Gründerserie:Lernen von dem Alten

Ulrich Dietz hat vor 30 Jahren im Schwarzwald ein Software-Start-up gegründet. Heute setzt sein Unternehmen 400 Millionen Euro um und bringt auf einem Festival neue Gründer zusammen - zum Schwätzen und Schaffen.

Von Max Hägler, Karlsruhe/Stuttgart

Den Macher dieses tatsächlich recht bunten Festivals findet man ohne Probleme. Man suche zwischen wummernden Musikbässen, Laserinstallationen und 3D-Druckern einfach einen der vergleichsweise ältesten Menschen hier auf der Gründerkonferenz; trägt der Mann Pulli über einem weißen Hemd und hat er eine Halbglatze, dann dürfte es sich um Ulrich Dietz handeln.

Der erfahrene Selfmade-Millionär treibt mal wieder die junge deutsche Start-up-Szene an: 52 Start-ups aus elf Ländern hat Dietz mit seinem Team ausgewählt, die in dieser Woche in Karlsruhe zusammengetroffen sind mit Kunden, anderen Gründern, Geldgebern und Managern größerer Unternehmen. Der etwas sperrige Name: Das new New-Festival Code N.

New new, weil Dietz in den vergangenen Jahren ähnliches auf der weltweit größten Computershow Cebit organisierte, aber dann enttäuscht von der mangelnden Unterstützungen in Niedersachsen einen neuen Ort suchte, nah seiner Heimat Pforzheim: Beinahe das gesamte Museum für Kunst und Medientechnologie, das ZKM, hat er nun in Beschlag genommen. Draußen Food-Trucks mit Maultaschen, drinnen viele Bildschirme und Sitzplätze.

Wenn man schafft und ned so viel schwätzt, sagt Dietz, kommt oft was Gutes raus

Ulrich Dietz

Firmenchef Ulrich Dietz hat seine Start-up-Messe Code N von der Cebit in Hannover nach Karlsruhe verlegt. Er wollte Neues ausprobieren.

(Foto: GFT)

Das Miteinander-ins-Gespräch kommen, erklärt Dietz, sei ja eines von zwei größeren Probleme der deutschen Start-up-Szene. Unwissenheit sei da auf der Seite der Nachwuchsleute, Risikoscheu auf der Seite der traditionellen Firmen. Sein Ideal: der geschickte bayerische Zweiklang "Laptop und Lederhose". Noch arbeiten Etablierte und Neueinsteiger nicht wie selbstverständlich zusammen, sagt auch Peter Leibinger, Geschäftsführer beim Laserspezialisten Trumpf. Deshalb finanziert er die Konferenz diesmal mit: "Wir kommen hier an ganz neue Ideen und wir brauchen die!" Dietz kennt beide Seiten, spricht davon, dass alle das Kontaktieren noch üben müssten, anders als im Silicon Valley, wo sie das schnelle Gründen durch Millionenfinanzierungen seit Jahrzehnten pflegen. Das Modell in den USA lebt von Unternehmern, die einst etwas aufbauten und sich nach den Börsengängen zurückzogen aus ihren Start-ups - und mit einem Teil ihrer verdienten Millionen jetzt wieder Neues in Gang setzen. In Deutschland gibt es abgesehen von den Samwer-Brüdern noch nicht viele dieser Art, die Szene ist noch zu klein. Dietz wäre so einer, aber doch passt er nicht ganz ins Schema. Er hat nicht das gewählt, was die Branche "Exit" nennt: er hält mit seiner Frau immer noch ein Drittel seiner GFT AG und führt den Laden mit den 4500 Mitarbeitern weiterhin.

Vom ganz jungen Gründer hat er sich hoch gearbeitet zu einem der erfolgreichsten Softwareunternehmer des Landes. Viel arbeiten, viel entbehren, das ist sein wichtigster Ratschlag. Daran hapert es bei manchen der jungen Unternehmern, die er kennenlernt, da kommt er zum zweiten Problem. "Ein bisschen gründen mit einer mittelmäßigen Idee, irgendwas programmieren und dann Geld verdienen wollen - so funktioniert das nicht", schimpft Dietz. "Es gibt zu wenige spannende Menschen und es gibt niemanden, der wirklich reich und erfolgreich werden will." Das will er ändern, will Steigbügelhalter sein, Netzwerker - und nebenbei damit auch seinen Firmennamen weiter bekannt machen. Begeistert steht er abends auf einer Bühne, um den Sieger eines Gründerwettbewerbs zu küren: Diese Wiener Entwickler, die per Laser Töne aufnehmen, die würden herausragende Ideen mit Geschäftssinn zusammenbringen! Das gefällt Dietz. Das Publikum, viele um die 30 Jahre alt, jubelt.

