Gründer Tony Fernandes:Der Mann zum Abheben

Obwohl er keine Ahnung vom Geschäft hatte, gründete Tony Fernandes eine Billig-Fluglinie. Viele Menschen glauben, dass der Malaysier damit mehr für das Zusammenwachsen Asiens bewirkt als alle Politik.

Oliver Meiler

Gleich wird es wieder laut, donnernd laut. Dieses Grollen der Motoren, dieses schrille Heulen der Düsen vor dem Start. Die dünnen Wände des Terminals für Billigflieger von Kuala Lumpur werden dann wieder erzittern. Eine bescheidene Halle ist das, wenig Glitzern, kaum Boutiquen, lange Schlangen vor den Check-in-Schaltern, viele junge Menschen, mehr Rucksäcke als Schalenkoffer. LCCT heißt der Flughafen, Low Cost Carrier Terminal, "El-si-si-ti", 60 Kilometer entfernt von Malaysias Hauptstadt. Es könnte einem bange werden bei all dem Dröhnen. Flug AK 852 nach Phnom Penh, Kambodscha, hebt ab. Und hinten am Pistenanfang warten schon AK 42 nach Guangzhou, China, AK 1004 nach Yogyakarta, Indonesien, und AK 872 nach Phuket, Thailand. Alles rot: die Flugzeuge, die Uniformen der Hostessen, die sonnenverbrannten Köpfe der westlichen Touristen.

Gründer Tony Fernandes: Tony Fernandes

Tony Fernandes

(Foto: Foto: Bloomberg)

Knallrot, das ist die Farbe von Air Asia, Asiens größter und rentabelster Billiglinie, 400 Flüge am Tag, ein Streckennetz wie rasant wachsende Tentakel. Tony Fernandes, der 43-jährige Chef der Fluggesellschaft, wird gleich sagen: "Wenn ich zur Arbeit fahre und gerade eine unserer Maschinen startet und tief über die Autobahn rauscht, dann hab' ich noch immer diesen Kick, so ein Kribbeln im Bauch."

Preise und Auszeichnungen gesammelt

Der Malaysier Tony Fernandes, Sohn eines Inders aus Goa und einer Malaysierin mit portugiesischen Vorfahren aus Malakka, beruflich groß geworden in der US-Musikindustrie, verändert Südostasien in diesen Jahren des Booms und Drangs vielleicht so sehr wie kein anderer Unternehmer. Und wie kein Politiker, Minister, Präsident. Er sammelt Preise und Ehrungen, fehlt in keiner Rangliste der Reichen und Einflussreichen und Innovativen. Auf den meisten steht er ganz oben. Tony Fernandes demokratisiert nämlich das Fliegen, gewissermaßen ein Grundrecht in dieser Gegend mit den vielen tausend Inseln, in der es keine modernen Züge gibt und kein zusammenhängendes Autobahnnetz. In einer Region also, in der nur Fliegen sinnvoll ist.

Air Asia ist für viele in Südostasien zum Synonym für erschwingliches Fliegen geworden. Dazu passt der Slogan: "Now everyone can fly." Na ja, nicht ganz alle, aber unverhofft viele. Tony Fernandes bietet Flüge zu Preisen an, die sich Dutzende Millionen Menschen plötzlich leisten können, Menschen, die Flugzeuge bisher nur aus dem Fernsehen kannten: untere Mittelklasse mit Aspirationen, wandernde Gastarbeiter, kleine Unternehmer auf Marktschau.

"Uns bringt nichts um"

Soeben hat Fernandes bei Airbus 175 Maschinen des Typs A320 bestellt. 175. Dazu eine Option auf 50 weitere. Und 25 Stück der A330 mit jeweils 392 Sitzen bestellte er auch, für längere Strecken, nach Indien, China, Europa, bald einmal. Fernandes glaubt an sein Geschäft, muss er auch bei solchen Milliardeninvestitionen. Air Asia hat in ihrer kurzen Geschichte schon so viele Krisen überstanden: Preiskämpfe, Kartelle, Sars, Vogelgrippe, hohe Treibstoffpreise. "Uns bringt nichts um", sagt der Chef und lacht laut. In sechs Jahren will Air Asia 70Millionen Passagiere jährlich transportieren. Zu Zielen, an die keine andere Airline fliegen mag, in die ländlichen Provinzen, wo das kleine Volk lebt.

Kein Ministerrat des Verbandes Südostasiatischer Staaten, Asean, kein regionaler Gipfel hat mehr Integration geschaffen als Tony Fernandes, er allein, seitdem es Air Asia gibt, seit 2002. Das schreibt das britische Magazin The Economist, das nicht leicht zu beeindrucken ist. Air Asia ist eine Marke, die man überall in der Region kennt.

