraltete Werte zugrunde. Im Westen stammen sie aus dem Jahr 1964, im Osten gar von 1935. Eigentlich sollten diese Einheitswerte alle sechs Jahre erneuert werden. Das ist jedoch wegen des großen Aufwands unterblieben. Eigentümer von Immobilien würden durch die alten Werte in gravierendem Ausmaß ungleich behandelt, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Dies verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz im Grundgesetz.

Wann kommt die Reform?

Avisiert ist der 1. Januar 2025. Das Bundesverfassungsgericht hat sogar detaillierte Vorgaben gemacht. Demnach sollen Bundestag und Bundesrat die Berechnung der Steuer bis zum 31. Dezember 2019 neu regeln, und das natürlich verfassungskonform. Ist das neue Gesetz verabschiedet, bleiben fünf Jahre Zeit, also bis zum 31. Dezember 2024, um die neue Besteuerung umzusetzen. Bis dahin kann die derzeitige Regelung fortbestehen. Kommt kein neues Gesetz, fiele die Grundsteuer danach weg - und damit auch die Einnahmen für die Kommunen.

Wer erhält die Steuer?

Die Grundsteuer ist eine kommunale Abgabe und damit für die Städte und Gemeinden eine der wichtigsten Einnahmequellen überhaupt. 14,3 Milliarden Euro dürften die Kommunen 2018 mit der Grundsteuer einnehmen, rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor. 60 Prozent entfallen auf die privaten Haushalte, der Rest auf die Unternehmen, die die Abgabe ebenfalls zahlen müssen.

Wie hoch ist die Steuer im Vergleich?

Im Jahr 2015 lag die Grundsteuer für ein Einfamilienhausgrundstück in Großstädten mit mehr als 100 000 Einwohnern nach Angaben des Instituts der Deutschen Wirtschaft bei durchschnittlich 577 Euro im Jahr, für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus bei 229 Euro. Im bundesweiten Durchschnitt zahlen die privaten Haushalte für die Steuer, die auf Grundeigentum anfällt, 200 Euro im Jahr. Im Bundesfinanzministerium geht man von 19 Cent je Quadratmeter Wohnfläche aus. In anderen Ländern wie in den USA zahlen die Bürger ein Vielfaches des deutschen Niveaus.

Steigen die Mieten?

Der Deutsche Mieterbund befürchtet dies. Tatsächlich aber werden die Auswirkungen unterschiedlich sein. In ländlichen Gebieten dürften die Mieten sinken, in Bestlagen dagegen steigen. Weil sich die neue Berechnung an der Netto-Kaltmiete einer Wohnung orientiert, läuft sie darauf hinaus, dass teure Wohngegenden noch teurer werden. Also vor allem Großstädte. Gemeinden sollen aber künftig die Möglichkeit haben, den kommunalen Hebesatz nach Stadtbezirken festzulegen. Das heißt, dass Mieten in München Bogenhausen stärker steigen als in Neuperlach. Ähnliches gilt für Berlin Mitte und Marzahn oder Moabit. Auch dieses soll Spielraum bieten, den Übergang sozial verträglicher zu gestalten.

Was sagen die Länder?

Bayern hat den Vorschlag von Scholz bereits strikt abgelehnt. Die Pläne "würden Steuererhöhungen, Mieterhöhungen und vor allem mehr Bürokratie bedeuten", kritisierte Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU). Füracker kritisierte auch Scholz' Vorgehen als "verwunderlich" und warf ihm vor, die Vorschläge nicht vor dem Treffen der Länderfinanzminister am Mittwoch den Ländern vorgelegt zu haben. Scholz plant allerdings, genau diesen Vorwurf auszuräumen, in dem er am Mittwoch das von Bayern favorisierte Flächenmodell ebenfalls debattieren lassen will.

Was kritisiert die Immobilienwirtschaft?

Schwierig wird es werden, die Grundsteuer festzusetzen, wenn wie etwa in einer selbst genutzten Immobilie keine Miete erhoben wird. Dann soll der Eigentümer eine fiktive Miete ermitteln, und zwar anhand von Daten des Statistischen Bundesamtes. Der Zentrale Immobilien Ausschuss, der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft (ZIA), kritisierte das Modell als falschen Weg. "Der Gesetzgeber schafft damit ein Beschäftigungsprogramm für Steuerbeamte", sagte Hans Volkert Volckens, Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Steuerrecht. "Je komplizierter und aufwendiger die Berechnung der Steuerbelastung, desto praxisferner ist die Steuer."

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