Grüne Investments:Die Macht des Geldes

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Erneuerbare Energie kommt bei Verbrauchern und Investoren gut an. Und Banken und Fondsgesellschaften haben inzwischen erkannt, dass sie für Fonds mit grünem Anstrich höhere Gebühren einstreichen können. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Professionelle Kaitalanleger berücksichtigen zunehmend ökologische und soziale Folgen. Das könnte die Finanzströme in ganz neue Bahnen lenken. Das Thema beschäftigt nun auch die Bundesregierung.

Von Michael Bauchmüller und Victor Gojdka, Berlin/München

Vorige Woche ist es der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore, der die Bremse zieht. Das Unternehmen verpflichte sich künftig auf die Ziele des Pariser Klimaabkommens, ließ Glencore wissen. Daran wolle man Investitionen fortan messen. Für ein Bergbauunternehmen, das massiv in Kohleminen investierte, ein bemerkenswerter Schritt. Eine Investorengruppe hatte Glencore zu der Kehrtwende gebracht, die "Climate Action 100+". Dahinter stehen 310 Investoren oder in US-Dollar: 32 Billionen. Das ist Macht.

Finanzmärkte, die Firmen zu ökologischem oder sozialem Handeln bewegen - das Thema wird immer bedeutender, auch hierzulande. Diesen Montag tritt in Berlin der "Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung" zusammen, das wichtigste ständige Regierungsgremium in Sachen Nachhaltigkeit. Diesmal geht es auch ihm um die Macht des Geldes. "Deutschland", so heißt es in einer internen Vorlage für das Treffen, "soll zu einem führenden Sustainable Finance-Standort werden." Vermehrt müssten Finanzmarktakteure "Nachhaltigkeitsaspekte bei Entscheidungen berücksichtigen".

Anleger sollen erfahren können, was Unternehmen mit ihrem Kapital anfangen

Einen Beschlussvorschlag gibt es auch schon, er unterstreicht die Rolle des Bundes in Sachen nachhaltige Finanzen. Finanz- und Umweltministerium sollen deshalb eine eigene deutsche "Sustainable Finance-Strategie" erstellen. Auch die Bundesregierung selbst solle "Nachhaltigkeitsbelange stärker in ihren Finanzentscheidungen (...) berücksichtigen". Eine nachhaltige Fiskalpolitik habe "zentrale Bedeutung", heißt es in der Sitzungsunterlage.

Vieles davon klingt noch abstrakt, die Wirkungen aber können sehr real sein. "Die Finanzwirtschaft ist ein zentraler Hebel für den ökologischen Umbau", sagt Matthias Kopp, der sich bei der Umweltstiftung WWF mit dem Thema befasst. Zusammen mit dem Frankfurter Green and Sustainable Finance Cluster hat der WWF einen Fahrplan aufgestellt, wie auch in Deutschland Finanzströme umgelenkt werden können. Im Zentrum steht deren Transparenz. Anleger sollen erfahren können, was Unternehmen mit ihrem Kapital anfangen - und auch, welche Risiken und Nebenwirkungen damit einhergehen.

"Es hilft nichts, wenn hier und da mal ein paar Millionen nachhaltig investiert werden", sagt Kopp. "Das breite System muss dekarbonisiert werden." Investoren müssten erfragen können, wie sich Unternehmen auf den Abschied von fossiler Energie einstellen. "Der Staat könnte etwa über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Unternehmen auffordern, solche Risiken aufzudecken", empfiehlt Kopp. Denn wenn Risiken eingepreist werden, verändert das Kalkulationen. So werde das "Ausspielen von Nachhaltigkeit gegen Renditemöglichkeiten" beendet, heißt es in dem Finanz-Fahrplan für Deutschland.

Am Finanzplatz Frankfurt fallen solche Äußerungen auf fruchtbaren Boden - selbst bei Bankern und Börsianern. Viele Banken haben entdeckt, dass es schlicht ein Risiko bedeutet, zu viele Kredite an Firmen mit fossilen Geschäftsmodellen auszureichen, die schon bald nicht mehr funktionieren könnten. Und Fondsgesellschaften haben verstanden, dass sie für Fonds mit grünem Anstrich höhere Gebühren einstreichen können. Mittlerweile drängt die Finanzbranche selbst darauf, dass die Bundesrepublik hier aufholen sollte. "In Deutschland hat die Politik das Thema lange eher beobachtet", sagt Kristina Jeromin vom Green and Sustainable Finance Cluster Germany. Die Diagnose: Andere Länder sind längst weiter.

Gerade an den Finanzplätzen wie Luxemburg, London und Paris haben Regierungen und Finanzindustrie schon vor geraumer Zeit Gremien geschaffen, in denen Politiker und Finanzer das Thema gemeinsam angehen. "Manche anderen Städte waren da wirklich schneller", sagt Finanzprofessor Ulrich Moslener von der Frankfurt School of Finance and Management.

In Luxemburg werden so viele grüne Anleihen begeben wie sonst nirgends auf der Welt

So müssen in Frankreich große Investmentgesellschaften nun offenlegen, wie sie das Thema Klimaschutz in ihren Investitionsentscheidungen berücksichtigen. Und vor zwei Jahren hat das Land eine erste grüne Staatsanleihe begeben. Deren Geld soll in nachhaltige Projekte fließen. Ganz ähnlich in Luxemburg: Hier werden so viele grüne Anleihen begeben wie sonst nirgends auf der Welt. Seit 2016 gibt es dafür sie sogar eine eigene Handelsplattform. Dass sich solche Initiativen auszahlen, zeigt sich in einer Untersuchung mehrerer Nichtregierungsorganisationen aus dem vergangenen Jahr. Finanzexperten sollten dabei einschätzen, wie grün sie verschiedene Bankenplätze wahrnehmen. Während London, Luxemburg und Paris dabei oft auf den ersten fünf Plätzen landen, liegt Frankfurt mit deutlichem Abstand dahinter. "Wir brauchen jetzt einen klaren Zeitplan der Politik in Sachen nachhaltiger Finanzen", sagt Nachhaltigkeits-Lobbyistin Kristina Jeromin.

Vielen in Frankfurt scheint das wichtiger denn je zu sein: Durch den Brexit werden die Gewichte zwischen den Finanzzentren neu austariert. Außerdem tagt gerade eine Expertenrunde der EU-Kommission, die festlegen soll, was "ökologisch" und "sozial" in Sachen Finanzen heißt. Die hiesige Finanzindustrie wünscht sich laxe Regeln, um viele ihrer Produkte mit einem grünen Aufkleber versehen zu können. "Und als Deutsche sollten wir auch nicht alles verdammen, was irgendwie nach Industrie riecht", sagt Finanzprofessor Moslener. Denn auch manch Industrieunternehmen mit wenig nachhaltigem Geschäftsmodell strengt sich ja zumindest an. Verbraucherschützer jedoch sehen laxe Regeln kritisch und fürchten Grünfärberei.

Dem Rohstoff-Konzern Glencore hat der Schritt einstweilen auch nicht geschadet. Ein "wichtiger erster Schritt" sei das, lobten die Analysten von Standard & Poor's. Und mit Blick auf nachhaltige Energie könne etwa Kobalt in Zukunft viel wichtiger werden für den Konzern. Für die Speicherung von grünem Strom.

© SZ vom 25.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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