Grundrente:Die Reform nimmt Formen an

Eine Arbeitsgruppe schlägt zusätzlich zur Grundsicherung einen Freibetrag vor. Wer 35 Jahre lang Rentenbeiträge gezahlt, Kinder erzogen oder Verwandte gepflegt hat, soll davon profitieren.

Von Henrike Roßbach, Berlin

In der Rentenpolitik gilt: Nach der Rentenreform ist vor der Rentenreform. Auch Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) sitzt schon an seinem nächsten rentenpolitischen Projekt, nachdem der Bundestag erst im Herbst sein erstes Rentenpaket verabschiedet hatte, unter anderem mit Mütterrente II und Haltelinien für Rentenniveau und Beitragssatz. Heils Aufgabenzettel ist der Koalitionsvertrag; dieses Jahr stehen eine Grundrente oberhalb der Sozialhilfe für langjährige Beitragszahler und eine Rentenversicherungspflicht für Selbständige weit oben auf der Agenda.

Vor allem die Grundrente ist aber ein schwieriges Unterfangen, an dem sich schon einige von Heils Vorgängern erfolglos versucht haben. Mehrere Monate lang hat sich eine Arbeitsgruppe aus Bund, Ländern, Rentenversicherung und Sozialpartnern mit dem Thema befasst. Am Montag war nun zu hören, dass es nach fünf Sitzungen eine eindeutige Präferenz für ein bestimmtes Grundrentenmodell gebe: Demnach soll, wer 35 Jahre Rentenbeiträge gezahlt, Kinder erzogen oder Verwandte gepflegt hat, eine Rente bekommen, die etwa 100 Euro über dem Sozialhilfeniveau liegt.

Konkret soll die Rentenversicherung das Grundsicherungsamt informieren, wenn durch die Versichertendaten erkennbar ist, dass ein Rentner die Voraussetzungen für die Grundrente erfüllt. Das Amt gewährt dem Rentner dann einen Freibetrag zusätzlich zur Grundsicherung im Alter, die Hartz-IV entspricht. Er würde weiter Geld aus zwei Quellen bekommen: von der Rentenversicherung und dem Grundsicherungsamt. Der Gang zum Sozialamt samt Bedürftigkeitsprüfung fiele nicht weg. "Die Betroffenen bleiben weiterhin Grundsicherungsempfänger", heißt es in dem Papier der Arbeitsgruppe.

Im Koalitionsvertrag allerdings heißt es, dass die "Lebensleistung von Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben" honoriert werden solle; mit einem Alterseinkommen "zehn Prozent oberhalb des Grundsicherungsbedarfs". Und: "Die Abwicklung der Grundrente erfolgt durch die Rentenversicherung", die bei der Bedürftigkeitsprüfung mit den Grundsicherungsämtern zusammenarbeiten soll. Dagegen aber hat sie sich stets gewehrt.

Der Vorteil des Freibetragsmodells ist, dass es relativ einfach umzusetzen wäre. Es müsste keine neue Behörde geschaffen werden und auch keine neue Sozialleistung. Das Bundessozialministerium wollte sich am Montag allerdings nicht äußern, ob dieses Modell tatsächlich die Basis für den Referentenentwurf wird. Noch steht der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe aus, er wird aber in diesen Tagen erwartet. Danach muss der Minister entscheiden, ob er sich der Mehrheitsmeinung in der Arbeitsgruppe anschließt. Zuletzt hatte die Union den Druck auf Heil erhöht, möglichst noch vor den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern im Herbst ein Modell für eine Grundrente vorzulegen. Zusätzlich arbeitet Heils Ressort noch an einem Härtefallfonds für ostdeutsche Rentner, die durch die Rentenüberleitung nach der Wiedervereinigung benachteiligt wurden.

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