Grüne Woche:Die Agrarmesse zeigt die Zukunft der Landwirtschaft

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Ein Mitarbeiter kontrolliert den vertikal angebauten Salat eines Betriebs in Kyoto, Japan. (Foto: Charly Triballeau/AFP)
  • Neue, digitale Technologien sollen die Bauern schlagkräftiger und ihre Arbeit umweltverträglicher machen.
  • In Zukunft werden Landwirte durch autonom fahrende Maschinen unterstützt.
  • Pflanzenschutzmittel dürften noch gezielter eingesetzt werden. Neue Techniken in der Züchtung werden ermöglichen, Pflanzengene gezielt zu verändern.

Von Michael Bauchmüller

Draußen rollen die Traktoren wütender Bauern, drinnen rollt Z440. Artig nähert sich der Feldroboter, viel Arbeit hat er aber nicht. Z440 transportiert nur drei Scheren. Gleich soll damit ein Band durchgeschnitten werden, zur Eröffnung des "Erlebnis-Bauernhofs" auf der Grünen Woche. Vermutlich könnte er das aber auch ganz alleine.

Zur gleichen Stunde tobt auf vielen Straßen der Protest von Bauern, nicht nur am Rande der Berliner Messe. Schon die Traktoren, mit denen sie am Freitag ausnahmsweise in die Städte gefahren sind, lassen sich kaum noch mit den Geräten von vor 20, 30 Jahren vergleichen. Es sind Hightech-Gefährte mit Joystick und Klimaanlage, von der Motorleistung mal ganz zu schweigen. Doch Z440 und seine Artgenossen lehren: Auch das ist schon wieder Vergangenheit, die Technik ist längst weiter - zu sehen auf der Grünen Woche.

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Die Traditionsveranstaltung ist eine eigenartige Mischung aus Agrar-, Ernährungs- und Tourismusmesse. Die Besucher schlängeln sich an zahlreichen Köstlichkeiten aus aller Welt entlang, und erfahren daneben auch manches über die Herkunftsländer. Österreich wirbt für Ferien auf dem Bauernhof, die Niederlande präsentieren Käse und Tulpen, Sri Lanka lockt mit Gewürzen und dampfenden Töpfen. Und unter all das mischt sich das sogenannte "Fachpublikum": Landwirte, die sich weniger für die Veredelung ihrer Produkte interessieren als für die Technik des Anbaus.

In der Halle des Bauernverbands landen sie da zum Beispiel beim "Smarte-Daten-Hof", der Vision einer womöglich gar nicht mehr so fernen Zukunft. "Drohnen, Kleinstroboter und künstliche Intelligenzen sind die neuen Mitspieler auf dem Hof", lesen sie da. Sensorik werde immer mehr Aufgaben übernehmen. Schon jetzt gibt es Traktoren und Mähdrescher, die bei jeder Fahrt über den Acker auch Daten sammeln, über die Beschaffenheit des Bodens, seine Feuchtigkeit, Nährstoffe. Daraus lässt sich etwa bestimmen, wo welcher Dünger in welchen Mengen vonnöten ist. Nebenbei entsteht so ein Datenbestand von hohem Wert - selbst Ernteerwartungen lassen sich daraus ablesen. Bei Agrarrohstoffen, die oft global gehandelt werden, sind das wertvolle, marktrelevante Informationen; auch Chemiekonzerne wie Bayer nutzen solche Daten für maßgeschneiderte Pflanzenschutzangebote.

"Drohnen, Kleinstroboter und künstliche Intelligenzen sind die neuen Mitspieler auf dem Hof."

Derweil hat der österreichische Hersteller Steyr einen "Konzept-Traktor" entwickelt, der ständig von einer Drohne begleitet wird. "Die Idee ist, dass sie vorausfliegt und den Bestand kontrolliert", sagt Franz Josef Silber, Produktmanager bei Steyr. Das Eigentum an den Daten bleibe aber beim Landwirt. Fahren kann dieser Traktor auch elektrisch, dank Hybridantrieb.

Solcherart Fortschritt ist auch der große Hoffnungswert des Landwirtschaftsministeriums. Neue, digitale Technologien sollen die Bauern schlagkräftiger und ihre Arbeit umweltverträglicher machen. Mit Bildern vom bäuerlichen Idyll, wie sie auch auf der Grünen Woche hängen, hat das nicht mehr viel zu tun. "Wir werden nicht mit romantisierenden Bullerbü-Vorstellungen zu einer vormodernen Landwirtschaft zurückkehren", sagt Agrarministerin Julia Klöckner (CDU).

Stattdessen schwärmt sie am Freitagmorgen von einem Traktorreifen der allerneusten Generation: Er kann ganz schnell Luft ablassen, wenn er breiter auf dem Ackerboden aufliegen soll. Das soll helfen, Böden zu schonen. Und schnell lassen sich die Pneus auch wieder aufpumpen. Klöckner strahlt. "Es ist ganz wichtig, dass wir den Landwirten etwas an die Hand geben, um Zielkonflikte zu lösen", sagt sie. In dem Fall jener zwischen zunehmend schweren, leistungsstarken Traktoren und der Verdichtung der Böden.

Unlängst erst hatte ihr Haus eine neue Ackerbau-Strategie vorgelegt, sie ist das glatte Gegenteil von Bullerbü. "2035 - unsere Landwirtschaft ist smart und digital", steht darin. "Wir sehen weiterhin den Landwirt auf seinem Schlepper, aber er bekommt Unterstützung durch autonom fahrende Maschinen." Pflanzenschutzmittel werden nicht mehr im großen Stil versprüht, sondern ganz gezielt an die Pflanzen herangebracht, mittels "Präzisionslandwirtschaft". Den chemischen Pflanzenschutz könne das halbieren, mit der Folge, "dass auf unseren Feldern mehr Insekten, Vögel und Tiere unterwegs sind".

Auch neue Züchtungstechniken sollen eine Rolle spielen, etwa die umstrittene Genschere Crispr/Cas, die Pflanzengene gezielt verändert. Die Hoffnung: Die mutierten Pflanzen könnten besser mit Trockenstress und großer Hitze zurechtkommen. Schließlich soll ja trotz aller Erderwärmung eine wachsende Weltbevölkerung ernährt werden. Kritiker warnen dennoch davor, in das Genom von Pflanzen einzugreifen. "Außerdem ist fraglich, ob sich so tatsächlich Pflanzen züchten lassen, die gegen extreme Dürre resistent sind", sagt Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei Oxfam. Entsprechende Versuche bei Mais seien in der Vergangenheit gescheitert. "Die Erwartungen sind da häufig überzogen", sagt Wiggerthale.

Klöckner würde da wohl auch von einem klassischen "Zielkonflikt" sprechen, und von denen gibt es einige rund um die Landwirtschaft: zwischen Erträgen und Umweltschutz, zwischen Qualität und Preisen, zwischen den Ansprüchen von Stadt und Land. Eine Agrarwende, sagt die Ministerin, dürfe keine Wende in die Vergangenheit sein. "Modernität ist nicht mehr die Sache der anderen", sagt sie. "Da geht die Post ab auf den Feldern und in den Ställen." Digitale Post, versteht sich.

© SZ vom 18.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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