Süddeutsche Zeitung

Pipers Welt:Profit, Profit, Profit

Grüne und nachhaltige Geldanlagen sind modern geworden, das Angebot ist riesig. Aber können Kapitalanleger zur Rettung des Weltklimas beitragen?

Von Nikolaus Piper

Kapitalisten wollen bekanntlich nur das eine: Profit, und zwar möglichst viel davon. So sehen das nicht nur Kritiker des Kapitalismus, sondern auch etliche Kapitalisten selbst. Unvergessen ist jener aufstrebende Jungmanager namens Jürgen Schrempp, der 1995 an die Spitze von Daimler trat und dabei als Ziel verkündete: "Profit, Profit, Profit". Das mag in der Vorfreude auf den neuen Job ein wenig extrem formuliert gewesen sein, aber zur Berufsbeschreibung eines Vorstandsvorsitzenden (heute meist CEO genannt) gehört es nun einmal, das Vermögen der Aktionäre zu maximieren, was man inzwischen vornehm "Shareholder Value" nennt. Für nicht-monetäre Ziele, zum Beispiel Nachhaltigkeit oder soziale Verantwortung, scheint da kein Platz zu sein. "Die soziale Verantwortung von Unternehmen ist es, Profite zu steigern", schrieb der Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman vor mehr als 50 Jahren in der New York Times und setzte damit den Grundton für Schrempp und unzählige seiner Kollegen.

Heute sind die Dinge komplizierter geworden. Wahrscheinlich hätte sich Friedman sehr gewundert, hätte er die jüngste (virtuelle) Hauptversammlung des Ölmultis Exxon Mobil am 26. Mai miterleben können. Normalerweise stimmen Aktionäre - in den USA nicht anders als in Deutschland - meist im Sinne des CEOs ab, weil sie von dem die Mehrung ihres Vermögens erwarten. Nicht so in diesem Jahr bei Exxon. Da trat "Engine No 1" auf, ein winziger Hedgefonds, der sich den Klimaschutz zum Ziel gesetzt hat. Der Fonds hält nur einen Minianteil von 0,05 Prozent an dem Ölproduzenten; trotzdem schaffte er es gegen den erbitterten Widerstand von Exxon-Chef Darren Woods, drei seiner Kandidaten in das zwölfköpfige Lenkungsgremium ("Board") zu schicken. Das war nur möglich, weil auch mächtige Großinvestoren Engine No 1 unterstützten.

Jetzt gibt es in diesem Board - das Gremium vereinigt auf sich die Funktionen von Vorstand und Aufsichtsrat - drei Stimmen, die von Exxon den schrittweisen Ausstieg aus dem Ölgeschäft verlangen werden. Fast gleichzeitig stimmten die Aktionäre des Konkurrenten Chevron für einen Beschluss, der das Management gegen dessen Willen zu mehr Klimaschutz zwingt. Eine gewisse Ironie liegt darin, dass sowohl Exxon als auch Chevron Überbleibsel des alten Standard Oil Trust sind, mit dem der legendäre John D. Rockefeller einst reich geworden war. Rockefellers Nachkommen setzen ihr Erbe heute unter anderem für den Klimaschutz ein und sind von daher so etwas wie die natürlichen Feinde der Ölindustrie.

Warum sich Chefs heute mit dem Klimawandel befassen müssen

Jedenfalls zeigen die Beispiele Exxon und Chevron, dass sich Chefs heute mit dem Klimawandel befassen müssen, auch wenn sie das gar nicht wollen. Dazu passt der Brief, den Larry Fink, Spitzenmann des Vermögensverwalter Blackrock, zu Jahresbeginn an Firmenchefs auf der ganzen Welt schrieb. Er erwarte infolge der Erderwärmung eine "fundamentale Neuordnung des Geschäfts mit Finanzanlagen", heißt es in dem Brief. Weil Finanzmärkte künftige Risiken bewerteten, werde es "in naher Zukunft, und früher, als die meisten glauben, zu einer Neuverteilung des Kapitals kommen". Blackrock werde gegen Manager stimmen, die nicht darlegen können, wie sie ihre Produktion nachhaltiger machen werden. Von jemandem, der über ein Anlagevermögen von 8,7 Billionen Dollar gebietet, haben solche Sätze Gewicht.

Nun wäre es sicher übertrieben, von Aktionären die Rettung des Weltklimas zu erwarten, schließlich wollen Anleger auch heute noch vor allem Geld verdienen. Aber wenn diese ihren Zeithorizont erweitern und, ganz im Sinne Larry Finks, erkennen, dass es irgendwann überhaupt kein Geld zu verdienen gibt, wenn der Klimawandel nicht gestoppt wird, können sie durchaus einen Beitrag leisten. Anleger, kleine ebenso wie große, sind im Übrigen auch nur Menschen, die sich um die Zukunft der Welt und ihrer Kinder sorgen. Sie wollen mit gutem Gewissen investieren. Deshalb wächst der Markt für "grüne" und "ethische Wertpapiere" so schnell.

Nicht immer geht es an der Börse rational zu

Hierin liegt der Erfolg der sogenannten ESG-Kriterien. Die Abkürzung steht für "Environmental, Social, Governance" (Umwelt, Soziales, gute Unternehmensführung) und soll dabei helfen, Unternehmen besser zu beurteilen: Gibt es Pläne, schnell klimaneutral zu werden? Wie sieht der Umgang mit Mitarbeitern und Gesellschaft aus? Fallen Entscheidungen rational und transparent und werden sie gut kommuniziert? Nach neuen Schätzungen wurden in den USA voriges Jahr 51,1 Milliarden Dollar nach ESG-Kriterien investiert, mehr als doppelt so viel wie 2019. Sogar Warren Buffett, der Held des Volkskapitalismus in Amerika, musste in diesem Jahr Kritik von großen Investoren hören, die von seiner Holding Berkshire Hathaway mehr Transparenz hinsichtlich der ESG-Kriterien verlangten.

Aber wie wirkt sich der Einsatz der aktivistischen Investoren auf die Unternehmen selbst aus? Dazu hat das Wall Street Journal eine interessante Rechnung aufgemacht: Seit den beiden Hauptversammlungen haben die Aktienkurse von Exxon und Chevron um etwa fünf Prozent zugelegt, was vor allem dem gestiegenen Ölpreis geschuldet ist. Die beiden kleineren Konkurrenten Devon Energy und Occidental Petroleum jedoch gewannen jeweils 15 Prozent. Sie hatten es (noch) nicht mit aktivistischen Investoren zu tun. Offenbar spekulierten einige Anleger darauf, dass Exxon und Chevron in ihren Investitionen gehemmt sein werden und andere ihnen daher Marktanteile wegnehmen können.

Sollte Larry Fink mit seinen Prognosen recht behalten, dürften solche Spekulanten bald ein Problem bekommen. Aber niemand hat behauptet, dass es an der Börse immer rational zugeht.

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