Es sind drei Personen, die in der deutschen Gründerszene durchaus Gewicht und Gehör haben – und die jetzt im Mittelpunkt einer neuen politischen Diskussion stehen, die innerhalb der deutschen Wirtschaft noch erhebliche Unruhe auslösen könnte. Der bekannte Gründer Christian Reber machte den Anfang. Auf der Plattform X richtete er sich an CDU-Chef Friedrich Merz, mit einem eindeutigen Vorschlag: „Öffnen Sie sich für eine Koalition mit der AfD, unter der Bedingung, dass kein offensichtlich rechtsradikales Parteimitglied politische Verantwortung tragen wird.“
Reber ist nicht der Einzige, der sich in der Sache zu Wort gemeldet hat. Christian Miele aus der bekannten Gütersloher Waschmaschinen-Familie, selbst mal Chef des Startup-Verbands, setzt sich auch mit der Brandmauer der Union gegen die AfD auseinander. Und Investor Frank Thelen, bekannt aus der TV-Gründershow „Die Höhle der Löwen“, schreibt: „Keiner will eine starke AfD, aber aktuell geben uns die Wähler eventuell keine andere Option, ihre demokratische Stimme in einer funktionierenden Regierung zusammenzubringen.“
Will die Wirtschaft also tatsächlich, dass die AfD nach der Bundestagswahl im Februar 2025 in Deutschland mitregieren soll, in einer Koalition mit der Union? Eine Partei also, die Deutschland abschotten will, die schon mal die EU infrage stellt und gegen Zuwanderung ist.
Verwunderlich ist, dass ausgerechnet junge Unternehmensgründerinnen und -gründer den Umgang mit der Rechtsaußen-Partei zum Thema machen. Viele Firmen in Deutschland sind ohnehin kritisch gegenüber der rechtsextremen Partei eingestellt und äußern das inzwischen auch öffentlich. Im Mai erst hatten mehrere Konzerne vor den Gefahren extremistischer Parteien für die deutsche und europäische Wirtschaft gewarnt. 30 große Unternehmen hatten zusammen mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) eine Kampagne unter dem Titel „Wir stehen für Werte“ gestartet. „Meine Sorge vor der AfD ist sehr groß“, sagt der Unternehmer Reinhold Würth. Auch ostdeutsche Firmen warnen ausdrücklich vor der AfD, etwa Stefan Traeger, der Chef der Techfirma Jenoptik.
„Die AfD ist mein Gegner, sie darf keine Regierungsverantwortung übernehmen“, sagt jetzt Christian Miele der Süddeutschen Zeitung, und fügt an, er werde sich immer gegen diese Partei stellen, sie dürfe nicht an die Macht kommen. Trotzdem halte er die Diskussion über das Thema für wichtig, sagt er: „Für mich fühlt es sich so an, als bräuchten wir eine lautere Debatte zu diesem Phänomen, das uns Sorgen bereitet.“ Da die Union jedwede Zusammenarbeit mit der AfD ablehne und eine Brandmauer errichtet habe, könnte es nach der Wahl zu einer schwarz-grünen oder schwarz-roten Koalition kommen – und das, obwohl die Wählerinnen und Wähler offenbar mehrheitlich eine bürgerlich-rechte Politik wollten. Dadurch bestehe die Gefahr, dass es „abermals vier Jahre faule Kompromisse geben wird“. Am Ende könnte im Jahr 2029, bei der nächsten Wahl, die AfD als die Gewinnerin dastehen, so die Argumentation. Er sei „zutiefst verzweifelt“, so Miele.
Der Startup-Verband distanziert sich ganz ausdrücklich
Mieles Gründer-Kollege Reber empfiehlt der Union ganz offen: „Stehen Sie gemeinsam mit der AfD für eine deutsche, bürgernahe und europäische Politik.“ Reber hatte 2015 sein Online-Start-up Wunderlist für sehr viel Geld an den US-Konzern Microsoft verkauft. Mit seiner zweiten Firma Pitch hatte er aber keinen vergleichbaren Erfolg. Auf Plattformen wie X oder Linkedin gibt es deutliche Kritik an den Vorschlägen zur AfD. „Die Zusammenarbeit mit einer Partei anzustreben, die ganz andere Ziele hat, macht keinen Sinn“, schreibt etwa der CDU-Politiker Thomas Jarzombek, der von 2019 bis 2021 Beauftragter des Bundeswirtschaftsministers für Start-ups war.
Der Startup-Verband, der bis Ende 2023 vier Jahre lang von Miele geführt wurde und der sich als überparteilich bezeichnet, distanziert sich jedenfalls eindeutig. „Wir haben uns als Verband immer klar gegen die AfD positioniert“, teile ein Sprecher mit. In den Leitprinzipien würde diese Haltung näher ausgeführt. „Daran ändern auch Umfragewerte für Bundestagswahlen und Gedankenspiele zu möglichen Koalitionen nichts“, heißt es. Seit Ende 2023 wird der Verband von der Gründerin Verena Pausder vertreten, die gerade mit Wirtschaftsminister Robert Habeck auf einer Gründer-Konferenz in Lissabon war.
Gerade junge Unternehmen sind auf Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland angewiesen. Nach jüngsten Zahlen liegt der Anteil ausländischen Mitarbeitenden bei Start-up-Firmen bei 30 Prozent, doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft. Dazu kommt: Gründerinnen und Gründer in Deutschland haben auch eine andere politische Präferenz. Diese wird vom Startup-Verband im „Deutschen Startup Monitor“ alljährlich erhoben (hier diesem pdf-Dokument auf Seite 55). Die jüngsten Ergebnisse: Grüne gut 41 Prozent, FDP gut 21 Prozent, Union knapp 16 Prozent, SPD 5,5 Prozent – und AfD lediglich drei Prozent.