Großbritannien:Warum Herr Dyson den Starrsinn liebt

Großbritannien: An einer Strähne Testhaar demonstriert Sir James Dyson diese Woche in Paris die Vorzüge seines neuesten Geräts. "Meine Mission ist, Haare zu retten", sagt er.

An einer Strähne Testhaar demonstriert Sir James Dyson diese Woche in Paris die Vorzüge seines neuesten Geräts. "Meine Mission ist, Haare zu retten", sagt er.

(Foto: OH)

James Dyson wurde mit beutellosen Staubsaugern reich, jetzt hat er den Lockenwickler neu erfunden. Er sagt: Eigensinn lohnt sich - auch beim Brexit.

Von Leo Klimm, Paris

James Dyson mag die EU nicht, grundsätzlich nicht. Er ist ein freiheitsliebender Brite. Der Mann, der mit beutellosen Staubsaugern Milliardär wurde, ist unbedingt für den Brexit. Als einer der wenigen prominenten Wirtschaftslenker seines Landes. Aber als Absatzmarkt ist ihm die EU schon wichtig. Also ist Dyson diese Woche nach Paris gereist. Denn er hat ein neues Produkt zu verkaufen.

Nun steht Sir James, ein schlaksig-sportlicher Herr von 71 Jahren, von der Queen längst zum Ritter geschlagen, auf einer Bühne im ehrwürdigen Hôtel Salomon de Rothschild und spricht über den "Dyson Airwrap" - die Neuerfindung des Lockenwicklers. An einer Strähne Testhaar führt er vor, wie leicht das Gerät zu bedienen sei. "Sogar ich habe eine Locke gedreht!", ruft er. Brav klatscht das Beauty- und Marketing-affine Publikum, das für den Auftritt hier versammelt wurde.

"Es geht um Souveränität. Ich will, dass Großbritannien sich selbst regiert"

Für Dyson selbst ist der Airwrap aber nicht nur ein Hightech-Gerät zur Optimierung von Äußerlichkeiten. Es ist nach Staubsaugern und Hochleistungshandtrocknern ein weiterer Beweis, dass sich Eigensinn lohnt. Stets hat er auf andere Technologien gesetzt als Rivalen wie Siemens und Bosch, vor allem auf maximale Beschleunigung von Luft. Ähnlich sieht Dyson das mit Britanniens EU-Austritt: Eigensinn bis hin zum Starrsinn lohnt sich.

Nächste Woche mag ein wohl dramatischer Brexit-Gipfel in Brüssel anstehen, bei dem die Verhandlungen - anders als Dysons Haarstyler - ziemlich heiß laufen dürften. Für ihn ist klar: "Es geht um Souveränität. Ich will, dass Großbritannien sich selbst regiert", sagt Dyson im Gespräch mit der SZ. Am Ende werde der Brexit das Königreich stärken, da ist er sich sicher. So, wie er selbst mit seinen eigenen Ansätzen zur Fortentwicklung von Alltagsgeräten ein auf Forschung ausgerichtetes Familienunternehmen mit einem Jahresumsatz von umgerechnet vier Milliarden Euro und 12 000 Mitarbeitern erschaffen hat.

Auch als Geschäftsmann bleibt Sir James der Tüftler, der für seine technischen Ideen wirbt. Auf der Bühne in Paris überlässt er es einem aus New York eingeflogenen Szenefriseur, von dem Lockenwickler zu schwärmen, der für 449 Euro aufwärts erhältlich ist. Dyson doziert lieber über den Digitalmotor, der 110 000 Umdrehungen pro Minute schafft, und über die Vermeidung von Hitze, die bei Konkurrenzprodukten das Haar schädige. "Meine Mission ist, Haare zu retten", sagt er.

Wobei seine wahre Leidenschaft wohl einem anderen Projekt gehört - das für eine Haushaltsgerätefirma recht ambitioniert erscheint: 2020 will Dyson ein E-Auto auf den Markt bringen, insgesamt 2,3 Milliarden Euro investiert er dafür. "Das ist sehr viel komplexer als ein Haarstyler", räumt Dyson ein. Trotzdem will er auch da von der Fahrzeugarchitektur bis zum Batterieantrieb alles selber machen.

Selber machen, von niemandem abhängig sein. Das ist es. Zwar könnte man die Erfolgsstory des Unternehmens Dyson, das 90 Prozent der Erlöse außerhalb Britanniens erwirtschaftet, auch als Argument für Freizügigkeit und vernetzte Volkswirtschaften werten. Als bestes Argument gegen den Brexit. Sir James hat seine eigenen Ansicht: "Ich bin für freien Handel", sagt er. Die EU mit ihren Einfuhrzöllen und abertausend Normvorgaben ist für ihn aber eher eine Organisation zur Behinderung von Freihandel. Im Übrigen ändert sich durch den Brexit rein geschäftlich nicht viel für ihn: Die EU-Einfuhrzölle bleiben gleich, weil er seine Staubsauger und Lockenwickler in Asien fertigen lässt. In Großbritannien, so hofft Dyson, entfallen die Zölle dagegen bald. Und das bedeutet womöglich: mehr Umsatz, mehr Gewinn. Auf die EU-Subventionen, die Dyson in seinem Nebenberuf als Öko-Großbauer einstreicht, verzichtet er da gern.

Eines sorgt ihn: dass die britische Premierministerin Theresa May demnächst einen faulen Kompromiss mit Brüssel schließen könnte. Dabei habe vor allem die deutsche Industrie ein Interesse am Brexit-Deal, meint Dyson. Überhaupt, zu Deutschland hat er ein zwiespältiges Verhältnis. Mit der deutschen Konkurrenz hat er sich viel vor Gericht gestritten. Einen deutschen Topmanager bei Dyson warf er vor einem Jahr hinaus, weil er ihn des Geheimnisverrats bezichtigte.

Aber als Absatzmarkt ist Deutschland wichtig. Nächste Woche steigt die Show um den Luxus-Lockenwickler in Berlin.

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