Das Büro des Chefs liegt über der Abflughalle des LCCT, in einem Großraum mit halbhohen, verrückbaren Trennwänden, mit Sicht auf die Startbahn, 43 Baseballmützen an einer der Wände, drei billige Kunstledersessel. Fast alle der 5000 Mitarbeiter von Air Asia arbeiten hier. Die Ingenieure, die Leute des Callcenter, die der Verpflegung, die Putzleute, die Informatiker. Eng auf eng. Alle kommen durch denselben Eingang zur Arbeit, eine kleine, rote Tür. Auch die Piloten, die Flugbegleiterinnen, die Manager. "Das ist meine manische Seite", sagt Fernandes, "wir sind eine Familie, wir müssen mit den Füßen am Boden bleiben." Das Marketing und die Werbung wollten lieber ein schickes Büro im Zentrum. "Doch ich sagte ihnen, euer Business ist hier, eure Kunden sind hier, euer Markt ist hier."

Der Mann zum Abheben

Noch geht das mit den flachen Hierarchien und dem Familiengeist. Noch ist es, als rieben sich alle die Augen über den eigenen Erfolg. Und sie verrücken einfach die Trennwände bei jedem neuen Wachstumsschritt, bauen ein bisschen an. Doch lange geht das nicht mehr so.

"Ich mag es, wenn ich mit dem letzten Flug nach Hause komme, und alle unsere Maschinen aufgereiht dastehen. Die Reihe wird immer länger." Es muss dies ein erhebendes Gefühl sein für einen, der als Bub einer Mittelklassefamilie geträumt hatte, einmal eine Fluggesellschaft zu besitzen, der an der London School of Economics studierte, Buchhalter wurde, bei Virgin Music anheuerte, bei Richard Branson also, einem anderen schillernden Airline-Besitzer, dann zu Time Warner nach New York wechselte, wo sie im Buchhalter, der sein Büro im Keller hatte, bald einen Musikproduzenten entdeckten, ihn zurück in seine Heimat schickten und zum Chef für Südostasien machten.

Bis 2001 war er das. Bis Time Warner erneut verkauft wurde. Fernandes kündigte, nach zwölf Jahren, ohne dass er einen neuen Job gehabt hätte, ließ sich seine Aktien-Optionen auszahlen und reiste nach London. "Ich saß in meinem Hotelzimmer und schaute fern, da zeigten sie einen Bericht über Stelios Ioannou, den Gründer von Easy Jet. Diese orangefarbenen Maschinen, die Idee, Barcelona für neun Pfund, Genf für sechs, nur Flug, keinen Luxus, ach Mann, ich fand das einfach genial." Am nächsten Tag fuhr Fernandes raus zum Flughafen von Luton, wo der Billigflieger Easy Jet seinen Sitz hat, und er ließ sich alles zeigen. "Am nächsten Tag ging ich noch mal hin, diesmal mit einer Videokamera."

Fehlendes Vitamin B

Dann flog Tony Fernandes zurück nach Kuala Lumpur, um eine Fluggesellschaft zu gründen. "Ich hatte keine Ahnung vom Geschäft. Zusammen mit drei Jugendfreunden, alles Leute aus der Musikindustrie, die auch keine Ahnung hatten, brachten wir es auf ein Startkapital von einer Million Ringgit." 200.000 Euro. Das war schon damals nicht viel. Das reichte nicht einmal für den Erwerb einer Lizenz. Doch noch problematischer war, dass Fernandes keine politischen Beziehungen hatte. Und das in einem Land, in dem ohne politische Beziehungen nichts geht. In einem abgeschirmten, überregulierten Markt zudem. Und der staatlichen Malaysia Airlines ging es auch nicht gut. Da schien es unrealistisch, dass die Regierung einem Konkurrenten die Türe öffnen würde, einem zumal, der die Preise drücken würde. Fernandes wusste also, dass er gegen das gesamte Establishment anrannte. Auch davon lebt sein Ruhm.

Über einen Bekannten, der im Handelsministerium arbeitete, konnte er sich einen Termin bei Mahathir Mohamad verschaffen, Malaysias gestrengem Premierminister. "Ich war so nervös", sagt Fernandes, "ich hatte bis dahin noch nie jemanden getroffen mit so viel Macht. Vor uns war gerade die Opposition bei ihm im Büro, dann ausgerechnet die Leute von Malaysia Airlines. Und erkältet war Mahathir auch. ,Macht es kurz', sagte er , als wir vorgelassen wurden. Wir dachten, das war's." Doch dem Premier gefiel die Idee, er ermunterte die jungen Männer - mit einer Bedingung: Fernandes und Freunde mussten eine bestehende Gesellschaft kaufen, eine mit nur zwei Flugzeugen. Air Asia war damals blau und grün und schrieb tiefrote Zahlen. "Als Logo hatten die einen Vogel am Heckflügel, der nach hinten schaute, nicht eben eine glückliche Symbolik, nicht wahr?"

Die Verhandlungen dauerten nur einen Morgen. Bei Air Asia war man froh, einen Käufer gefunden zu haben. Fernandes zahlte einen Ringgit, 20 Cent, und übernahm die zehn Millionen Euro Schulden. Die vier Freunde nahmen Hypotheken auf ihre eigenen Häuser auf, um das Vertrauen der Kreditgeber zu gewinnen. Nur vier Monate, nachdem er Time Warner verlassen hatte, war Fernandes Besitzer einer Fluggesellschaft. "Wir unterzeichneten die Verträge am 9.September 2001, zwei Tage vor den Terroranschlägen in den USA. Verstehen Sie nun, wenn ich sage, dass uns nichts umbringen wird?"

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: