Süddeutsche Zeitung

Sorge um Autoland Baden-Württemberg:Porsche will mit Kretschmann reden

Die deutsche Autoindustrie muss grüner werden, sonst stehen ihr schwierige Zeiten bevor - sagt Baden-Württembergs designierter Ministerpräsident Kretschmann. Er will weniger Autos bauen und hinterfragt die Zukunft der Branche. Jetzt reagiert Porsche und kündigt Gespräche mit dem Grünen an, die CDU läuft Sturm.

Winfried Kretschmann provoziert mit einem Interview zur Zukunft der Autoindustrie Kritik aus der Union und der Branche. Der Sportwagenbauer Porsche will mit dem designierten grünen Ministerpräsidenten rasch über die Zukunft von Baden-Württemberg als Autoland reden. "Wir wollen ihn einladen, um mit ihm in einen Dialog zu treten", sagte ein Unternehmenssprecher. "Dieser sollte der Beginn einer konstruktiven Zusammenarbeit sein."

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wirft Kretschmann vor, den Wirtschaftsstandort zu gefährden. "Herrn Kretschmanns abstruse Forderung macht deutlich, wer der große Verlierer von Grün-Rot sein wird: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Daimler, Porsche und den vielen Zulieferern", sagte Gröhe. "Mit der Kampfansage an die Automobilindustrie, höherer Grunderwerbsteuer und der Blockade wichtiger Infrastrukturprojekte setzt Grün-Rot den Erfolg des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg in unverantwortlicher Weise aufs Spiel."

Kretschmann hatte sich in einem Interview mit Bild am Sonntag offen für eine geringere Produktion von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik ausgesprochen: "Weniger Autos sind natürlich besser als mehr", sagte er. Die deutschen Autohersteller sollen in geringerem Maße produzieren und exportieren als bisher. Zu dieser Aussage wollte sich der Porsche-Sprecher nicht äußern - sondern sagte nur: "Die Fahrzeuge, die wir bauen, sind in hohem Maße effizient."

Baden-Württemberg ist das Kernland der deutschen Autoindustrie. Mehr als jeder vierte Beschäftigte der Branche in Deutschland arbeitet hier. 241 Betriebe aus der Branche zählten 2008 nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Stuttgart knapp 207.000 Mitarbeiter - das ist fast jeder fünfte Industriebeschäftigte in der Autobranche des Bundeslandes. Zu den großen Namen der Branche gehören neben Daimler und Porsche der weltgrößte Autozulieferer Bosch und der drittgrößte deutsche Zulieferer ZF Friedrichshafen. Weitere wichtige Arbeitgeber sind Audi mit seinem Werk in Neckarsulm und Zulieferer wie der Kolbenspezialist Mahle oder der Kühler-Hersteller Behr.

Kretschmann träumt von Umbau der Autobranche

Der grün-rote Wahlsieg in Baden-Württemberg hatte Sorgen der Industrie ausgelöst, die staatliche Unterstützung der mächtigen Autobranche könne unter Kretschmann leiden. Mit den Aussagen in dem Zeitungsinterview ging der Grüne nun auf diese Bedenken ein - auf seine Weise. In Zukunft müssten "ganze Mobilitätskonzepte" verkauft werden, zu denen "Laufen, Fahrradfahren, Autofahren, Eisenbahnfahren" gehörten, sagte er. "Das müssen wir so klug vernetzen, dass man gut vorankommt und die Umwelt schont."

Der ökologische Umbau der Autoindustrie sei ein Kernprojekt seiner künftigen Arbeit, kündigte Kretschmann an. Sorgen machen müsse sich Baden-Württembergs Automobilindustrie um Daimler und Porsche unter einem grünen Regierungschef zunächst nicht, "aber sie muss in Zukunft Autos bauen, die viel weniger Sprit verbrauchen". Ohne eine ökologischere Ausrichtung seien die Fahrzeughersteller bedroht: "Wenn die Automobilindustrie es nicht schafft, grüner zu werden, wird sie keine Zukunft haben."

ACE: Autohersteller sind gefordert

"Die große grüne Vision ist es, aus dieser starken Industrieregion ein Land mit grünen Produktlinien zu machen", sagte Kretschmann. "Wir wollen beweisen: Ökonomie und Ökologie gehören zusammen, wenn wir unsere Lebensgrundlagen nicht zerstören wollen." Baden-Württemberg mit einer starken Forschungslandschaft habe gute Voraussetzungen dafür. Wohlstand zu sichern, ohne die Lebensgrundlagen zu zerstören sehe er als seinen Auftrag aus der Landtagswahl: "Darum wird ein Grüner hier Ministerpräsident."

Kritik und Unterstützung erhielt Kretschmann vom Auto Club Europa: "Die Strategie der Autohersteller orientiert sich zunächst nicht an den extravaganten Wünschen eines designierten Ministerpräsidenten, sondern daran, was die Käufer wollen", sagte Verbandssprecher Rainer Hillgärtner. Dabei spielten die Erfordernisse der Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle. "Im übertragenen Sinne heißt das: Die wirklich starken Autos sind schwach im Verbrauch. Autohersteller müssen in diesem Sinne ihren guten Vorsätzen Taten folgen lassen." Automobilität müsse für Normalverbraucher aber auch erschwinglich bleiben.

Kretschmann: Im Porsche sitzt man zu tief

Persönlich will Kretschmann übrigens als Dienstwagen zunächst den von seinem Vorgänger Stefan Mappus (CDU) bestellten Wagen fahren, "ich vermute mal, ein Daimler", sagte er. Nach einem Jahr könne er dann wechseln. "Ich werde sicher auch ein Fahrzeug nehmen, dass in Baden-Württemberg gefertigt worden ist." Wobei er kein gutes Gefühl in einem Porsche habe: Er sei mal in einem Porsche eines Parteikollegen mitgefahren, sagte er, aber "ich fand, man sitzt da zu tief. Da hat man das Gefühl, auf dem Asphalt aufzusetzen".

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