Süddeutsche Zeitung

Gründer-Szene:"Diese Menschen sind das Rückgrat unserer Wirtschaft"

Die Corona-Krise trifft junge Gründer hart. Trotzdem sind die Menschen motiviert, sich selbstständig zu machen, beobachten Experten.

Von Paulina Würminghausen, München

Es ist paradox: In den vergangenen Monaten mussten die Geschäfte zeitweise schließen, viele Menschen sind in Kurzarbeit, keiner weiß, was in Zukunft kommen wird - aber der Wille, sich selbstständig zu machen, ist weiterhin da. Das beobachten zumindest Experten. "In Zeiten von Corona denken viele darüber nach, was für sie wirklich sinnvoll ist im Leben", sagt Ruth Schöllhammer vom Deutschen Gründerverband.

Autonomie, Selbstverwirklichung, einfach das Gefühl, eine gute Idee haben, das alles sind Gründe für junge Menschen, sich selbstständig zu machen. Deswegen würden zurzeit vermehrt Menschen zu Schöllhammer kommen, die konkrete Fragen zur Gründung eines Unternehmens hätten. Oft seien sie die alten Konzernstrukturen leid und wollen es selbst besser machen.

Dabei hat die Corona-Pandemie die Gründer hart erwischt. Laut einer Bitkom-Umfrage vom Juni gibt fast jedes zweite Start-up an, dass die Corona-Krise die Existenz bedrohe. Bei den Solo-Selbstständigen hält es jeder vierte Befragte für sehr wahrscheinlich, dass Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten aufgeben zu müssen, zeigt eine andere Befragung vom Wirtschaftsinstitut ZEW. Vor allem die Gastronomie-, die Beherbergungs- sowie die Veranstaltungsbranche sind betroffen.

Viele werden ihren Kindern raten, sich nicht selbstständig zu machen

Die finanziellen Hilfen vom Staat würden oft an ihnen vorbei gehen, so Andreas Lutz vom Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD). Er spricht von Vertrauensverlust in die Politiker, würde diesen am liebsten sagen: So viele Gründungen, wie ihr gerade kaputt macht, könnt ihr später gar nicht fördern. "Nach dieser Krise werden viele Selbstständige ihren Kindern raten: mach dich nicht selbstständig", sagt Lutz.

Das soziale Umfeld sei jetzt sehr wichtig für junge Gründer: Diese würden schnell den Mut verlieren, wenn Familie und Freunde sagen, dass die Selbstständigkeit momentan zu unsicher sei.

Auch Schöllhammer sagt, dass die Herausforderungen für Gründer momentan riesig seien. Die Finanzierung sei "quasi aussichtslos", es werde zu viel von ihnen erwartet und bei vielen Anträgen laufe es zu bürokratisch. "Unsere Volkswirtschaft braucht dringend diese unternehmerischen Talente, diese Menschen sind das Rückgrat unserer Wirtschaft."

Doch obwohl kein Gründer bedeutende Vorteile durch die Corona-Pandemie hat, schaffen es manche besser durch die Krise als andere, sagt Schöllhammer. Weil sie eben flexibel und innovativ sind und ihr Geschäftsmodell schnell ändern.

Und wenn sich bestehende Unternehmen nicht anpassen (können), habe das auch etwas Gutes: Das Bild in den Innenstädten werde sich ändern, die Mieten sinken, es werde viele Leerstände geben, so Lutz vom VGSD. "So ergeben sich auch neue Chancen für Gründer."

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