Großbritannien:Warum die Briten jetzt E-Autos kaufen

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Premierminister Boris Johnson und die Briten haben offenbar ihre Liebe zum E-Auto entdeckt. (Foto: Tayfun Salci /imago)

Das Benzin in Großbritannien ist knapp. Die Folge: Wer einst belächelt wurde, darf sich jetzt als Sieger fühlen.

Von Alexander Mühlauer, London

Seit drei Wochen ist John jetzt der heimliche Star in der Nachbarschaft. Vor seinem Haus im Südwesten Londons steht nämlich etwas, das die anderen nur zu gerne hätten: ein Elektroauto. Als er sich den Wagen vor zwei Jahren kaufte, wurde er manchmal belächelt, wenn er abends das Stromkabel zum Aufladen anschloss. Doch seit die Menschen in Großbritannien plötzlich an den Tankstellen Schlange stehen mussten, um ja noch einen Tropfen Benzin zu bekommen, ist es John, der sich das Lächeln nicht ganz verkneifen kann. Schadenfreude? Ein bisschen. Er sagt: "Das Elektroauto war das beste Investment seit Langem."

So wie John, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, wollen nun viele im Vereinigten Königreich sein: unabhängig vom Verbrennermotor. "Die Anfragen nach Elektroautos sind bei den Händlern um das Drei- bis Fünffache gestiegen", sagt Mike Hawes, Chef der Society of Motor Manufacturers and Traders (SMMT). Er vertritt die Interessen der Autoindustrie in Großbritannien und ist davon überzeugt, dass die Schlangen an den Tankstellen die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen gezeigt haben.

Die Zahlen bei den Kaufs- und Verkaufsplattformen im Internet sind jedenfalls eindeutig. Allein am ersten Wochenende der fuel crisis, wie die Spritkrise in Großbritannien genannt wird, war das Interesse an E-Autos so groß wie nie zuvor. Bei Autotrader und Carwow stiegen die Suchanfragen um gut 60 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. "Das Ausmaß der Nachfrage nach Elektroautos war völlig beispiellos und ein echter Beweis dafür, dass viele Menschen umsteigen wollen", sagte Sepi Arani von Carwow, dem Online-Fachmagazin Automotive Management.

Eine Nachbarin schreibt in der Whatsapp-Gruppe: "Ich war heute bei vier Tankstellen, aber alle hatten zu!!"

Mittlerweile hat sich die Lage an den Tankstellen entspannt, aber es gibt immer noch welche, die kein Benzin haben. Es hat geholfen, dass die britische Regierung Soldaten dazu verpflichtete, Tanklaster zu fahren. Das Problem allerdings bleibt: Im Königreich gibt es zu wenige Lkw-Fahrer, die die Kraftstoffe von A nach B bringen können.

Nun, zumindest in der Whatsapp-Nachbarschaftsgruppe von John hat sich die Panik gelegt. Es gibt keine Chats mehr wie zu Beginn der Spritkrise, als zum Beispiel eine Nachbarin schrieb: "Kennt jemand eine Tankstelle, die Benzin hat? Ich war heute bei vier Tankstellen, aber alle hatten zu!!" John kann darüber nur schmunzeln. "Ich habe mich da rausgehalten." Er glaubt, dass nun immer mehr Menschen auf E-Autos umsteigen. Schließlich würde der Spritpreis weiter steigen, und dann komme ohnehin die Deadline 2030. Von diesem Jahr an dürfen im Vereinigen Königreich keine neuen Autos mehr mit Verbrennermotor verkauft werden. So hat es die Regierung beschlossen.

Um die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen zu steigern, gibt es derzeit eine Förderung von bis zu 2500 Pfund vom Staat. Doch laut Daily Telegraph will das Finanzministerium diese Subvention streichen, um die in der Pandemie gestiegenen Staatsausgaben wieder zu senken. Dem Vernehmen nach ist man im Finanzministerium davon überzeugt, dass die Lust auf E-Autos weiter anhält - auch ohne Schlangen an den Tankstellen.

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