Süddeutsche Zeitung

Geringverdiener:Die Grundrente ist eine Chance im Kampf gegen die AfD

Der Zuspruch für Rechtspopulisten hängt auch mit Sozialpolitik zusammen. Deshalb bemühen SPD und Union vor den Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern das Thema "Lebensleistung".

Kommentar von Kristiana Ludwig

Falls es noch jemanden geben sollte, der nicht verstanden hat, für wen Hubertus Heil die Grundrente einführen will, dem hilft der SPD-Sozialminister auf die Sprünge, indem er ein paar Namen vorschlägt: "Respekt-Rente", etwa, oder "Gerechtigkeitsrente". Denn je näher der Herbst rückt, in dem die Menschen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen neue Landesparlamente wählen, desto häufiger bemühen SPD und Union das Thema "Lebensleistung". Die Wertschätzung für ein Arbeitsleben, das durch die Wende in zwei Teile zerbrochen ist - sie erscheint ihnen als Weg zum Wahlerfolg. Oder besser: als Hoffnung im Kampf gegen die AfD.

Der Zuspruch für die Rechtspopulisten hängt schließlich auch mit Sozialpolitik zusammen, das zeigte die Bundestagswahl. Im Westen schien die AfD vor allem dort zu punkten, wo Wähler unterdurchschnittlich verdienen oder in der Industrie arbeiten. Im Osten war sie besonders auf dem Land stark, wo junge Menschen abwandern und wo die, die zurückbleiben, ökonomisch den Anschluss verlieren könnten.

Hubertus Heil will mit seiner Grundrente nun all jenen Bürgern unter die Arme greifen, die 35 Jahre lang gearbeitet haben, aber dabei stets nur wenig Geld verdient haben. Sie sollen einen Zuschlag zur Rente bekommen. Auch Kindererziehung und Pflegezeiten sollen hier einberechnet werden. Laut seinem Konzeptpapier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, sollen drei bis vier Millionen Menschen von der neuen Grundrente profitieren. Und zwar nicht nur neue Rentner, sondern auch diejenigen, die schon heute im Alter von einem schmalen Einkommen leben müssen.

Welche Bürger für die neue Grundrente in Frage kommen, möchte Heil in Zukunft außerdem anhand der Rentenpunkte berechnen. Ein Gang zum Sozialamt würde für die alten Leute damit wegfallen, genauso wie die Offenlegung ihres Einkommens. Diese Hürde hatte bislang dazu geführt, dass einige Rentner gar keine aufstockende Grundsicherung in Anspruch genommen hatten. Nach 35 Arbeitsjahren zum Sozialamt zu gehen - das fühlt sich schließlich nicht gerade nach "Lebensleistung" an. Dieses schlechte Gefühl möchte Heil den Menschen von nun an ersparen. Dafür legt er sich mit der Union an. Wählerwirksam, natürlich.

Rente, Armut, Arbeitslosigkeit: Auch die AfD setzt im gerade anlaufenden Ost-Wahlkampf nicht mehr nur auf Ressentiments gegen Fremde, sondern zunehmend auch auf soziale Themen. Für die etablierten Parteien ist das eine Chance: das bessere Angebot zu machen.

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