Neue Wirtschaftsvereinigung:Grüne wollen bei Wirtschaftskompetenz aufholen
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Können die Grünen Wirtschaft? Bisher schneidet die Partei bei dieser Frage schlecht ab. Ein neuer Verein soll das ändern - und die Beziehungen zur Industrie aufbessern.
Von Markus Balser, Berlin
Es dauert nicht lange, bis Robert Habeck am Dienstag in Berlin auf den Punkt kommt. "Wenn meine Partei gut ist, ist sie eine Partei der Veränderung", sagt der grüne Wirtschaftsminister auf einer kleinen Bühne im Ausbildungswerk des Industriekonzerns ABB am Rande der Hauptstadt. "Und ich finde sie gerade richtig gut", sagt er vor den Managern.
Wo Habeck in diesen Tagen auftritt, wird der Umbau der Wirtschaft schnell zum großen Thema. Egal ob Energiewirtschaft oder Mobilität: Die Ampel-Koalition treibt den klimafreundlichen Umbau voran. Und das soll auch so weitergehen, kündigt Habeck an. "Wir müssen aus einer sozialen eine sozialökologische Wirtschaft machen", sagt Habeck. Aufgabe der Grünen sei es, diese Debatte nun scharf zu stellen.
Das Problem für den Grünen Minister ist bislang allerdings, dass er damit oft auch den Widerstand der Wirtschaft scharf stellt. Denn die Industrie konnte seinen Plänen vielfach weit weniger Freude abgewinnen konnte, als der Minister selbst. Egal ob beim Umbau der Mobilität oder dem Durchziehen des beschleunigten Atomausstiegs: Habeck traf auf einige Skepsis.
Bei dem Auftritt am Dienstag allerdings war vieles anders. Denn statt einem Raunen erntete Habeck diesmal Applaus. Anwesend waren überwiegend Gleichgesinnte. Denn Grünen-Spitzenpolitiker und Wirtschaft kamen im dem Industriewerk zum Start der neuen Wirtschaftsvereinigung der Grünen zusammen, die sich als Unterstützerkreis sieht. "Wir wollen die Brücke bauen von der Wirtschaft in die Politik", sagt Vorstandschef Thomas Fischer, Chef und Gründer der Managementberatung Allfoye in Düsseldorf. Man wolle dafür sorgen, dass grüne Politik zum Motor der Wirtschaft werde.
CDU/CSU und die SPD haben Ähnliches schon lange
Bei den Grünen entsteht damit, was die CDU mit dem Wirtschaftsrat und die SPD mit der Wirtschaftsvereinigung bereits seit Jahren haben. Offizieller Zweck des neuen Vereins ist laut Satzung die "Förderung und Verwirklichung nachhaltiger Politik in allen drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales".
Inoffizielles Ziel dürfte es sein, die Wirtschaftskompetenz der Grünen zu stärken und die Beziehungen in die Industrie vor den nächsten Wahlen zu verbessern. Bei Umfragen zur Wirtschaftskompetenz rangiert die Partei, die den Traum vom Einzug ins Kanzleramt nicht aufgegeben hat, zum eigenen Leidwesen regelmäßig auf den hinteren Rängen. In einer aktuellen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen sind die Grünen mit fünf Prozent Zustimmung hinter CDU (31 Prozent), SPD (15 Prozent) und FDP (8 Prozent) abgeschlagen viertstärkste Kraft.
Die Grünen wollen das ändern. "Wir sind eine Partei, die für klimaneutralen Wohlstand arbeitet", sagte Co-Parteichef Omid Nouripour zum Start des Vereins. Klimaneutralität und Wohlstand gingen nicht ohne die Wirtschaft. Daher brauche es "gut geölte Scharniere für den Austausch von Ideen".
19 Unternehmen sind am Anfang dabei - darunter einige große Namen
Der Verein startet mit 19 Mitgliedsunternehmen klein, dafür aber mit einigen großen Namen auf der Unterstützerliste. Fördermitglieder sind unter anderem die Deutsche Telekom, Siemens, ABB, Google Deutschland, SAP, Aldi Süd, das Berliner Entsorgungsunternehmen Alba oder der Wohnungskonzern Vonovia. Mitglieder können sowohl Firmen als auch Personen werden.
Die Vereinigung steht auch Mitgliedern offen, die nicht der Partei angehören. Er selbst sei nicht Mitglied, sagte etwa Vereinschef Fischer. Der Klimawandel aber sei eine echte Bedrohung und treibe ihn an, sich zu engagieren.
Die Organisation versteht sich als unabhängig. Ein von den Grünen angebotenes Darlehen in Höhe von 120 000 Euro werde wohl nicht benötigt, sagte Fischer weiter. Ein Politischer Beirat soll von den Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Nouripour angeführt werden. Zugang zur Grünen-Spitze könne man sich als Mitglied aber nicht erkaufen, versichert Nouripour.
Anti-Lobbyorganisationen sehen den Start dennoch kritisch. LobbyControl forderte am Dienstag klare Trennlinien und rief Spitzenvertreter der Grünen auf, keine Führungsfunktionen in dem Verein zu übernehmen. Auch eine Mitgliedschaft in einem Beirat könne zu Interessenkonflikten führen. Die Wirtschaftsvereinigung der Grünen sollte zudem ihre Finanzierung offen legen, auch über die Vorschriften des Lobbyregisters hinaus. Welche Mitgliedsbeiträge Unternehmen zahlen, blieb jedenfalls am Dienstag offen.
Viel Gesprächsbedarf
Die Grünen umwerben die Wirtschaft nicht erst mit der Gründung des Vereins. Bereits im Bundestagswahlkampf suchte man die Nähe zu Branchen, die von der eigenen Politik besonders betroffen sind - etwa zu Chemie- und Stahlunternehmen, die viel Energie brauchen. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock warb gar für einen Pakt zwischen Industrie und Politik. Die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Katharina Dröge, sprach von einem großen Interesse aus der Wirtschaft am Dialog mit ihrer Partei. Der Gesprächsbedarf sei auch Ausdruck eines "Bedürfnisses nach einer modernen Wirtschaftspolitik".
Dass die Grünen den Umbau weiter vorantreiben wollen, daran ließen die Grünen in Berlin keinen Zweifel. "Stillstand ist immer schon der Beginn von Untergang", sagte Habeck. Man habe sich in der Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel nur abstrakt auf Klimaziele geeinigt, aber nie durchdekliniert, was das im Konkreten bedeute. In der Wirklichkeit aber habe sich deshalb viel zu wenig geändert.