Süddeutsche Zeitung

Gründer:Deutsche Start-ups bangen um ihre Zukunft

Die Bundesländer spielen beim Hilfspaket für Gründer eine entscheidende Rolle. Das klappt mal mehr, mal weniger gut.

Von Franziska Nieß

Sehr bemüht, aber noch nicht wirkungsvoll: So beurteilt Florian Kosak, Chef und Gründer des Berliner Start-ups Unicorn, die Arbeit von Bund und Ländern bei den Corona-Hilfen für junge Unternehmen. Unicorn gestaltet und vermietet Workspaces, rund 130 Start-ups nutzen derzeit das Angebot. Kosak kann die Stimmung deshalb gut einschätzen, er sagt: "Viele Start-ups beantragen verzweifelt alle möglichen Zuschüsse." Doch viel Geld fließe bisher nicht. Diese Erfahrung teilt etwa ein Thüringer Start-up, das anonym bleiben will. Vom Land Thüringen fühlt sich der Chef allein gelassen und schlecht informiert. Das Überleben der Firma sichert nach vier Monaten Hoffen und Bangen nun vor allem ein privater Investor.

Positivere Erfahrungen machte Till Buttermann vom Start-up CfGo - weil sein Unternehmen in Nordrhein-Westfalen sitzt. Wegen der Corona-Krise war ein Investor abgesprungen, der Finanzierungsplan ins Wanken geraten. Mitte April hörte er das erste Mal von "NRW Start-up akut", dem Hilfsprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen und der NRW-Bank. Innerhalb einer Woche bewarb sich CfGo um die Hilfsgelder. "Im Interview wurden wir auf Herz und Nieren geprüft", sagt Buttermann. Trotz positiven Bescheids vergingen elf Wochen bis zur finalen Vertragsunterschrift, "weil sich Bund und Land nicht einig wurden". Doch bei Start-ups, die in der Regel wenig Eigenkapital besitzen und auf Wachstum aus sind, zählt momentan jeder Tag. Wie im Fall von CfGo sprangen zu Beginn der Krise Investoren ab, und viele Jung-Unternehmen warten nun sehnsüchtig auf Geld, um zu überleben. Dass sich die finanziellen Hilfen der Bundesländer stark unterscheiden, sorgt für Verwirrung.

Buttermann, der mit seinem Team eine Software für Liquiditätsplanung anbietet, hilft daher mittlerweile anderen Start-ups aus Nordrhein-Westfalen dabei, Hilfe zu bekommen: "Weil bei den Vorgaben des Bundes jetzt Klarheit herrscht, dauert der Prozess noch rund sechs Wochen".

Die Bundesregierung unterstützt deutsche Start-ups mit einem Maßnahmenpaket in Höhe von zwei Milliarden Euro. Dieses Paket richtet sich einerseits an junge Unternehmen, die bereits finanzielle Hilfe durch eine Beteiligungsgesellschaft erhalten. Ein solcher Venture Capital Fonds gibt mehreren Anlegern die Möglichkeit, indirekt in ein Start-up zu investieren. Die KfW-Tochter KfW Capital kümmert sich um diese Form der Hilfen und zählt bisher 75 Anträge. 28 Anträge mit einem Gesamtvolumen von 614 Millionen Euro wurden bereits bewilligt. Auch das gebeutelte Start-up aus Thüringen profitierte von diesem Angebot.

Da es in Deutschland aber viel mehr junge Unternehmen ohne Beteiligungsgesellschaft im Rücken gibt, übernehmen die Bundesländer und die dazugehörigen Förderinstitute die Hilfen für kleinere Start-ups und Mittelständler. Höchstens 800 000 Euro dürfen sie den Firmen auszahlen.

Seit Anfang Juli hat die KfW Globaldarlehen in Höhe von 410,5 Millionen Euro mit sieben Landesförderinstituten unterzeichnet. Weitere 100 Millionen sollen kurzfristig folgen. Doch mehr als zwei Monate, nachdem der Bund den Rahmen für die zweite Säule des Start-up-Rettungspakets bekannt gegeben hatte, ziehen noch nicht alle Bundesländer mit. "Wir haben den Ländern Musterverträge angeboten, damit sie die Hilfen schnell umsetzen können", sagt Thomas Jarzombek, der Start-up-Beauftragte des Bundeswirtschaftsministeriums. Doch die meisten lehnen Jarzombek zufolge ab und bevorzugen individuelle Verfahren, die länger dauern. Der CDU-Politiker kritisiert die landesweiten Unterschiede. Für die KfW alleine wäre die Umsetzung allerdings zu viel gewesen.

Dem stimmt Paul Wolter vom Bundesverband Deutsche Start-ups zu. Er hält den Weg über die Länder für die einzige Option, bedauert aber, dass es so lange dauert. "Einige Bundesländer gestalten schon bestehende Programme um, andere setzen neue Programme auf", sagt Wolter. Aus Investorensicht ist der Weg über die Bundesländer katastrophal. "Die großen Unterschiede von Bundesland zu Bundesland zeigen, dass es hilfreich gewesen wäre, wenn der Bund und die KfW einheitliche Strukturen vorgegeben hätten", sagt Roland Kirchhof, Vorstand des Business Angels Netzwerk Deutschland. Die Investoren, die oft an mehreren Start-ups aus unterschiedlichen Bundesländern beteiligt sind, müssten sich jetzt in die verschiedensten Programme einarbeiten.

Derzeit lässt sich nicht sagen, wie viele Jungunternehmen bisher auf der Strecke geblieben sind

Die Programme der Länder variieren stark. Die NRW-Bank vergibt im Programm "NRW Start-up akut" Wandeldarlehen von maximal 200 000 Euro und mit einer Laufzeit von sechs Jahren an Start-ups, die noch nicht länger als drei Jahre auf dem Markt sind. Berlin leistet Hilfe in Form von Wandeldarlehen, stillen oder offenen Beteiligungen von 200 000 bis 800 000 Euro. In Hessen wird das bestehende Programm Hessen Kapital I nun mit den Geldmitteln des Rettungspakets gefüttert. Thüringen bietet seit Mitte August den Thüringer Zukunftsfonds mit einem Volumen von 20 Millionen Euro - allerdings noch nicht auf Basis des Rettungspakets. Baden-Württemberg startet seine Hilfe "Mezzanine-Beteiligungsprogramm Baden-Württemberg" noch in diesem Monat. Viele der befragten Förderinstitute sehen das Geld des Bundes als Ergänzung zu schon bestehenden Programmen für Start-ups.

Bleibt die Frage, wie sich die deutsche Start-up-Landschaft unter den aktuellen Bedingungen entwickelt. Da die Pflicht zum Insolvenzantrag ausgesetzt ist, lässt sich derzeit nicht sagen, wie viele Jungunternehmen bisher auf der Strecke geblieben sind. Zumindest bei der Zahl der Neugründungen gibt es Entwarnung. Arnas Bräutigam analysiert mit seinem eigenen Start-up Startupdetector die Konkurrenz. Für das zweite Quartal verzeichnet er weniger neue Unternehmen als im ersten, jedoch vergleichbar viele wie 2019. "Vor allem innovative digitale Start-ups oder junge Firmen aus den Bereichen Medizin und E-Commerce profitieren sogar von der aktuellen Situation", sagt er. "Digitalisierung und generell Fortschritt sind durch die Krise ja nicht ausgesetzt."

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SZ vom 26.08.2020
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