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Wahrscheinlich ist dieser Hang zur Ernsthaftigkeit Ergebnis seiner eigenen Lebenserfahrung. Der 58-Jährige musste kräftig arbeiten, um seine Unternehmung auf die Spur zu bringen. "Leider hat es beinahe drei Jahrzehnte gedauert", sagt er. In der Schule war er kein Überflieger, machte eine Lehre zum Maschinenschlosser - und arbeitete währenddessen als technischer Zeichner. Dann doch noch Abitur per Abendschule und ein Maschinenbaustudium. Mit einem Professor gründete er 1985 ein Softwareunternehmen, unterstützt vom Staat im Technologietransferzentrum St. Georgen, im Süden des Schwarzwalds. Die Firma wuchs, firmierte um, spezialisierte sich zusehends auf Lösungen für Geldinstitute. In Zeiten der ersten Internetbegeisterung vor 15 Jahren ging er an die Börse, einige Jahre später die Beinahe-Pleite. Doch Dietz kämpfte, ein Postbank-Auftrag rettete ihn. Mittlerweile ist er etabliert, sitzt im Präsidium des Branchenverbandes Bitkom. GFT hat die E-Briefmarke der Post entwickelt, organisiert das Online-Banking der Deutschen Bank und macht 80 Prozent des Jahresumsatzes von 420 Millionen Euro inzwischen im Ausland.

Über die Jahrzehnte hat Dietz dabei festgestellt, dass in eingespielten Unternehmen nur selten Neues entsteht. Deswegen dieses Festival. Und deshalb auch der eigene Inkubator. Am Firmensitz in Stuttgart hat er im Sommer zwei Etagen für ganz junge Firmen geöffnet, deren Gründer nun - wie man das so macht heutzutage - an die flexiblen Bürowände Ideen kritzeln dürfen und in der schicken Cafébar rumhängen. Und wenn sie Rat brauchen, können sie ihn, den Erfahrenen, auch einmal unkompliziert für eine halbe Stunde dazu holen. Und klare Ansagen erwarten.

Gipfelstürmer

Zum ersten Mal zeichnet der Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung mit dem Start-up-Wettbewerb "Gipfelstürmer" die besten Gründer aus Deutschland aus. Teilnehmen können Unternehmen, die älter als sechs Monate und jünger als fünf Jahre sind und ihren Sitz in Deutschland haben. Der Wettbewerb richtet sich an Gründer, die ein innovatives Produkt oder ein spannendes Geschäftsmodell entwickelt haben. Die Ausschreibung läuft bis zum 10. Oktober. Bewerben kann man sich über die Website www.sz-wirtschaftsgipfel.de/gipfelstuermer. Eine Jury aus Mitgliedern der SZ-Wirtschaftsredaktion wählt Mitte Oktober aus allen Bewerbern die acht Finalisten aus. Diese dürfen am SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin teilnehmen. Jeder der acht "Gipfelstürmer" darf seine Geschäftsidee und sein Unternehmen auf der Bühne im Hotel Adlon vorzustellen. Dann küren die Teilnehmer des Gipfels, darunter viele erfahrene Manager, per App den Sieger.

Ulrich Schäfer

Der Mann hält nichts von Mystifizierung: Die Finanzwelt etwa, für die seine Firma programmiert, sei weit simpler als eine komplexe Maschine. Genauso nervt ihn Banales. Viele Apps, beispielsweise solche zum Bestellen von Zeug, hält er für banal, deshalb hat er vor allem Naturwissenschaftler geladen. Da sind die Wiener mit ihrem Mikrofon, Italiener, die ein Teil zum Stethoskop-Desinfizieren entwickelt haben. Oder Mannheimer, die eine Datenbrille erfunden haben, die beim Autoreparieren live Informationen einblendet, wo welches Werkzeug anzusetzen ist.

Wenn man schafft und ned so viel schwätzt, sagt Dietz, während er auf seine Bühne blickt, dann kommt oft etwas Gutes dabei raus. Ein bisschen meint er damit wohl auch sich selbst.

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