Großrazzia bei HSH Nordbank:Ökostrom für die Mafia

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Polizisten durchsuchen Büros der HSH Nordbank in Hamburg. (Foto: dpa)

In Kalabrien steht einer der größten Windparks Europas. Doch das einstmals grüne Prestigeprojekt im Süden Italiens wird mehr und mehr zum Kriminalfall. Der Vorwurf: Italiens Mafia soll mit Ökostrom Geld gewaschen haben. Einige Spuren führen nun auch nach Deutschland.

Von Markus Balser

Isola di Capo Rizzuto liegt ziemlich genau da, wo Italien aufhört. Die kleine Küstenstadt in Kalabrien mit 16.000 Einwohnern an der Sohle des italienischen Stiefels stand in ihrer Geschichte selten für Aufbruch. Bis zum Jahr 2006 war das so, als auf ihrem Grund die Arbeiten für einen der größten Windparks in Europa begannen. Eine schillernde Idee in einer der ärmsten Regionen des Landes. Und doch blieb der Image-Schub aus. Denn offenbar floss nicht nur gute Energie in die Anlage. Das grüne Prestigeprojekt wird mehr und mehr zum Kriminalfall.

Zu einem, in dem offenbar immer mehr Spuren auch nach Deutschland führen. Denn mit einer groß angelegten Razzia im Morgengrauen gingen am Dienstag in der Affäre 200 Ermittler bundesweit gegen mutmaßliche Geldwäscher vor. So filzten die Fahnder auch Geschäftsräume der Staatsbank HSH Nordbank in Kiel und Hamburg, die das Projekt mit 225 Millionen Euro finanziert, hat sowie des Windanlagenherstellers Enercon in Aurich.

Aufgrund der internationalen Verbindungen gebe es außerdem auch Razzien in Österreich. Bei den Ermittlungen gehe es um den Verdacht der Geldwäsche und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung, sagte der Osnabrücker Oberstaatsanwalt Alexander Retemeyer. Die HSH selbst stehe dabei nicht im Verdacht, sondern Kunden, die offenbar im Kontakt mit der Mafia stünden.

Auch Mitarbeiter des Windanlagenbauers Enercon unter Verdacht

Es gehe um Ermittlungen gegen Dritte, betonte auch die Bank. Sie kooperiere "vollumfänglich" mit den Behörden bei der Aufklärung. Die Ermittlungen liefen seit Februar, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Geführt würden sie vom Bundeskriminalamt sowie dem Landeskriminalamt Niedersachsen. Auch beim Windanlagenbauer Enercon mit Sitz in Aurich wurden Büros durchsucht.

Der Konzern bestätigte die Ermittlungen am Abend, betonte aber, die Ermittlungen richteten sich gegen Enercon-Kunden und nicht gegen Mitarbeiter. In Italien schlugen die Fahnder in der Affäre schon vor eineinhalb Jahren zu. Die Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft Catanzaro beschlagnahmte damals die gesamte Anlage in Süditalien. Seither drehen die Rotoren zwar weiter. Die Einnahmen von rund 30 Millionen Euro pro Jahr fließen dem Staat zu.

Spuren führen nach Rosenheim

Der Verdacht der Behörden: Die Anlage soll ein Projekt der Mafia sein. Die italienischen Kollegen seien bei ihren Recherchen aus dem Staunen nicht herausgekommen, heißt es in deutschen Justizkreisen. Da der Windpark von deutschen Unternehmen geplant, finanziert und gebaut wurde, sind, suchten die italienischen Strafverfolger bei den Ermittlungen die Hilfe der Deutschen.

Im Zentrum der Affäre steht offenbar ein Geschäftsmann und Anwalt aus dem bayerischen Rosenheim, der mit mutmaßlichen Mitgliedern eines der 'Ndrangheta-Clans in Kontakt stand. Er soll sich mit weiteren Partnern zusammengetan haben, um den Windpark mit einer eigenen Firma als Generalunternehmer zu bauen und zu verkaufen. Dabei sollen offenbar Gelder der Mafia über ein Firmengeflecht in Deutschland, Italien, San Marino und der Schweiz gewaschen worden sein.

Die 'Ndrangheta ist eine der vier großen italienischen Mafiaorganisationen. Sie besteht aus verschworenen Familien-Clans, die vom süditalienischen Kalabrien aus operieren. Bei ihren Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft mehrere Firmen im Emsland im Visier, die an der Einschleusung von Geldern aus Straftaten in den Wirtschaftskreislauf beteiligt gewesen sein sollen.

© SZ vom 20.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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