Als es vor fast genau einem Jahr losging, war schon bei der Auftaktveranstaltung klar: Hier ist ein großer Wurf geplant. In einem historischen Industriekomplex am Rande Berlins trafen sich alle, die bei den Grünen in Sachen Wirtschaftspolitik Rang und Namen haben mit Vertretern der Wirtschaft. Rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 wurde der Start der Grünen Wirtschaftsvereinigung gefeiert. Das Ziel: Nach dem Ärger um Heizungsgesetz und Gasumlage die Beziehungen der Grünen in die Unternehmen verbessern. Die Parteispitze erlaubte, dass die neu gegründete Vereinigung mit dem Namen der Grünen in Erscheinung trat. Die Co-Chefs Omid Nouripour und Ricarda Lang sollten einen Beirat der sonst unabhängigen Vereinigung führen.
Das Problem war nur: Es gab bereits einen solchen Verein. Eigentlich war genau zu diesem Zweck bereits 2018 der Grüne Wirtschaftsdialog entstanden, eine parteinahe Organisation mit 80 Fördermitgliedern aus der Wirtschaft. Vertreten waren BASF, Amazon, die Allianz, die Commerzbank, Siemens oder Uber. Auch diese Organisation war einst mit warmen Worten der Parteispitze entstanden: Es sei gut, dass Politik und Wirtschaft im Dialog seien, lobte der damalige Co-Parteichef Robert Habeck bei der Gründung. Offenbar aber traute man bei den Grünen dem Wirtschaftsdialog nicht mehr zu, sich zur schlagkräftigeren Organisation zu entwickeln. Von Unzufriedenheit über die Vielstimmigkeit innerhalb des Vereins war die Rede. Seither also rangen zwei Organisationen mit dem praktisch gleichen Ziel um Einfluss und Mitglieder - die Vielstimmigkeit reduzierte das nicht wirklich.
Eine Partei - zwei Lobbygruppen?
Am Mittwoch nun machten die beiden Organisationen der skurrilen Situation ein Ende. Beide Vereinsspitzen hätten die Entscheidung für eine Fusion getroffen, kündigten sie in Berlin an. Am 14. Juni sollen die Mitglieder der Vereine den Zusammenschluss rückwirkend zum 1. Januar formell beschließen. Man regiere damit auf Rückfragen der Mitglieder, sagte Gabriele Klug, zweite Vorsitzende des Wirtschaftsdialogs.
Eine Partei, zwei Lobbygruppen? In der Partei, in den Vereinen, aber auch in der Wirtschaft setzte sich zuletzt die Erkenntnis durch, dass das nicht gut gehen kann. Denn der Zweikampf brachte Unruhe. Beim Wirtschaftsdialog dachte man jedenfalls nicht daran, sich ausbooten zu lassen. Man habe "mehr Mitglieder denn je, die Zustimmung in der Wirtschaft, aber auch in der Breite der Partei nimmt eher noch zu", teilte der Verein nach der Gründung der neuen Konkurrenz mit. Die neue Wirtschaftsvereinigung trat ebenfalls selbstbewusst auf und verwies auf den exklusiven Draht in die Partei. Man sei die einzige Organisation, bei der die Partei entschieden habe, dass sie "ihr direktes Gegenüber für den Dialog mit der Wirtschaft" sei "und den Namen Wirtschaftsvereinigung der Grünen tragen kann", hieß es.
Offenbar reifte auch in der Grünen-Spitze die Erkenntnis, dass es so nicht weitergehen konnte. Mediatoren wurden eingeschaltet und vermittelten. Bis zum Schluss allerdings gab es Skepsis, ob die Fusionsentscheidung der Vereinsspitzen wirklich zustande kommt. Am Mittwoch aber hieß es nun, man sei zwar noch nicht ganz am Ziel, aber auf der Zielgeraden. "Wir verdoppeln die Zahl der Mitglieder und haben eine starke Geschäftsstelle", sagte Thomas Fischer, Chef der Wirtschaftsvereinigung.
Für September ist ein Wirtschaftskongress angesetzt
Sein Verein, der 2023 gegründete und von der Parteispitze unterstützte Herausforderer also, prägt nun auch die Handschrift der künftigen fusionierten Wirtschaftsvereinigung, die auch den Namen der neuen Organisation liefert. Wichtige organisatorische Elemente, wie der Beirat, der die Nähe zur Partei bietet, sollen von der Neugründung beibehalten werden. Damit setzt sich, wenn auch über Umwege, jene Linie bei den Grünen durch, die die Beziehungen zur Wirtschaft neu organisieren will. Allerdings verfügt der länger bestehende Wirtschaftsdialog über die größere Geschäftsstelle und bislang auch über mehr Geld. All das soll nun zusammen fließen.
"Durch die Fusion werden die Kräfte aus zwei erfolgreichen Organisationen gebündelt", sagte Grünen Co-Chef Omid Nouripour der Süddeutschen Zeitung. "Dadurch wird künftig mit einer Stimme und doppelter Kraft an einem Austausch zwischen Politik und Wirtschaft auf Augenhöhe gearbeitet." Angesichts der vielfältigen Herausforderungen sei dieser kritische und konstruktive Dialog heute wichtiger denn je, sagte er weiter. "Darauf freue ich mich sehr."
Zweifel an der Zustimmung der Mitglieder Mitte Juni haben die Vereinsspitzen offenbar nicht. Für den September ist bereits ein Wirtschaftskongress angesetzt, der den Startschuss für die gemeinsame Arbeit liefern soll.