Klimaschutz:Wasserstoff aus Namibia

Solarbetriebenes Wasserloch im Khaudum Nationalpark in Namibia Der Park ist Teil des grenzuebergrei

Ein solarbetriebenes Wasserloch in einem Naturpark in Namibia. Um Wasserstoff zu produzieren, ist auch Sonnenenergie nötig. Davon hat das afrikanische Land reichlich. Es könnte zum Exportland für Energie werden.

(Foto: Imago)

Um klimaneutral zu werden, braucht Deutschland grünen Wasserstoff, und zwar in riesigen Mengen. Ein Abkommen mit Namibia soll nun dabei helfen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Das Diamantenfieber ist lange vorbei im Hinterland von Lüderitz, einer Hafenstadt im Süden Namibias. Wo einst die deutschen Kolonialherren ein Sperrgebiet errichteten, um planmäßig nach Diamanten zu suchen, erstreckt sich heute endloses, fast menschenleeres Land. Doch ein neues Fieber hat den Süden Namibias ergriffen: grüner Wasserstoff. Schließlich, so sagt das Präsident Hage Geingob gern, habe das Land "Weltklasse-Ressourcen an erneuerbaren Energien". Und die will er nutzen - demnächst auch mit deutscher Hilfe. Wobei die Frage noch ist, wer hier eigentlich wem hilft.

Diesen Mittwoch wollen beide Regierungen dazu eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen. Danach will Deutschland bis zu 40 Millionen Euro in eine Partnerschaft mit Namibia investieren, für eine Machbarkeitsstudie und erste Pilotprojekte. Im Gegenzug sollen deutsche Firmen und Wissenschaftler eine "bevorzugte Rolle" in Namibias grüner Wasserstoffwelt spielen. Eine "schlagkräftige, strategische Partnerschaft" entstehe da, sagt Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU), "die den globalen Energiemarkt der Zukunft prägen kann".

Sonne und Wind sind reichlich vorhanden

Namibia ist in vielerlei Hinsicht prädestiniert für grünen Wasserstoff. Mit 300 Sonnentagen und mehr als 3000 Sonnenstunden ist es selbst für afrikanische Verhältnisse verwöhnt mit Solarenergie, Deutschland bekommt nicht halb so viel ab. Platz gäbe es genug, denn Namibia zählt zu den am dünnsten besiedelten Ländern Afrikas. Auch an Wind mangelt es nicht, jedenfalls an der Küste im Süden des Landes. Und aus all dem erneuerbaren Strom lässt sich dann per Elektrolyse Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegen. Das nötige Wasser müsste aus Entsalzungsanlagen kommen, der Süden Namibias ist trocken. Häfen, um verflüssigten Wasserstoff zu verschiffen, gäbe es auch. Etwa gleich den von Lüderitz oder, 400 Kilometer nördlich, den Tiefseehafen Walvis Bay. "Das Land kann zu einem Global-Player für die grüne Wasserstofferzeugung werden", sagt Karliczek. Zwischen 1,50 und zwei Euro könnte das Kilo namibischer Wasserstoff in der Herstellung kosten. "Ein weltweiter Spitzenwert", sagt Karliczek. So billig ist er kaum irgendwo.

Schon einige haben ein Auge auf dieses Potenzial geworfen. Der Hafen von Rotterdam etwa, der sich zur europäischen Drehscheibe für den Import von Wasserstoff aufschwingen will. Oder Projektentwickler wie die australische Fortescue Future Industries oder CWP Global. Eine Partnerschaft wie mit Deutschland hat Namibia aber noch mit keinem Land abgeschlossen - ungeachtet der deutschen Kolonialvergangenheit, die der Völkermord an den Herero und Nama überschattet.

Das Land könnte zum Exporteur von Energie werden

Namibia selbst hofft auf eine ganz neue Epoche seiner wirtschaftlichen Entwicklung: Die Regierung beziffert das Investitionsvolumen auf sechs bis acht Milliarden Dollar. Das entspräche rund zwei Dritteln des jährlichen Bruttosozialprodukts. "Es ist eine Gelegenheit, dieses Land zu industrialisieren", sagt James Mnyupe, der Wirtschaftsberater des Präsidenten. Nicht nur grünen Wasserstoff, sondern auch grünen Ammoniak könne man in großen Mengen herstellen. Und der kann nicht nur in Düngern zum Einsatz kommen, sondern gilt auch als interessanter Energiespeicher: In Form von Ammoniak lässt sich Energie einfacher über große Strecken transportieren, weil der Stoff sich leichter verflüssigen lässt. Und das auch bis nach Europa, schwärmt Mnyupe.

Eine riesige Chance sei die Abmachung zwischen beiden Ländern, sagt auch der CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann, der Wasserstoff-Beauftragte des Forschungsministeriums. "Namibia kann zum Energie-Exportland werden, Deutschland kann sich namibischen Wasserstoff sichern." Und zugleich könnten deutsche Unternehmen die zugehörige Technologie liefern. Wenn alles gut laufe, könne schon 2025 der erste Wasserstoff exportiert werden.

Für die Bundesregierung ist der grüne Wasserstoff eine Schlüsselfrage, praktisch die gesamte deutsche Klimaschutzstrategie steht und fällt mit der grünen Energie. Denn da, wo nicht Strom fossile Energie ablösen kann - zum Beispiel bei Elektromotoren im Autoverkehr oder bei elektrischen Wärmepumpen für Heizungen - soll künftig grüner Wasserstoff Kohle, Öl und Gas ersetzen. Er könnte in Stahlwerken Kohle und Koks als Reduktionsmittel ersetzen und die Chemieindustrie klimafreundlich machen. Er könnte über Brennstoffzellen Lastwagen oder Loks betreiben und in Form synthetischer Kraftstoffe Flugzeuge fliegen lassen. Selbst Schiffe wären nicht mehr auf Diesel angewiesen.

Der Haken: Nur ein Teil davon lässt sich in Deutschland erzeugen. In ihrer Wasserstoffstrategie geht die Bundesregierung bis 2030 von einem Bedarf zwischen 90 und 110 Terawattstunden Wasserstoff aus. Aber nur 14 Terawattstunden ließen sich durch heimische erneuerbare Energien decken. Für das Jahr 2045, wenn Deutschland unter dem Strich keine Emissionen mehr verursachen will, taxiert die Stiftung Klimaneutralität den Bedarf auf 260 Terawattstunden. Aber zwei Drittel davon müssten importiert werden. Fieberhaft sucht Berlin derzeit nach Partnern in aller Welt.

Präsidenten-Berater Mnyupe weiß das. Bis zur nächsten Klimakonferenz im November in Glasgow will die Regierung die Pläne konkretisieren - um sie dort dem Rest der Staatengemeinschaft präsentieren zu können. "Wir sind ein David unter lauter Goliaths", sagt er. "Aber wir können vielen helfen, der Klimaneutralität näherzukommen." Auch Deutschland.

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